NEW HAVEN/NEW YORK/LONDON – Es herrscht einiges Rätselraten darüber, warum die weltweiten Aktienmärkte angesichts der Covid-19-Pandemie nicht zusammengebrochen sind, insbesondere in den Vereinigten Staaten, wo in jüngster Zeit eine Rekordzahl an neuen Fällen verzeichnet wurde. Aber vielleicht steckt gar kein so großes Rätsel dahinter. Eine von uns als Excess CAPE Yield (ECY) bezeichnete Maßzahl rückt die langfristigen Aussichten für die weltweiten Aktienmärkte in eine anschaulichere Perspektive.
Es steht außer Frage, dass die Vermögensmärkte wesentlich von Psychologie und Narrativen bestimmt werden. Nobelpreisträger Daniel Kahneman schrieb: „Vertrautheit erzeugt Interesse” und nach dem ursprünglichen Covid-19-Schock im ersten Quartal dieses Jahres haben sich auf den Aktienmärkten mehrere vertraute Narrative herausgebildet. Beispielsweise etwa das Narrativ von der V-förmigen Erholung sowie das FOMO-Narrativ (die Angst etwas zu verpassen). Beide könnten dazu beigetragen haben, die Märkte auf neue Rekordhöhen zu treiben. Außerdem gibt es noch das „Heimarbeit-“Narrativ, von dem vor allem Technologie- und Kommunikationsaktien profitieren.
Aber sind diese Narrative wirklich der einzige Grund, warum wir nicht alle darüber nachgedacht haben, unsere Aktien abzustoßen und das Geld in sicherere Alternativen wie Anleihen zu investieren oder es daheim unter der Matratze zu verstecken?
Das zyklisch bereinigte Kurs-Gewinn-Verhältnis, das so genannte CAPE-Ratio, in dem das Verhältnis zwischen realem (inflationsbereinigten) Aktienkurs und dem Zehnjahresdurchschnitt des realen Gewinns pro Aktie erfasst sind, scheint die realen langfristigen Aktienmarktrenditen in fünf maßgebenden Weltregionen gut vorherzusagen. Bei hoher CAPE-Ratio liegen die langfristigen Renditen in den darauf folgenden zehn Jahren eher niedrig und umgekehrt. Seit dem Covid-19-Schock haben die CAPE-Ratios ihr Niveau aus der Zeit vor der Krise größtenteils wiedererlangt.
So liegt beispielsweise das CAPE-Ratio für die Vereinigten Staaten im November 2020 bei einem Wert von 33 und damit über dem Niveau vor Beginn der Covid-19-Pandemie. Tatsächlich ist dieser Wert mit 33 derzeit gleich hoch wie im Januar 2018. Es gab nur zwei weitere Zeiträume, in denen das CAPE-Ratio in den USA über 30 lag: in den späten 1920er und den frühen 2000er Jahren.
Auch China weist ein höheres CAPE-Ratio aus als in der Zeit vor der Pandemie. Die Aktienmärkte in beiden Regionen tendieren in Richtung der Sektoren Technologie, Kommunikationsdienste und diskretionäre Konsumgüter, die alle von den wichtigsten Narrativen der Covid-19-Pandemie profitiert haben. Das könnte ihre im Vergleich zu anderen Regionen höheren CAPE-Ratios erklären.
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In Europa und Japan liegen die CAPE-Ratios größtenteils wieder auf dem Niveau der Zeit vor Covid-19, nur das Vereinigte Königreich verzeichnet noch einen Wert, der weit unter jenem vor der Pandemie und dem längerfristigen Durchschnitt liegt. Insbesondere die Ausrichtung auf die Sektoren Technologie, Kommunikationsdienste und diskretionäre Konsumgüter ist in diesen Regionen weniger stark ausgeprägt.
Marktbeobachter haben auf die mögliche Rolle niedriger Zinssätze für den Anstieg der CAPE-Ratios hingewiesen. In der traditionellen Finanztheorie bilden Zinssätze eine Schlüsselkomponente in Bewertungsmodellen. Fallen die Zinssätze, sinkt der in diesen Modellen verwendete Diskontsatz, und der Aktienkurs sollte steigen, vorausgesetzt, alle anderen Modelleingaben bleiben konstant.
Daher ist die Höhe der Zinssätze ein zunehmend bedeutendes Element, das es bei der Bewertung von Aktien zu berücksichtigen gilt. Um diese Effekte zu erfassen und Investitionen in Aktien mit jenen in Anleihen zu vergleichen, haben wir den ECY entwickelt, der sowohl die Aktienbewertung als auch das Zinsniveau berücksichtigt. Zur Berechnung der ECY, kehren wir einfach das CAPE-Ratio um, um eine Rendite zu erhalten, und subtrahieren dann den zehnjährigen Realzinssatz.
Diese Maßzahl ähnelt in etwa der Aktienmarktprämie und ist eine nützliche Methode, um das Zusammenspiel von langfristigen Bewertungen und Zinssätzen zu berücksichtigen. Ein höherer Wert weist darauf hin, dass Aktien attraktiver sind. In den USA liegt der ECY-Wert beispielsweise bei 4 Prozent, hergeleitet von einer CAPE-Rendite von 3 Prozent und unter Abzug eines Zehnjahres-Realzinssatzes von -1,0 Prozent (bereinigt um die durchschnittliche Inflationsrate der vorangegangenen zehn Jahre von 2 Prozent).
Wir untersuchten die Entwicklungen der Vergangenheit in unseren fünf zuvor erwähnten Weltregionen – bis 40 Jahre zurück, soweit es die Datenlage zuließ – und kamen zu einigen bemerkenswerten Ergebnissen. Die ECY liegt in allen Regionen in der Nähe ihrer Höchststände und sowohl im Vereinigten Königreich als auch in Japan auf einem Allzeithoch. Die ECY für das Vereinigte Königreich beträgt fast 10 Prozent, und etwa 6 Prozent in Europa und Japan. Unsere Daten für China reichen nicht so weit zurück, aber Chinas ECY ist mit rund 5 Prozent ebenfalls leicht erhöht. Daraus geht hervor, dass sich Aktien derzeit im Vergleich zu Anleihen höchst attraktiv präsentieren.
Nur Anfang der 1980er Jahre lag die ECY ebenso hoch, wie die Untersuchung unserer globalen Daten ergab. Dieser Zeitraum war geprägt von schwachen Aktien mit dürftigen Bewertungen, sowie hohen Zinssätzen und einer hohen Inflation. Die CAPE-Ratios der fünf Regionen lagen damals im niedrigen zweistelligen Bereich, während sie sich heute im 20- und 30-Prozent-Bereich befinden. Diese Umstände entsprechen beinahe dem Gegenteil dessen, was wir heute sehen: teure Aktien und außergewöhnlich niedrige Realzinsen.
Wir können nicht wissen, wie die Covid-19-Pandemie ausgehen wird, doch mit der Einführung wirksamer Impfstoffe könnte sie sehr bald enden. Die bedeutendste Kernaussage des ECY-Werts besteht darin, dass er die relative Attraktivität von Aktien insbesondere in einer potenziell langen Zeit niedriger Zinssätze bestätigt. Die ECY untermauert möglicherweise das FOMO-Narrativ und trägt vielleicht ein Stück weit dazu bei, die starke Vorliebe der Anleger für Aktien seit März zu erklären.
Letzten Endes werden die Anleiherenditen wohl irgendwann steigen und die Aktienbewertungen werden sich der Entwicklung möglicherweise anpassen. Aber zum jetzigen Zeitpunkt sind die Börsenbewertungen trotz der Risiken und der hohen CAPE-Ratios vielleicht nicht so absurd, wie manche Leute denken.
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Though Donald Trump attracted more support than ever from working-class voters in the 2024 US presidential election, he has long embraced an agenda that benefits the wealthiest Americans above all. During his second term, however, Trump seems committed not just to serving America’s ultra-rich, but to letting them wield state power themselves.
The reputation of China's longest-serving premier has fared far better than that of the Maoist regime he faithfully served. Zhou's political survival skills enabled him to survive many purges, and even to steer Mao away from potential disasters, but he could not escape the Chairman's cruelty, even at the end of his life.
reflects on the complicated life and legacy of the renowned diplomat who was Mao Zedong’s dutiful lieutenant.
NEW HAVEN/NEW YORK/LONDON – Es herrscht einiges Rätselraten darüber, warum die weltweiten Aktienmärkte angesichts der Covid-19-Pandemie nicht zusammengebrochen sind, insbesondere in den Vereinigten Staaten, wo in jüngster Zeit eine Rekordzahl an neuen Fällen verzeichnet wurde. Aber vielleicht steckt gar kein so großes Rätsel dahinter. Eine von uns als Excess CAPE Yield (ECY) bezeichnete Maßzahl rückt die langfristigen Aussichten für die weltweiten Aktienmärkte in eine anschaulichere Perspektive.
Es steht außer Frage, dass die Vermögensmärkte wesentlich von Psychologie und Narrativen bestimmt werden. Nobelpreisträger Daniel Kahneman schrieb: „Vertrautheit erzeugt Interesse” und nach dem ursprünglichen Covid-19-Schock im ersten Quartal dieses Jahres haben sich auf den Aktienmärkten mehrere vertraute Narrative herausgebildet. Beispielsweise etwa das Narrativ von der V-förmigen Erholung sowie das FOMO-Narrativ (die Angst etwas zu verpassen). Beide könnten dazu beigetragen haben, die Märkte auf neue Rekordhöhen zu treiben. Außerdem gibt es noch das „Heimarbeit-“Narrativ, von dem vor allem Technologie- und Kommunikationsaktien profitieren.
Aber sind diese Narrative wirklich der einzige Grund, warum wir nicht alle darüber nachgedacht haben, unsere Aktien abzustoßen und das Geld in sicherere Alternativen wie Anleihen zu investieren oder es daheim unter der Matratze zu verstecken?
Das zyklisch bereinigte Kurs-Gewinn-Verhältnis, das so genannte CAPE-Ratio, in dem das Verhältnis zwischen realem (inflationsbereinigten) Aktienkurs und dem Zehnjahresdurchschnitt des realen Gewinns pro Aktie erfasst sind, scheint die realen langfristigen Aktienmarktrenditen in fünf maßgebenden Weltregionen gut vorherzusagen. Bei hoher CAPE-Ratio liegen die langfristigen Renditen in den darauf folgenden zehn Jahren eher niedrig und umgekehrt. Seit dem Covid-19-Schock haben die CAPE-Ratios ihr Niveau aus der Zeit vor der Krise größtenteils wiedererlangt.
So liegt beispielsweise das CAPE-Ratio für die Vereinigten Staaten im November 2020 bei einem Wert von 33 und damit über dem Niveau vor Beginn der Covid-19-Pandemie. Tatsächlich ist dieser Wert mit 33 derzeit gleich hoch wie im Januar 2018. Es gab nur zwei weitere Zeiträume, in denen das CAPE-Ratio in den USA über 30 lag: in den späten 1920er und den frühen 2000er Jahren.
Auch China weist ein höheres CAPE-Ratio aus als in der Zeit vor der Pandemie. Die Aktienmärkte in beiden Regionen tendieren in Richtung der Sektoren Technologie, Kommunikationsdienste und diskretionäre Konsumgüter, die alle von den wichtigsten Narrativen der Covid-19-Pandemie profitiert haben. Das könnte ihre im Vergleich zu anderen Regionen höheren CAPE-Ratios erklären.
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Marktbeobachter haben auf die mögliche Rolle niedriger Zinssätze für den Anstieg der CAPE-Ratios hingewiesen. In der traditionellen Finanztheorie bilden Zinssätze eine Schlüsselkomponente in Bewertungsmodellen. Fallen die Zinssätze, sinkt der in diesen Modellen verwendete Diskontsatz, und der Aktienkurs sollte steigen, vorausgesetzt, alle anderen Modelleingaben bleiben konstant.
Daher ist die Höhe der Zinssätze ein zunehmend bedeutendes Element, das es bei der Bewertung von Aktien zu berücksichtigen gilt. Um diese Effekte zu erfassen und Investitionen in Aktien mit jenen in Anleihen zu vergleichen, haben wir den ECY entwickelt, der sowohl die Aktienbewertung als auch das Zinsniveau berücksichtigt. Zur Berechnung der ECY, kehren wir einfach das CAPE-Ratio um, um eine Rendite zu erhalten, und subtrahieren dann den zehnjährigen Realzinssatz.
Diese Maßzahl ähnelt in etwa der Aktienmarktprämie und ist eine nützliche Methode, um das Zusammenspiel von langfristigen Bewertungen und Zinssätzen zu berücksichtigen. Ein höherer Wert weist darauf hin, dass Aktien attraktiver sind. In den USA liegt der ECY-Wert beispielsweise bei 4 Prozent, hergeleitet von einer CAPE-Rendite von 3 Prozent und unter Abzug eines Zehnjahres-Realzinssatzes von -1,0 Prozent (bereinigt um die durchschnittliche Inflationsrate der vorangegangenen zehn Jahre von 2 Prozent).
Wir untersuchten die Entwicklungen der Vergangenheit in unseren fünf zuvor erwähnten Weltregionen – bis 40 Jahre zurück, soweit es die Datenlage zuließ – und kamen zu einigen bemerkenswerten Ergebnissen. Die ECY liegt in allen Regionen in der Nähe ihrer Höchststände und sowohl im Vereinigten Königreich als auch in Japan auf einem Allzeithoch. Die ECY für das Vereinigte Königreich beträgt fast 10 Prozent, und etwa 6 Prozent in Europa und Japan. Unsere Daten für China reichen nicht so weit zurück, aber Chinas ECY ist mit rund 5 Prozent ebenfalls leicht erhöht. Daraus geht hervor, dass sich Aktien derzeit im Vergleich zu Anleihen höchst attraktiv präsentieren.
Nur Anfang der 1980er Jahre lag die ECY ebenso hoch, wie die Untersuchung unserer globalen Daten ergab. Dieser Zeitraum war geprägt von schwachen Aktien mit dürftigen Bewertungen, sowie hohen Zinssätzen und einer hohen Inflation. Die CAPE-Ratios der fünf Regionen lagen damals im niedrigen zweistelligen Bereich, während sie sich heute im 20- und 30-Prozent-Bereich befinden. Diese Umstände entsprechen beinahe dem Gegenteil dessen, was wir heute sehen: teure Aktien und außergewöhnlich niedrige Realzinsen.
Wir können nicht wissen, wie die Covid-19-Pandemie ausgehen wird, doch mit der Einführung wirksamer Impfstoffe könnte sie sehr bald enden. Die bedeutendste Kernaussage des ECY-Werts besteht darin, dass er die relative Attraktivität von Aktien insbesondere in einer potenziell langen Zeit niedriger Zinssätze bestätigt. Die ECY untermauert möglicherweise das FOMO-Narrativ und trägt vielleicht ein Stück weit dazu bei, die starke Vorliebe der Anleger für Aktien seit März zu erklären.
Letzten Endes werden die Anleiherenditen wohl irgendwann steigen und die Aktienbewertungen werden sich der Entwicklung möglicherweise anpassen. Aber zum jetzigen Zeitpunkt sind die Börsenbewertungen trotz der Risiken und der hohen CAPE-Ratios vielleicht nicht so absurd, wie manche Leute denken.