NEW YORK – Während sich das Jahr 2013 dem Ende zuneigt, wirken sich die Bemühungen der meisten einflussreichen Volkswirtschaften weltweit – außer in der Eurozone – positiv aus. Alle die Weltwirtschaft nun noch bedrohenden Probleme sind politischer Art.
Nach 25 Jahren der Stagnation versucht Japan derzeit, seine Wirtschaft durch eine quantitative Lockerung nie dagewesenen Maßstabs zu beleben. Es ist ein riskantes Experiment: Schnelleres Wirtschaftswachstum könnte die Zinsen in die Höhe treiben und so den Schuldendienst unbezahlbar machen. Aber Ministerpräsident Shinzo Abe ist lieber bereit, dieses Risiko einzugehen, als Japan zu einem langsamen Tod zu verurteilen. Und zieht man die begeisterte Unterstützung der Öffentlichkeit als Maßstab heran, gilt Gleiches für die normalen Japaner.
Die Europäische Union andererseits steuert auf jene Art anhaltender Stagnation zu, der Japan verzweifelt zu entkommen sucht. Dabei steht viel auf dem Spiel: Nationalstaaten können ein verlorenes Jahrzehnt oder mehr überleben, aber die EU – eine unvollständige Gemeinschaft von Nationalstaaten – könnte dadurch leicht zerstört werden.
Das auf dem Modell der D-Mark aufbauende Design des Euro hat einen fatalen Fehler. Die Schaffung einer gemeinsamen Zentralbank ohne gemeinsames Finanzministerium bedeutet, dass Staatsanleihen auf eine Währung lauten, die kein einzelnes Mitgliedsland kontrolliert, was die Mitgliedsländer einem Ausfallrisiko aussetzt. Infolge des Crashs von 2008 sind mehrere Mitgliedsländer überschuldet, und die Risikoaufschläge haben die Spaltung der Eurozone in Gläubiger- und Schuldnerländer zum Dauerzustand gemacht.
Dieser Fehler hätte sich beheben lassen, wenn man die Anleihen der einzelnen Länder durch Eurobonds ersetzt hätte. Unglücklicherweise hat Bundeskanzlerin Angela Merkel – in Widerspiegelung des radikalen Wandels, den die Haltung der Deutschen in Bezug auf die europäische Integration durchlaufen hat – dies ausgeschlossen. Vor der Wiedervereinigung war Deutschland der Hauptmotor der Integration; heute sind die unter den Kosten der Wiedervereinigung ächzenden deutschen Steuerzahler entschlossen, nicht zum Zahlmeister der europäischen Schuldnerländer zu werden.
Nach dem Crash von 2008 beharrte Merkel darauf, dass jedes Land sich um seine eigenen Finanzinstitute kümmern müsse und dass Staatsanleihen vollständig zurückgezahlt werden müssten. Ohne sich dessen bewusst zu sein, wiederholt Deutschland damit den tragischen Fehler der Franzosen nach dem Ersten Weltkrieg. Ministerpräsident Aristide Briands Beharren auf Reparationen führte zum Aufstieg Hitlers; Angela Merkels Politik verursacht extremistische Bewegungen im übrigen Europa.
Secure your copy of PS Quarterly: The Year Ahead 2025
Our annual flagship magazine, PS Quarterly: The Year Ahead 2025, has arrived. To gain digital access to all of the magazine’s content, and receive your print copy, subscribe to PS Digital Plus now.
Subscribe Now
Die aktuellen Regeln für den Euro werden bleiben, weil Deutschland immer gerade genug tun wird, um die gemeinsame Währung zu erhalten – und weil die Märkte und die europäischen Instanzen jedes andere Land abstrafen würden, dass diese Regeln in Frage stellte. Trotzdem ist die akute Phase der Finanzkrise nun vorbei. Die europäischen Finanzbehörden haben die Kontraproduktivität der Sparpolitik stillschweigend anerkannt und aufgehört, zusätzliche fiskalische Beschränkungen durchzusetzen. Dies hat den Schuldnerländern etwas Luft verschafft, und die Finanzmärkte haben sich trotz fehlender Wachstumsaussichten stabilisiert.
Künftige Krisen werden politischen Ursprungs sein. Tatsächlich zeichnet sich dies bereits ab, weil die EU zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist, als dass sie auf externe Bedrohungen – sei es in Syrien oder der Ukraine – angemessen reagieren könnte. Doch die Aussichten sind alles andere als hoffnungslos; das Wiederaufleben einer Bedrohung durch Russland könnte den vorherrschenden Trend in Richtung eines europäischen Zerfalls umkehren.
Freilich hat die Krise die EU aufgrund der oben skizzierten Entwicklungen von einer „fantastischen Sache“, die zu Begeisterung inspirierte, in etwas radikal anderes verwandelt. Was eine freiwillige Gemeinschaft gleichberechtigter Staaten sein sollte, die einen Teil ihrer Souveränität für das Gemeinwohl aufgaben – die Verkörperung der Grundsätze einer offenen Gesellschaft –, hat sich durch die Eurokrise zu einer Beziehung zwischen Gläubiger- und Schuldnerländern gewandelt, die weder freiwilliger noch gleichberechtigter Art ist. Tatsächlich könnte der Euro die EU ganz und gar zerstören.
Im Gegensatz zu Europa gehen die USA aus der Krise als stärkste Volkswirtschaft der entwickelten Welt hervor. Die Energieproduktion aus Ölschiefer hat den USA einen wichtigen Wettbewerbsvorteil im Bereich der Fertigung im Allgemeinen und der petrochemischen Industrie im Besonderen verschafft. Bankensektor und private Haushalte haben gewisse Fortschritte bei der Entschuldung gemacht. Die quantitative Lockerung hat die Vermögenspreise in die Höhe getrieben. Und die Lage auf dem Eigenheimmarkt hat sich verbessert, sodass die Arbeitslosigkeit im Bausektor sinkt. Der von Haushaltsbegrenzung ausgehende fiskalische Bremseffekt ist ebenfalls am Abklingen.
Überraschender sind die Hinweise auf einen Rückgang der Polarisierung in der amerikanischen Politik. Das Zwei-Parteien-System hat zwei Jahrhunderte lang relativ gut funktioniert, weil beide Parteien bei Wahlen um die Mitte konkurrieren mussten. Dann aber ließ sich die Republikanische Partei von einer – später durch die Neokonservativen gestärkten – Koalition aus religiösen Fundamentalisten und Marktfundamentalisten vereinnahmen, die sie zu weit nach rechts außen drängten. Die Demokraten stießen nach, um die politische Mitte zu besetzen, und beide Parteien manipulierten still und leise den Zuschnitt der Wahlkreise für den US-Kongress. Infolgedessen wurden die von Parteiaktivisten dominierten Vorwahlen wichtiger als die allgemeinen Wahlen.
Dies brachte die Polarisierung der amerikanischen Politik auf den Höhepunkt. Schließlich jedoch trieb es der Tea-Party-Flügel der Republikaner zu weit. Nach dem jüngsten Debakel beim „Shutdown“ der Regierung haben die Überreste des republikanischen Establishments begonnen, sich zur Wehr zu setzen, und dies dürfte zu einer Erholung des Zwei-Parteien-Systems führen.
Die größte Unsicherheit, vor der die Welt heute steht, ist nicht der Euro, sondern die künftige Richtung Chinas. Dem für Chinas raschen Aufstieg verantwortlichen Wachstumsmodell ist die Puste ausgegangen.
Dieses Modell beruhte auf Finanzrepressionen gegenüber den privaten Haushalten mit dem Ziel, das Export- und Investitionswachstum zu stärken. Infolgedessen entfällt auf den Haushaltssektor inzwischen nur noch einen Anteil von 35% vom BIP, und seine Zwangsersparnisse reichen nun nicht mehr aus, um das aktuelle Wachstumsmodell zu finanzieren. Dies hat zum exponentiellen Anstieg verschiedener Formen der Schuldenfinanzierung geführt.
Es gibt einige unheimliche Ähnlichkeiten zu den Finanzbedingungen, die in den USA im Vorfeld des Crashs von 2008 herrschten. Doch es gibt auch einen wesentlichen Unterschied. In den USA neigen die Finanzmärkte dazu, die Politik zu dominieren; in China ist der Staat Eigentümer der Banken und des Großteils der Wirtschaft, und die KPCh kontrolliert die staatseigenen Unternehmen.
Im Bewusstsein der drohenden Gefahren hat sich die Chinesische Volksbank seit 2012 bemüht, das Schuldenwachstum zu bremsen; doch als der Abschwung anfing, die Volkswirtschaft in echte Bedrängnis zu bringen, machte die Partei ihren Vorrang geltend. Im Juli 2013 befahl die Führung der Stahlindustrie, die Hochöfen wieder anzuwerfen, und der Chinesischen Volksbank, ihre Kreditpolitik zu lockern. Die Wirtschaftsentwicklung kehrte sich in kürzester Zeit um. Im November kündigte das 3. Plenum des 18. Zentralkomitees weit reichende Reformen an. Diese Entwicklungen sind großteils für die jüngsten Verbesserungen bei den weltwirtschaftlichen Aussichten verantwortlich.
Die chinesische Führung hatte Recht, als sie dem Wirtschaftswachstum Vorrang vor Strukturreformen einräumte, weil Strukturreformen im Zusammenspiel mit einer Sparpolitik Volkswirtschaften zum Absturz in die Deflation treiben. Doch besteht ein ungelöster innerer Widerspruch in Chinas aktueller Politik: Das Wiederanfahren der Hochöfen heizt zugleich das exponentielle Schuldenwachstum wieder an, das nicht viel länger als noch ein paar Jahre aufrechtzuerhalten ist.
Wie und wann dieser Widerspruch aufgelöst wird, wird profunde Konsequenzen für China und für die Welt insgesamt haben. Ein erfolgreicher Wandel in China wird höchstwahrscheinlich nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Reformen nach sich ziehen, während ein Scheitern das noch immer weitverbreitete Vertrauen in die politische Führung des Landes untergraben und zu Repressionen im Inland und militärischen Konfrontationen im Ausland führen würde.
Das zweite große ungelöste Problem ist das Fehlen einer funktionierenden Weltordnung. Die Uneinigkeit zwischen den fünf ständigen Mitgliedern im UN-Sicherheitsrat verschärft humanitäre Katastrophen in Ländern wie Syrien – gar nicht davon zu reden, dass sie es der globalen Erwärmung erlaubt, sich nahezu ungehindert fortzusetzen. Doch anders als bei dem Problem in China, das in den nächsten Jahren seine Krise erleben wird, könnte sich das Fehlen einer Weltordnung dauerhaft fortsetzen.
To have unlimited access to our content including in-depth commentaries, book reviews, exclusive interviews, PS OnPoint and PS The Big Picture, please subscribe
NEW YORK – Während sich das Jahr 2013 dem Ende zuneigt, wirken sich die Bemühungen der meisten einflussreichen Volkswirtschaften weltweit – außer in der Eurozone – positiv aus. Alle die Weltwirtschaft nun noch bedrohenden Probleme sind politischer Art.
Nach 25 Jahren der Stagnation versucht Japan derzeit, seine Wirtschaft durch eine quantitative Lockerung nie dagewesenen Maßstabs zu beleben. Es ist ein riskantes Experiment: Schnelleres Wirtschaftswachstum könnte die Zinsen in die Höhe treiben und so den Schuldendienst unbezahlbar machen. Aber Ministerpräsident Shinzo Abe ist lieber bereit, dieses Risiko einzugehen, als Japan zu einem langsamen Tod zu verurteilen. Und zieht man die begeisterte Unterstützung der Öffentlichkeit als Maßstab heran, gilt Gleiches für die normalen Japaner.
Die Europäische Union andererseits steuert auf jene Art anhaltender Stagnation zu, der Japan verzweifelt zu entkommen sucht. Dabei steht viel auf dem Spiel: Nationalstaaten können ein verlorenes Jahrzehnt oder mehr überleben, aber die EU – eine unvollständige Gemeinschaft von Nationalstaaten – könnte dadurch leicht zerstört werden.
Das auf dem Modell der D-Mark aufbauende Design des Euro hat einen fatalen Fehler. Die Schaffung einer gemeinsamen Zentralbank ohne gemeinsames Finanzministerium bedeutet, dass Staatsanleihen auf eine Währung lauten, die kein einzelnes Mitgliedsland kontrolliert, was die Mitgliedsländer einem Ausfallrisiko aussetzt. Infolge des Crashs von 2008 sind mehrere Mitgliedsländer überschuldet, und die Risikoaufschläge haben die Spaltung der Eurozone in Gläubiger- und Schuldnerländer zum Dauerzustand gemacht.
Dieser Fehler hätte sich beheben lassen, wenn man die Anleihen der einzelnen Länder durch Eurobonds ersetzt hätte. Unglücklicherweise hat Bundeskanzlerin Angela Merkel – in Widerspiegelung des radikalen Wandels, den die Haltung der Deutschen in Bezug auf die europäische Integration durchlaufen hat – dies ausgeschlossen. Vor der Wiedervereinigung war Deutschland der Hauptmotor der Integration; heute sind die unter den Kosten der Wiedervereinigung ächzenden deutschen Steuerzahler entschlossen, nicht zum Zahlmeister der europäischen Schuldnerländer zu werden.
Nach dem Crash von 2008 beharrte Merkel darauf, dass jedes Land sich um seine eigenen Finanzinstitute kümmern müsse und dass Staatsanleihen vollständig zurückgezahlt werden müssten. Ohne sich dessen bewusst zu sein, wiederholt Deutschland damit den tragischen Fehler der Franzosen nach dem Ersten Weltkrieg. Ministerpräsident Aristide Briands Beharren auf Reparationen führte zum Aufstieg Hitlers; Angela Merkels Politik verursacht extremistische Bewegungen im übrigen Europa.
Secure your copy of PS Quarterly: The Year Ahead 2025
Our annual flagship magazine, PS Quarterly: The Year Ahead 2025, has arrived. To gain digital access to all of the magazine’s content, and receive your print copy, subscribe to PS Digital Plus now.
Subscribe Now
Die aktuellen Regeln für den Euro werden bleiben, weil Deutschland immer gerade genug tun wird, um die gemeinsame Währung zu erhalten – und weil die Märkte und die europäischen Instanzen jedes andere Land abstrafen würden, dass diese Regeln in Frage stellte. Trotzdem ist die akute Phase der Finanzkrise nun vorbei. Die europäischen Finanzbehörden haben die Kontraproduktivität der Sparpolitik stillschweigend anerkannt und aufgehört, zusätzliche fiskalische Beschränkungen durchzusetzen. Dies hat den Schuldnerländern etwas Luft verschafft, und die Finanzmärkte haben sich trotz fehlender Wachstumsaussichten stabilisiert.
Künftige Krisen werden politischen Ursprungs sein. Tatsächlich zeichnet sich dies bereits ab, weil die EU zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist, als dass sie auf externe Bedrohungen – sei es in Syrien oder der Ukraine – angemessen reagieren könnte. Doch die Aussichten sind alles andere als hoffnungslos; das Wiederaufleben einer Bedrohung durch Russland könnte den vorherrschenden Trend in Richtung eines europäischen Zerfalls umkehren.
Freilich hat die Krise die EU aufgrund der oben skizzierten Entwicklungen von einer „fantastischen Sache“, die zu Begeisterung inspirierte, in etwas radikal anderes verwandelt. Was eine freiwillige Gemeinschaft gleichberechtigter Staaten sein sollte, die einen Teil ihrer Souveränität für das Gemeinwohl aufgaben – die Verkörperung der Grundsätze einer offenen Gesellschaft –, hat sich durch die Eurokrise zu einer Beziehung zwischen Gläubiger- und Schuldnerländern gewandelt, die weder freiwilliger noch gleichberechtigter Art ist. Tatsächlich könnte der Euro die EU ganz und gar zerstören.
Im Gegensatz zu Europa gehen die USA aus der Krise als stärkste Volkswirtschaft der entwickelten Welt hervor. Die Energieproduktion aus Ölschiefer hat den USA einen wichtigen Wettbewerbsvorteil im Bereich der Fertigung im Allgemeinen und der petrochemischen Industrie im Besonderen verschafft. Bankensektor und private Haushalte haben gewisse Fortschritte bei der Entschuldung gemacht. Die quantitative Lockerung hat die Vermögenspreise in die Höhe getrieben. Und die Lage auf dem Eigenheimmarkt hat sich verbessert, sodass die Arbeitslosigkeit im Bausektor sinkt. Der von Haushaltsbegrenzung ausgehende fiskalische Bremseffekt ist ebenfalls am Abklingen.
Überraschender sind die Hinweise auf einen Rückgang der Polarisierung in der amerikanischen Politik. Das Zwei-Parteien-System hat zwei Jahrhunderte lang relativ gut funktioniert, weil beide Parteien bei Wahlen um die Mitte konkurrieren mussten. Dann aber ließ sich die Republikanische Partei von einer – später durch die Neokonservativen gestärkten – Koalition aus religiösen Fundamentalisten und Marktfundamentalisten vereinnahmen, die sie zu weit nach rechts außen drängten. Die Demokraten stießen nach, um die politische Mitte zu besetzen, und beide Parteien manipulierten still und leise den Zuschnitt der Wahlkreise für den US-Kongress. Infolgedessen wurden die von Parteiaktivisten dominierten Vorwahlen wichtiger als die allgemeinen Wahlen.
Dies brachte die Polarisierung der amerikanischen Politik auf den Höhepunkt. Schließlich jedoch trieb es der Tea-Party-Flügel der Republikaner zu weit. Nach dem jüngsten Debakel beim „Shutdown“ der Regierung haben die Überreste des republikanischen Establishments begonnen, sich zur Wehr zu setzen, und dies dürfte zu einer Erholung des Zwei-Parteien-Systems führen.
Die größte Unsicherheit, vor der die Welt heute steht, ist nicht der Euro, sondern die künftige Richtung Chinas. Dem für Chinas raschen Aufstieg verantwortlichen Wachstumsmodell ist die Puste ausgegangen.
Dieses Modell beruhte auf Finanzrepressionen gegenüber den privaten Haushalten mit dem Ziel, das Export- und Investitionswachstum zu stärken. Infolgedessen entfällt auf den Haushaltssektor inzwischen nur noch einen Anteil von 35% vom BIP, und seine Zwangsersparnisse reichen nun nicht mehr aus, um das aktuelle Wachstumsmodell zu finanzieren. Dies hat zum exponentiellen Anstieg verschiedener Formen der Schuldenfinanzierung geführt.
Es gibt einige unheimliche Ähnlichkeiten zu den Finanzbedingungen, die in den USA im Vorfeld des Crashs von 2008 herrschten. Doch es gibt auch einen wesentlichen Unterschied. In den USA neigen die Finanzmärkte dazu, die Politik zu dominieren; in China ist der Staat Eigentümer der Banken und des Großteils der Wirtschaft, und die KPCh kontrolliert die staatseigenen Unternehmen.
Im Bewusstsein der drohenden Gefahren hat sich die Chinesische Volksbank seit 2012 bemüht, das Schuldenwachstum zu bremsen; doch als der Abschwung anfing, die Volkswirtschaft in echte Bedrängnis zu bringen, machte die Partei ihren Vorrang geltend. Im Juli 2013 befahl die Führung der Stahlindustrie, die Hochöfen wieder anzuwerfen, und der Chinesischen Volksbank, ihre Kreditpolitik zu lockern. Die Wirtschaftsentwicklung kehrte sich in kürzester Zeit um. Im November kündigte das 3. Plenum des 18. Zentralkomitees weit reichende Reformen an. Diese Entwicklungen sind großteils für die jüngsten Verbesserungen bei den weltwirtschaftlichen Aussichten verantwortlich.
Die chinesische Führung hatte Recht, als sie dem Wirtschaftswachstum Vorrang vor Strukturreformen einräumte, weil Strukturreformen im Zusammenspiel mit einer Sparpolitik Volkswirtschaften zum Absturz in die Deflation treiben. Doch besteht ein ungelöster innerer Widerspruch in Chinas aktueller Politik: Das Wiederanfahren der Hochöfen heizt zugleich das exponentielle Schuldenwachstum wieder an, das nicht viel länger als noch ein paar Jahre aufrechtzuerhalten ist.
Wie und wann dieser Widerspruch aufgelöst wird, wird profunde Konsequenzen für China und für die Welt insgesamt haben. Ein erfolgreicher Wandel in China wird höchstwahrscheinlich nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Reformen nach sich ziehen, während ein Scheitern das noch immer weitverbreitete Vertrauen in die politische Führung des Landes untergraben und zu Repressionen im Inland und militärischen Konfrontationen im Ausland führen würde.
Das zweite große ungelöste Problem ist das Fehlen einer funktionierenden Weltordnung. Die Uneinigkeit zwischen den fünf ständigen Mitgliedern im UN-Sicherheitsrat verschärft humanitäre Katastrophen in Ländern wie Syrien – gar nicht davon zu reden, dass sie es der globalen Erwärmung erlaubt, sich nahezu ungehindert fortzusetzen. Doch anders als bei dem Problem in China, das in den nächsten Jahren seine Krise erleben wird, könnte sich das Fehlen einer Weltordnung dauerhaft fortsetzen.
Aus dem Englischen von Jan Doolan