GENF – Mit Klimaschutz verbinden wir häufig große Konferenzen, und die laufende UN Konferenz in Bonn wird sicherlich auch ein paar kleine Fortschritte bringen. Etwa 20.000 Konferenzteilnehmer werden in Bonn zur jüngsten Runde der UN-Klimaverhandlungen erwartet.
Thema in Bonn ist die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Der Weg dazu ist klar: Um den weltweiten Temperaturanstieg auf das in Paris vereinbarte Niveau zu begrenzen, das heißt „deutlich unter 2 °C“, müssen Investitionen von fossilen Energieträgern in CO2-freie Projekte umgeschichtet werden. Dafür müssen wir die Spielregeln für Energieinvestitionen weltweit ändern.
Noch immer unterstützen und schützen dieselben Regierungen, die den Kampf gegen den Klimawandel anführen, Investitionen in die Exploration, Förderung und den Transport fossiler Energieträger. Die Regierungen reden von Klimaschutz, aber sie halten ihre schützende Hand über klimazerstörende Geschäfte.
Laut dem neuesten World Energy Investment Report der Internationalen Energieagentur beliefen sich die weltweiten Investitionen im Öl- und Gassektor 2016 auf insgesamt 649 Milliarden US-Dollar. Das ist mehr als doppelt so viel wie die 297 Milliarden Dollar, die in die Stromerzeugung mittels erneuerbarer Energien investiert wurden. Und dies obwohl wir wissen, dass zur Einhaltung der Pariser Klimaziele mindestens drei Viertel der bekannten fossilen Energiereserven im Boden bleiben müssen. Wie diese Zahlen nahelegen, stehen institutionelle Trägheit und eingefahrene Brancheninteressen weiterhin einer Verlagerung von Investitionen in nachhaltige Energien im Wege.
Ein großer Teil dieses Problems lässt sich auf bilaterale Investitionsverträge und Investitionsregeln in breiter angelegten Handelsabkommen wie dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA), dem Energiecharta-Vertrag (ECT) und dem CETA-Abkommen zwischen der EU und Kanada zurückführen. Um ausländische Investoren vor Enteignung schützen, umfassen sie Mechanismen zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten (ISDS). Diese erlauben Investoren, über internationale Schiedsgerichte Schadensersatz von Regierungen zu verlangen, falls neue politische Maßnahmen ihr Geschäft beeinträchtigen.
Dies legt Regierungen Fesseln an, die bestrebt sind, die Förderung fossiler Brennstoffe zu beschränken. Der in ISDS-Fällen verhängte Schadensersatz kann astronomisch sein. Im Jahr 2012 klagte ein amerikanischer Investor gegen die Entscheidung der Regierung des kanadischen Bundesstaats Quebec, ihm eine Genehmigung zum Fracking unter dem Sankt-Lorenz-Strom zu verweigern. Das Unternehmen mit Sitz im US-Bundesstaat Delaware argumentierte, die Nichterteilung sei im Rahmen von NAFTA „unbegründet, willkürlich und ungesetzlich“, und forderte 250 Millionen Dollar Schadensersatz.
Im Januar 2016 verklagte das Energieunternehmen TransCanada die USA unter Verweis auf NAFTA und machte dabei Verluste in Höhe von 15 Milliarden Dollar geltend, nachdem Präsident Barack Obama ihm eine Genehmigung für die Öl-Pipeline Keystone XL verweigert hatte. (Das Unternehmen setzte seine Klage aus, nachdem Präsident Donald Trump das Projekt im Januar 2017 genehmigte.)
Und im Juli 2017 stimmte Quebec zu, Entschädigungszahlungen von fast 50 Millionen Dollar an Unternehmen zu leisten, nachdem es Verträge über die Öl- und Gasförderung auf Anticosti Island im Sankt-Lorenz-Golf storniert hatte. Diese und andere Zahlungen verstehen sich zusätzlich zu den hunderten von Milliarden Dollar an Subventionen, die weiterhin jedes Jahr an die fossile Energiebranche fließen.
Derart große Zahlungen sind mehr als eine Belastung der Staatskasse; schon die Drohung damit schreckt Regierungen davon ab, eine ambitioniertere Klimapolitik zu verfolgen, weil sie fürchten, dass fossile Branchen sie vor internationalen Schiedsgerichten verklagen könnten.
Zum Glück ist dieser Zustand nicht in Stein gemeißelt. Viele Regierungen betrachten eine Reform des Investitionsregimes inzwischen nicht mehr bloß als Möglichkeit, sondern als Notwendigkeit. Im letzten Monat berief die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) ein hochrangiges Treffen in Genf ein, um Optionen für eine umfassende Reform des Investitionsregimes zu entwickeln, darunter die Neuverhandlung oder Kündigung von rund 3000 überholten Verträgen.
Die Regierungen sollten damit beginnen, dass sie den Energiecharta-Vertrag (ECT) – das weltweit einzige energiespezifische Investitionsabkommen – überarbeiten oder daraus aussteigen. Die Regeln zum Investitionsschutz und das Fehlen von Klimaschutzklauseln im ECT sind nicht mehr zeitgemäß. Seit seinem Inkrafttreten hat der ECT als Grundlage für mehr als 100 Klagen von Energieunternehmen gegen Staaten gedient, von denen sich einige gegen nationale Umweltpolitiken, etwa den Atomausstieg in Deutschland, wandten. Russland und Italien haben sich bereits aus dem ECT zurückgezogen; andere Länder sollten dasselbe tun oder sich zu seiner Neuverhandlung verpflichten.
Darüber hinaus sollten die Länder den Klimaschutz in den Mittelpunkt ihrer Handels- und Investitionsverhandlungen stellen, etwas indem sie fossile Energieprojekte von Bestimmungen zum Investitionsschutz ausnehmen. Dies ist was Frankreich vor Kurzem vorgeschlagen hat, als Umweltminister Nicolas Hulot die Absicht seines Landes verkündete, ein „Klima-Veto“ für CETA zu verabschieden. Hulot erklärte, Frankreich würde das Abkommen nur ratifizieren, wenn es Zusicherungen enthielte, dass die Klimaverpflichtungen des Landes nicht vor Schiedsgerichten in Frage gestellt werden könnten. Auch könnten fossile Energieprojekte in neuen Umweltabkommen – wie etwa dem vom französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron auf der UN-Generalversammlung im September vorgestellten globalen Pakt für Umweltschutz – vom Investitionsschutz ausgenommen werden.
Eine Neuausrichtung des globalen Investitionsregimes ist nur der erste Schritt hin zu einer CO2-freien Wirtschaft. Um Kapital aus Initiativen mit einem hohen Anteil fossiler Energieträger in grüne Energieprojekte umzulenken, brauchen Länder neue rechtliche und politische Rahmenbedingungen auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene. Diese Vereinbarungen sollten CO2-freie Investitionen fördern und erleichtern. Große Konferenzen wie aktuell in Bonn und der Pariser Klimagipfel im nächsten Monat können als Anstoß für derartige Verhandlungen dienen.
(Die Verfasser möchten sich bei Ivetta Gerasimchuk und Martin Dietrich Brauch vom IISD für ihre Hilfe bei diesem Kommentar bedanken.)
Aus dem Englischen von Jan Doolan
GENF – Mit Klimaschutz verbinden wir häufig große Konferenzen, und die laufende UN Konferenz in Bonn wird sicherlich auch ein paar kleine Fortschritte bringen. Etwa 20.000 Konferenzteilnehmer werden in Bonn zur jüngsten Runde der UN-Klimaverhandlungen erwartet.
Thema in Bonn ist die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Der Weg dazu ist klar: Um den weltweiten Temperaturanstieg auf das in Paris vereinbarte Niveau zu begrenzen, das heißt „deutlich unter 2 °C“, müssen Investitionen von fossilen Energieträgern in CO2-freie Projekte umgeschichtet werden. Dafür müssen wir die Spielregeln für Energieinvestitionen weltweit ändern.
Noch immer unterstützen und schützen dieselben Regierungen, die den Kampf gegen den Klimawandel anführen, Investitionen in die Exploration, Förderung und den Transport fossiler Energieträger. Die Regierungen reden von Klimaschutz, aber sie halten ihre schützende Hand über klimazerstörende Geschäfte.
Laut dem neuesten World Energy Investment Report der Internationalen Energieagentur beliefen sich die weltweiten Investitionen im Öl- und Gassektor 2016 auf insgesamt 649 Milliarden US-Dollar. Das ist mehr als doppelt so viel wie die 297 Milliarden Dollar, die in die Stromerzeugung mittels erneuerbarer Energien investiert wurden. Und dies obwohl wir wissen, dass zur Einhaltung der Pariser Klimaziele mindestens drei Viertel der bekannten fossilen Energiereserven im Boden bleiben müssen. Wie diese Zahlen nahelegen, stehen institutionelle Trägheit und eingefahrene Brancheninteressen weiterhin einer Verlagerung von Investitionen in nachhaltige Energien im Wege.
Ein großer Teil dieses Problems lässt sich auf bilaterale Investitionsverträge und Investitionsregeln in breiter angelegten Handelsabkommen wie dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA), dem Energiecharta-Vertrag (ECT) und dem CETA-Abkommen zwischen der EU und Kanada zurückführen. Um ausländische Investoren vor Enteignung schützen, umfassen sie Mechanismen zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten (ISDS). Diese erlauben Investoren, über internationale Schiedsgerichte Schadensersatz von Regierungen zu verlangen, falls neue politische Maßnahmen ihr Geschäft beeinträchtigen.
Dies legt Regierungen Fesseln an, die bestrebt sind, die Förderung fossiler Brennstoffe zu beschränken. Der in ISDS-Fällen verhängte Schadensersatz kann astronomisch sein. Im Jahr 2012 klagte ein amerikanischer Investor gegen die Entscheidung der Regierung des kanadischen Bundesstaats Quebec, ihm eine Genehmigung zum Fracking unter dem Sankt-Lorenz-Strom zu verweigern. Das Unternehmen mit Sitz im US-Bundesstaat Delaware argumentierte, die Nichterteilung sei im Rahmen von NAFTA „unbegründet, willkürlich und ungesetzlich“, und forderte 250 Millionen Dollar Schadensersatz.
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Im Januar 2016 verklagte das Energieunternehmen TransCanada die USA unter Verweis auf NAFTA und machte dabei Verluste in Höhe von 15 Milliarden Dollar geltend, nachdem Präsident Barack Obama ihm eine Genehmigung für die Öl-Pipeline Keystone XL verweigert hatte. (Das Unternehmen setzte seine Klage aus, nachdem Präsident Donald Trump das Projekt im Januar 2017 genehmigte.)
Und im Juli 2017 stimmte Quebec zu, Entschädigungszahlungen von fast 50 Millionen Dollar an Unternehmen zu leisten, nachdem es Verträge über die Öl- und Gasförderung auf Anticosti Island im Sankt-Lorenz-Golf storniert hatte. Diese und andere Zahlungen verstehen sich zusätzlich zu den hunderten von Milliarden Dollar an Subventionen, die weiterhin jedes Jahr an die fossile Energiebranche fließen.
Derart große Zahlungen sind mehr als eine Belastung der Staatskasse; schon die Drohung damit schreckt Regierungen davon ab, eine ambitioniertere Klimapolitik zu verfolgen, weil sie fürchten, dass fossile Branchen sie vor internationalen Schiedsgerichten verklagen könnten.
Zum Glück ist dieser Zustand nicht in Stein gemeißelt. Viele Regierungen betrachten eine Reform des Investitionsregimes inzwischen nicht mehr bloß als Möglichkeit, sondern als Notwendigkeit. Im letzten Monat berief die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) ein hochrangiges Treffen in Genf ein, um Optionen für eine umfassende Reform des Investitionsregimes zu entwickeln, darunter die Neuverhandlung oder Kündigung von rund 3000 überholten Verträgen.
Die Regierungen sollten damit beginnen, dass sie den Energiecharta-Vertrag (ECT) – das weltweit einzige energiespezifische Investitionsabkommen – überarbeiten oder daraus aussteigen. Die Regeln zum Investitionsschutz und das Fehlen von Klimaschutzklauseln im ECT sind nicht mehr zeitgemäß. Seit seinem Inkrafttreten hat der ECT als Grundlage für mehr als 100 Klagen von Energieunternehmen gegen Staaten gedient, von denen sich einige gegen nationale Umweltpolitiken, etwa den Atomausstieg in Deutschland, wandten. Russland und Italien haben sich bereits aus dem ECT zurückgezogen; andere Länder sollten dasselbe tun oder sich zu seiner Neuverhandlung verpflichten.
Darüber hinaus sollten die Länder den Klimaschutz in den Mittelpunkt ihrer Handels- und Investitionsverhandlungen stellen, etwas indem sie fossile Energieprojekte von Bestimmungen zum Investitionsschutz ausnehmen. Dies ist was Frankreich vor Kurzem vorgeschlagen hat, als Umweltminister Nicolas Hulot die Absicht seines Landes verkündete, ein „Klima-Veto“ für CETA zu verabschieden. Hulot erklärte, Frankreich würde das Abkommen nur ratifizieren, wenn es Zusicherungen enthielte, dass die Klimaverpflichtungen des Landes nicht vor Schiedsgerichten in Frage gestellt werden könnten. Auch könnten fossile Energieprojekte in neuen Umweltabkommen – wie etwa dem vom französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron auf der UN-Generalversammlung im September vorgestellten globalen Pakt für Umweltschutz – vom Investitionsschutz ausgenommen werden.
Eine Neuausrichtung des globalen Investitionsregimes ist nur der erste Schritt hin zu einer CO2-freien Wirtschaft. Um Kapital aus Initiativen mit einem hohen Anteil fossiler Energieträger in grüne Energieprojekte umzulenken, brauchen Länder neue rechtliche und politische Rahmenbedingungen auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene. Diese Vereinbarungen sollten CO2-freie Investitionen fördern und erleichtern. Große Konferenzen wie aktuell in Bonn und der Pariser Klimagipfel im nächsten Monat können als Anstoß für derartige Verhandlungen dienen.
(Die Verfasser möchten sich bei Ivetta Gerasimchuk und Martin Dietrich Brauch vom IISD für ihre Hilfe bei diesem Kommentar bedanken.)
Aus dem Englischen von Jan Doolan