Erfolg durch Verhandlungen mit dem Iran

Eine amerikanische Volksweisheit besagt: „Wenn Du in einem Loch steckst, hör auf zu graben.“ Die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats, die in diesen Tagen neue Sanktionen gegen den Iran beraten, sollten sie schleunigst beherzigen. Andernfalls könnten sie bald die Aussicht auf jegliche Kontrolle des iranischen Atomprogramms verlieren und nur noch eine Option behalten, die keine ist: einen Militärschlag gegen Teheran.

Zunächst sieht es allerdings aus, als wollten sie weiter Gefangene ihrer bisherigen und bisher erfolglosen Strategie bleiben. Verhandlungen mit dem Iran werden weiterhin davon abhängig gemacht, daß dieser zuvor die Anreicherung von Uran einstellt. Weil Teheran dies nicht tut, soll der Druck dazu durch neue, härtere Sanktionen erhöht werden. Zwar verbietet der nukleare Nichtverbreitungsvertrag seinen Unterzeichnern, und der Iran gehört – noch – dazu, nicht die Anreicherung. Aber weil die iranische Regierung über fast zwei Jahrzehnte hinweg ihre diesbezüglichen Vorbereitungen vor den Inspektoren der Internationalen Atomenergie-Behörde verheimlichte und die Ausrichtung des Programms ein militärisches Motiv nahelegt, haben die USA wie die EU-3 Frankreich, England und Deutschland, Rußland wie China bisher darauf bestanden, daß alle Anreicherungsaktivitäten ausgesetzt werden, nicht nur als Ergebnis von Verhandlungen, sondern als Vorbedingung dafür. Läßt Teheran sich darauf ein, sagen die Sechs direkte Gespräche zu und stellen bei einem völligen Verzicht auf die Anreicherung umfangreiche Gegenleistungen in Aussicht – von der Aufhebung aller Sanktionen bis hin zu Sicherheitsgarantien.

Bisher jedoch haben weder Sanktionen noch Anreize den Iran zum Einlenken bewegt, im Gegenteil: Die im Dezember vom UN-Sicherheitsrat verhängten, noch relativ zahmen Sanktionen hat er mit der Ankündigung vermehrter Anreicherung beantwortet. Jetzt drängen nicht nur die Amerikaner im Sicherheitsrat auf erhöhte Strafmaßnahmen. Sie können sich dabei auf vage Ankündigungen in der Dezember-Resolution und das schon vor dem Irak-Krieg benutzte Argument berufen, die Vereinten Nationen machten sich durch die weitere Hinnahme der iranischen Verweigerung unglaubwürdig.

Nur ist das Argument nicht überzeugend. Glaubwürdig würden die UN, wenn ihnen die Begrenzung des iranischen Programms auf ausschließlich zivile Energiegewinnung gelingt. Die entscheidende Frage ist, ob dies durch mehr Druck gelingen kann.

Damit aber ist jedoch nicht zu rechnen. Zwar haben die bisherigen von der UN verhängten Handelseinschränkungen im Iran wirtschaftliche Engpässe bewirkt und politische Unzufrie-denheit verstärkt. Aber das Recht, Uran für zivile Zwecke anzureichern, ist im Iran so sehr zu einem Symbol nationaler Souveränität aufgebauscht worden, daß keine Regierung, auch nicht eine, die den politischen Maulhelden Achmadinejad ablöste, wesentliche Abstriche davon machen könnte. Schärfere Sanktionen, wenn sich der Sicherheitsrat dazu durchringen sollte, würden den iranischen Widerstand nicht brechen. Mit mehr Drohungen begäbe sich die internationale Gemeinschaft vielmehr immer weiter in eine Eskalationsspirale hinein, an deren Ende der Einsatz militärischer Mittel steht.

Einer nach wie vor einflußreichen Gruppe um Präsident Bush wäre das durchaus erwünscht. Mit einem Militärschlag aus der Luft ließen sich zwar nicht ämtliche Atomanlagen im Iran und schon gar nicht das dort vorhandene technische Knowhow zerstören, aber das Programm verlangsamen und darüber hinaus den Befürwortern einer militärischen Nutzung der Atomenergie in Teheran und vielleicht anderswo ein Denkzettel erteilen. Nur ist die Wahrscheinlichkeit, damit tatsächlich ein Einlenken des Iran zu erreichen, gleich Null. Bisher versichert der Iran, nicht an der Bombe interessiert zu sein. Nach einer von den USA angeführten Militäraktion dürfte es damit vorbei sein.

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Deshalb müssen die Regierungen, die der Eskalationsspirale entkommen und zugleich die Ausbreitung von Atomwaffen behindern wollen, umsteuern. Statt die iranische Anreicherung zum Dreh- und Angelpunkt zu machen, sollten sie die Verifikation des iranischen Programms ins Zentrum ihrer Strategie stellen. Anreicherung ja, aber verbunden mit einer möglichst umfassenden internationalen Überprüfung – das sollte jetzt das Ziel sein.

Der Iran hat einen solchen Kompromiß wiederholt angedeutet, seine Gegenüber ihn mit dem Argument abgelehnt, daß damit eine wasserdichte Garantie gegen eine militärische Verwendung des angereicherten Materials nicht gegeben wäre. Aber eine solche Garantie ist ohnehin nicht zu haben. Immerhin konnte der Iran trotz regelmäßiger Inspektionen seine atomaren Aktivitäten lange geheimhalten, bei einer Aufkündigung des NV-Vertrags würde er sie gänzlich los. Die Aussicht auf eine hundertprozentige Absicherung bestünde noch nicht einmal, wenn Teheran die Einstellung der Anreicherung verbindlich zusagte. Aber auch weniger als hundert Prozent wären ein großes Plus gegenüber der heutigen Lage.

Deswegen ist es unsinnig, im alten Stremel fortzufahren und sich im Loch unrealistischer Forderungen nur tiefer einzugraben. Statt eilig neue Sanktionsresolutionen im UN-Sicherheitsrat zu verabschieden, sollten die Regierungen erkunden, welche konkreten Verifikationsverpflichtungen der Iran bei weiterer Anreicherung einzugehen bereit ist. Die Möglichkeit einer späteren, strengeren Resolution wird dadurch nicht ausgeschlossen, sie bleibt als Druckmittel bestehen. Aber wer jetzt weitere Verurteilungen des Iran durch den Sicherheitsrat fordert, sollte zweierlei bedenken: dass sie keinen Erfolg versprechen – und dass die USA solche Resolutionen schon einmal als Vorwand zu einer Militäraktion benutzt haben.

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