NEW YORK – Die globale Gesundheit steht erneut im Rampenlicht. Im September hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) zwei bedeutende Konferenzen veranstaltet – eine zur Ausrottung der Tuberkulose (TB) und die andere zum Kampf gegen nicht übertragbare Krankheiten (NCD, noncommunicable deseases). Es war das erste Mal, dass zwei Gesundheitskrisen auf der Tagesordnung der UN so weit oben standen.
Aber jetzt, wo diese Diskussionen vorbei sind, muss sich die weltweite Gesundheitsgemeinschaft darauf konzentrieren, sich weiterhin für eine internationale Planung und Koordinierung zu engagieren. Dabei kann der Plan, der bereits gegen die HIV-Epidemie zum Einsatz kam, auch für den Kampf gegen TB und NCD als Modell dienen.
Seit 2001, als die UN-Generalversammlung ihr erstes Treffen zum Thema HIV/AIDS abhielt, hat sich der Verlauf dieser Seuche dramatisch verändert. Heute erhalten etwa 22 Millionen Menschen, die mit HIV infiziert sind, eine Behandlung. So konnte die jährliche Anzahl der AIDS-Todesfälle – von 1,9 Millionen im Jahr 2003 auf 940.000 im Jahr 2017 – halbiert werden. Außerdem ist in einigen der am stärksten betroffenen Ländern auch die Rate der Neuinfektionen um fast die Hälfte zurückgegangen. Beim Kampf gegen TB und NCD – die wie HIV/AIDS für Länder mit geringen und mittleren Einkommen eine schwere Belastung darstellen – können die Erfahrungen, die mit HIV gemacht wurden, eine große Hilfe sein.
Dabei spielen hauptsächlich drei Aspekte eine Rolle: Erstens stand die weltweite Politik gegen AIDS vor einer doppelten Herausforderung: Sie musste schwer erreichbare Gemeinschaften einbeziehen und gleichzeitig eine stetig wachsende Anzahl behandlungsbedürftiger Patienten unterstützen. So wurden HIV-Programme entwickelt, um Behandlungen anbieten zu können, die an die Bedürfnisse der Patienten angepasst waren. Durch solche neuen Behandlungsmodelle konnten auch die Ärzte und Gesundheitseinrichtungen entlastet werden, die durch die hohe Anzahl von Patienten überfordert waren.
Stabile Patienten, die weniger oft behandelt werden müssen, erhalten somit in manchen Ländern Medikamente für mehrere Monate im voraus. In Südafrika mit seinen 4,3 Millionen HIV-infizierten Menschen gibt es von Apotheken überwachte Verkaufsautomaten, wo verschreibungspflichtige Medikamente erhältlich sind. In Lesotho, wo manche Menschen mehrere Stunden von einer Behandlungsstelle entfernt wohnen, wird der HIV-Test zu Hause angeboten, und für Infizierte stehen lokale Gesundheitsdienstleister zur Verfügung.
Ein ähnlicher Ansatz könnte auch bei TB und NCD funktionieren. Für TB-Patienten, die auf die Behandlung ansprechen und kein Zeichen einer Medikamentenunverträglichkeit zeigen, könnten die Abstände zwischen den Untersuchungen verlängert werden, während jene, die unter Nebenwirkungen leiden oder eine komplexere Behandlung brauchen, intensiver gepflegt werden können. Auch Patienten mit stabilen NCD, die keine Symptome zeigen und gut auf Medikamente ansprechen, müssen dann vielleicht nur noch gelegentlich zum Arzt gehen, während kompliziertere Fälle intensiver medizinisch überwacht und beraten werden können.
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Zweitens waren die HIV-Programme teilweise deshalb erfolgreich, weil sie Ziele für die gesamte „Pflegekaskade“ enthalten – von der Diagnose bis hin zur Behandlung. Ein Beispiel dafür sind die „90-90-90-Ziele“ des Gemeinsamen Programms der Vereinten Nationen gegen HIV/AIDS (UNAIDS). Demnach sollen 90% der mit HIV infizierten Menschen entsprechend diagnostiziert, 90% der Diagnostizierten behandelt und die Krankheit bei 90% der Behandelten viral unterdrückt werden. Dies trägt dazu bei, die weltweiten Maßnahmen gegen AIDS besser zu koordinieren. Werden diese Ziele erreicht, ist laut Modellrechnungen tatsächlich absehbar, dass HIV bis 2030 keine Bedrohung für die öffentliche Gesundheit mehr sein wird.
Ziele zu setzen trägt dazu bei, Fortschritte zu bewerten und Behandlungslücken zu finden. So besteht in vielen Ländern das größte Defizit bei der HIV-Behandlung in der Diagnose, insbesondere derjenigen von Männern und Jugendlichen. Daher bieten viele Programme jetzt neue Möglichkeiten, um diese Gruppen zu erreichen – wie vertrauliche Tests am Arbeitsplatz oder Selbsttests. Benachteiligt sind auch Bevölkerungsgruppen, die in manchen Ländern keine Rechte haben oder stigmatisiert werden, wie Männer, die Sex mit Männern haben.
Die Ziele entlang der „Kaskade“ könnten auch für den Kampf gegen TB und NCD hilfreich sein. So hat die Stop-TB-Partnerschaft auch für TB „90-(90)-90-Behandlungsziele“ vorgeschlagen, die allerdings noch großflächig eingeführt werden müssen. Bei den NCD hingegen liegt der Schwerpunkt darauf, das UN-Ziel Nachhaltiger Entwicklung 3.4 zu erreichen, mit dem die Anzahl vorzeitiger Todesfälle durch diese Krankheiten bis 2030 verringert werden soll. Aber dieses Ziel ist nicht an der NCD-Pflegekaskade von Diagnose und Behandlung ausgerichtet. Beispielsweise wäre es hilfreich, wenn im Rahmen der Programme untersucht würde, wie viele Menschen mit hohem Blutdruck diagnostiziert und behandelt werden, welcher Teil der Behandelten eine Stabilisierung des Blutdrucks erreichen konnte und welches Behandlungsniveau nötig wäre, um die vorzeitigen Todesfälle wie gewünscht zu vermeiden.
Und schließlich konnte der Kampf gegen AIDS verbessert werden, weil sich der Markt für Diagnose- und Behandlungsprogramme durch starke Fürsprecher und gute Zusammenarbeit verändert hat. Intensive Lobbyarbeit trug dazu bei, den Medikamentenbedarf besser zu prognostizieren, Bestellungen zusammenzufassen und den Wettbewerb zu fördern. So konnten Politiker und Anbieter die Effizienz des Marktes voll ausnutzen. Die daraus entstehenden Skaleneffekte ermöglichten es den Anbietern, von einem hochmargigen, aber begrenzten Angebot auf ein Gewinnmodell mit großem Volumen und geringen Margen umzustellen. So konnten die jährlichen Kosten der HIV-Behandlungen von über 10.000 Dollar pro Patient im Jahr 2001 auf weniger als 100 Dollar im Jahr 2016 reduziert werden.
Auch im Kampf gegen TB und NCD wird es nötig sein, Medikamente billiger und leichter verfügbar zu machen. Im Fall von TB wurden zwar strategische Partnerschaften geschlossen, um die Programme zu erweitern, aber es bleiben immer noch große Lücken, unter denen vor allem Kinder und Patienten mit medikamentenresistenter TB leiden. Was NCD betrifft, haben sich Unternehmen wie Novartis, Pfizer und der indische Pharmakonzern Cipla bemüht, Patienten in Afrika mit erschwinglichen Medikamenten zu versorgen. Aber auch wenn die Nachfrage durch Spenden angeschoben werden kann, ist für dauerhafte Preissenkungen ein marktorientierterer Ansatz nötig. Zur Steigerung der Effizienz könnte eine sektorübergreifende Koalition aus dem Jahr 2017 beitragen, aber um Erfolg zu haben, braucht sie zusätzliche Unterstützung.
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By trying to running the state like a private business, Elon Musk and other anti-government types are creating a mess that someone else will have to clean up. Governments and businesses serve vastly different purposes, answer to different constituencies, and operate on entirely different timelines.
explain why ongoing efforts to run the state like a business are doomed to fail.
US President Donald Trump says he wants to preserve the dollar's international role as a reserve and payment currency. If that's true, the history of pound sterling suggests he should be promoting financial stability, limiting the use of tariffs, and strengthening America's geopolitical alliances.
applies three lessons from prewar Britain that the Trump administration appears determined to ignore.
NEW YORK – Die globale Gesundheit steht erneut im Rampenlicht. Im September hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) zwei bedeutende Konferenzen veranstaltet – eine zur Ausrottung der Tuberkulose (TB) und die andere zum Kampf gegen nicht übertragbare Krankheiten (NCD, noncommunicable deseases). Es war das erste Mal, dass zwei Gesundheitskrisen auf der Tagesordnung der UN so weit oben standen.
Aber jetzt, wo diese Diskussionen vorbei sind, muss sich die weltweite Gesundheitsgemeinschaft darauf konzentrieren, sich weiterhin für eine internationale Planung und Koordinierung zu engagieren. Dabei kann der Plan, der bereits gegen die HIV-Epidemie zum Einsatz kam, auch für den Kampf gegen TB und NCD als Modell dienen.
Seit 2001, als die UN-Generalversammlung ihr erstes Treffen zum Thema HIV/AIDS abhielt, hat sich der Verlauf dieser Seuche dramatisch verändert. Heute erhalten etwa 22 Millionen Menschen, die mit HIV infiziert sind, eine Behandlung. So konnte die jährliche Anzahl der AIDS-Todesfälle – von 1,9 Millionen im Jahr 2003 auf 940.000 im Jahr 2017 – halbiert werden. Außerdem ist in einigen der am stärksten betroffenen Ländern auch die Rate der Neuinfektionen um fast die Hälfte zurückgegangen. Beim Kampf gegen TB und NCD – die wie HIV/AIDS für Länder mit geringen und mittleren Einkommen eine schwere Belastung darstellen – können die Erfahrungen, die mit HIV gemacht wurden, eine große Hilfe sein.
Dabei spielen hauptsächlich drei Aspekte eine Rolle: Erstens stand die weltweite Politik gegen AIDS vor einer doppelten Herausforderung: Sie musste schwer erreichbare Gemeinschaften einbeziehen und gleichzeitig eine stetig wachsende Anzahl behandlungsbedürftiger Patienten unterstützen. So wurden HIV-Programme entwickelt, um Behandlungen anbieten zu können, die an die Bedürfnisse der Patienten angepasst waren. Durch solche neuen Behandlungsmodelle konnten auch die Ärzte und Gesundheitseinrichtungen entlastet werden, die durch die hohe Anzahl von Patienten überfordert waren.
Stabile Patienten, die weniger oft behandelt werden müssen, erhalten somit in manchen Ländern Medikamente für mehrere Monate im voraus. In Südafrika mit seinen 4,3 Millionen HIV-infizierten Menschen gibt es von Apotheken überwachte Verkaufsautomaten, wo verschreibungspflichtige Medikamente erhältlich sind. In Lesotho, wo manche Menschen mehrere Stunden von einer Behandlungsstelle entfernt wohnen, wird der HIV-Test zu Hause angeboten, und für Infizierte stehen lokale Gesundheitsdienstleister zur Verfügung.
Ein ähnlicher Ansatz könnte auch bei TB und NCD funktionieren. Für TB-Patienten, die auf die Behandlung ansprechen und kein Zeichen einer Medikamentenunverträglichkeit zeigen, könnten die Abstände zwischen den Untersuchungen verlängert werden, während jene, die unter Nebenwirkungen leiden oder eine komplexere Behandlung brauchen, intensiver gepflegt werden können. Auch Patienten mit stabilen NCD, die keine Symptome zeigen und gut auf Medikamente ansprechen, müssen dann vielleicht nur noch gelegentlich zum Arzt gehen, während kompliziertere Fälle intensiver medizinisch überwacht und beraten werden können.
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Ziele zu setzen trägt dazu bei, Fortschritte zu bewerten und Behandlungslücken zu finden. So besteht in vielen Ländern das größte Defizit bei der HIV-Behandlung in der Diagnose, insbesondere derjenigen von Männern und Jugendlichen. Daher bieten viele Programme jetzt neue Möglichkeiten, um diese Gruppen zu erreichen – wie vertrauliche Tests am Arbeitsplatz oder Selbsttests. Benachteiligt sind auch Bevölkerungsgruppen, die in manchen Ländern keine Rechte haben oder stigmatisiert werden, wie Männer, die Sex mit Männern haben.
Die Ziele entlang der „Kaskade“ könnten auch für den Kampf gegen TB und NCD hilfreich sein. So hat die Stop-TB-Partnerschaft auch für TB „90-(90)-90-Behandlungsziele“ vorgeschlagen, die allerdings noch großflächig eingeführt werden müssen. Bei den NCD hingegen liegt der Schwerpunkt darauf, das UN-Ziel Nachhaltiger Entwicklung 3.4 zu erreichen, mit dem die Anzahl vorzeitiger Todesfälle durch diese Krankheiten bis 2030 verringert werden soll. Aber dieses Ziel ist nicht an der NCD-Pflegekaskade von Diagnose und Behandlung ausgerichtet. Beispielsweise wäre es hilfreich, wenn im Rahmen der Programme untersucht würde, wie viele Menschen mit hohem Blutdruck diagnostiziert und behandelt werden, welcher Teil der Behandelten eine Stabilisierung des Blutdrucks erreichen konnte und welches Behandlungsniveau nötig wäre, um die vorzeitigen Todesfälle wie gewünscht zu vermeiden.
Und schließlich konnte der Kampf gegen AIDS verbessert werden, weil sich der Markt für Diagnose- und Behandlungsprogramme durch starke Fürsprecher und gute Zusammenarbeit verändert hat. Intensive Lobbyarbeit trug dazu bei, den Medikamentenbedarf besser zu prognostizieren, Bestellungen zusammenzufassen und den Wettbewerb zu fördern. So konnten Politiker und Anbieter die Effizienz des Marktes voll ausnutzen. Die daraus entstehenden Skaleneffekte ermöglichten es den Anbietern, von einem hochmargigen, aber begrenzten Angebot auf ein Gewinnmodell mit großem Volumen und geringen Margen umzustellen. So konnten die jährlichen Kosten der HIV-Behandlungen von über 10.000 Dollar pro Patient im Jahr 2001 auf weniger als 100 Dollar im Jahr 2016 reduziert werden.
Auch im Kampf gegen TB und NCD wird es nötig sein, Medikamente billiger und leichter verfügbar zu machen. Im Fall von TB wurden zwar strategische Partnerschaften geschlossen, um die Programme zu erweitern, aber es bleiben immer noch große Lücken, unter denen vor allem Kinder und Patienten mit medikamentenresistenter TB leiden. Was NCD betrifft, haben sich Unternehmen wie Novartis, Pfizer und der indische Pharmakonzern Cipla bemüht, Patienten in Afrika mit erschwinglichen Medikamenten zu versorgen. Aber auch wenn die Nachfrage durch Spenden angeschoben werden kann, ist für dauerhafte Preissenkungen ein marktorientierterer Ansatz nötig. Zur Steigerung der Effizienz könnte eine sektorübergreifende Koalition aus dem Jahr 2017 beitragen, aber um Erfolg zu haben, braucht sie zusätzliche Unterstützung.
Tedros Adhanom Ghebreyesus, der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation, rief kürzlich die Regierungen dazu auf, beim Kampf gegen TB und NCD die gesundheitspolitische Führung und ihre Investitionen zu verstärken. Aber es werden nicht nur mehr Ressourcen benötigt, sondern die Programme müssen auch von klugen Strategien begleitet werden, um die menschlichen Gemeinschaften einzubeziehen und Vorsorge und Behandlung auf ein neues Niveau zu heben. Die gute Nachricht ist, dass wir den Kampf gegen AIDS als Vorbild haben, also müssen wir das Rad nicht neu erfinden.
Aus dem Englischen von Harald Eckhoff