CAMBRIDGE – Amerikas ungeheurer Reichtum und seine Macht beruhen auf zwei Säulen: Universitäten und Unternehmen. Erstere sorgen für Ideen, Forschung und Ausbildung, wodurch das Land zu einem Mekka für die besten Köpfe der Welt wurde. Die Unternehmen generieren Investitionen und Innovationen, die Amerikas beeindruckenden Wirtschaftsmotor antreiben. Doch nun scheint Präsident Donald Trump entschlossen, beides zu zerstören.
Trumps Verhalten kommt nicht überraschend. Seine wirtschaftspolitischen Ideen waren schon immer verrückt, und sein Hass auf akademische Eliteeinrichtungen – die er als Heimat der „Woke“-Kultur ansieht – ist bekannt. Noch schockierender ist allerdings, dass die Führungskräfte aus Wirtschaft und Wissenschaft kaum einen Mucks von sich geben.
Nach Trumps Wahlsieg im vergangenen November herrschte in Wirtschaftskreisen vorsichtiger Optimismus. Trump schien eine willkommene Abwechslung nach Joe Biden zu sein, der sich dem Privatsektor gegenüber schroff geäußert und sich zugunsten von Gewerkschaften und Regulierung positioniert hatte. Trump hingegen versprach niedrige Steuern und weniger Regulierung. Seine Zollpolitik war zwar ein Problem, aber die meisten gingen davon aus, dass dies nur Show war. Der Aktienmarkt begrüßte Trumps Wahl mit einem Höhenflug. Tech-Milliardäre spendeten für Trumps Inauguration und huldigten ihm bei seiner Amtseinführung.
Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass dieser Optimismus völlig fehlgeleitet war. Trump beschert der Wirtschaft eine unangenehme Überraschung nach der anderen, sodass die US-Aktienmärkte inzwischen mehr als ihre Gewinne seit November wieder eingebüßt haben. Schwer zu sagen, welche Vorgehensweise schlimmer war: die hohen Zölle auf Waren aus den am engsten verbündeten Ländern (Kanada, Mexiko und Europa) oder das ständige Getöse, die Drohungen und das Hin und Her in der Handelspolitik, die die wirtschaftlichen Unsicherheitsindikatoren höher steigen ließen als während der globalen Finanzkrise 2008.
Erschwerend kommt hinzu, dass Elon Musks Behörde für Effizienz in der Verwaltung verheerende Auswirkungen auf die Bundesregierung hat, da sie gegen grundlegende Rechtsgrundsätze verstößt und mehr als 100.000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst entlässt. Die Einstellung der Auslandshilfe folgt zwar einer kaltherzigen Logik, doch die Regierung hat auch unerklärlicherweise die Mittel für die Grundlagenforschung in Bereichen wie Gesundheit, Biowissenschaften und Bildung gekürzt.
Amerikanischen Wirtschaftsführern sollte eigentlich einleuchten, dass Trump eine offensichtliche und unmittelbare Gefahr für das System darstellt, dem sie ihren Reichtum verdanken. So destruktiv seine unberechenbare Handelspolitik auch sein mag, verblasst diese jedoch im Vergleich zu der Bedrohung, die er für jene grundlegenden Institutionen darstellt, die eine florierende Marktwirtschaft benötigt: Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, staatliche Investitionen in Wissenschaft und Innovation, öffentliche Infrastruktur sowie stabile und freundschaftliche Beziehungen zu gleichgesinnten Ländern.
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Diesen Institutionen verdankt Musk einen Großteil seines Erfolgs. Ohne einen staatlichen Kredit zum richtigen Zeitpunkt wäre Tesla bankrott gegangen; und SpaceX hat Dutzende Milliarden Dollar an staatlichen Aufträgen erhalten. Doch Trump hat all diese staatlichen Aufgaben zugunsten einer Agenda aufgegeben, die keine kohärente Strategie erkennen lässt, geschweige denn Lösungen für die Probleme des Landes bietet.
Noch deutlicher zeigt sich die Bedrohung der US-Wissenschaft durch Trump. Er hat die staatliche Unterstützung für medizinische Grundlagenforschung drastisch gekürzt und lässt unter dem Vorwand, den Antisemitismus zu bekämpfen, einige der führenden Universitäten des Landes willkürlich aushungern. Zunächst traf es die Columbia und die Johns Hopkins University, aber auch andere (darunter meine eigene Universität, Harvard) werden ins Visier genommen.
Im Falle von Attacken auf die grundlegenden Institutionen einer Demokratie, haben führende Organisationen aus Wirtschaft und Wissenschaft in besonderem Maße die Pflicht, sich zu äußern. Doch weder Führungskräfte aus der Wirtschaft noch Universitätspräsidenten sind dieser Pflicht nachgekommen. Stattdessen scheinen sie sich für die von den Harvard-Politikwissenschaftlern Ryan D. Enos und Steven Levitsky so bezeichnete „stille Beschwichtigung“ entschieden zu haben. Das Kalkül besteht darin, hinter den Kulissen zu arbeiten und nicht auf sich aufmerksam machen, um so das Schlimmste zu verhindern.
Doch diese Strategie funktioniert nicht, wie Enos und Levitsky betonen. Autoritäre Populisten wie der verstorbene Hugo Chávez (Venezuela), Wladimir Putin (Russland), Viktor Orbán (Ungarn), Narendra Modi (Indien) und Recep Tayyip Erdoğan (Türkei) haben es immer auf Universitäten abgesehen und treten die akademische Freiheit mit Füßen. Zensur, ob von der Regierung oder selbst auferlegt, ist der Preis, den alle akademischen Einrichtungen am Ende zahlen. Selbst wenn sich Autokraten anfangs marktfreundlich geben, untergraben sie letztendlich die institutionellen Grundlagen einer wettbewerbsfähigen Marktwirtschaft.
Im Vergleich zu den erwähnten autoritären Führern ist Trumps Angriff auf die demokratischen Institutionen Amerikas hinsichtlich Geschwindigkeit, Dreistigkeit und Durchschaubarkeit atemberaubend. Da kann man nicht mehr sagen: „So redet er halt, er wird seine Drohungen schon nicht wahr machen.“ Keine zivilgesellschaftliche Organisation und keine Führungsperson kann weiterhin an der Ernsthaftigkeit der Lage zweifeln.
Autokraten blühen auf, wenn ihre Gegner uneins sind und Angst haben, ihre Meinung zu äußern. Das ist die Tragik kollektiven Handelns: Wir alle verlieren, wenn wir uns auf individueller Ebene weigern, etwas zu riskieren. Deshalb tragen die führenden Universitäten und größten Unternehmen des Landes – diejenigen, die sowohl die größte Glaubwürdigkeit als auch am meisten zu verlieren haben – jetzt eine unverhältnismäßig große Verantwortung, etwas zu unternehmen.
Man stelle sich vor, die Präsidenten der führenden Universitäten und die Chefs der reichsten Unternehmen Amerikas würden – zusammen mit Gewerkschaften, Glaubensgemeinschaften und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen – eine öffentliche Erklärung abgeben, in der sie klar und deutlich auf die Gefahren hinweisen, die mit der Aushöhlung der Rechtsstaatlichkeit, der akademischen Freiheit und der wissenschaftlichen Forschung verbunden sind. Eine solche Geste würde Trump und seine Verbündeten nicht beeindrucken, aber sie würde anderen demokratischen Kräften Mut machen, sie aufrütteln und ihnen bei der Mobilisierung helfen. Dutzende Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner fragen sich, wann endlich jemand den Mut aufbringen wird, seine Meinung zu sagen. Wer dies tut, wird sich zumindest auf die richtige Seite der Geschichte stellen.
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Dollar devaluation and dollar dominance are not necessarily mutually exclusive. But the approach to weakening the greenback that US President Donald Trump’s administration is considering would almost certainly spell the end of the US dollar’s reign as the dominant international currency.
exposes fundamental flaws in the US administration’s vision for weakening the greenback.
Despite the uncertainty surrounding global trade, there are some bright spots – namely, booming trade in services. And here, ironically, the United States is leading the way, running a services trade surplus with most major economies and generating millions of good jobs for American workers.
encourages the US government to acknowledge the country’s impressive success in exporting services.
CAMBRIDGE – Amerikas ungeheurer Reichtum und seine Macht beruhen auf zwei Säulen: Universitäten und Unternehmen. Erstere sorgen für Ideen, Forschung und Ausbildung, wodurch das Land zu einem Mekka für die besten Köpfe der Welt wurde. Die Unternehmen generieren Investitionen und Innovationen, die Amerikas beeindruckenden Wirtschaftsmotor antreiben. Doch nun scheint Präsident Donald Trump entschlossen, beides zu zerstören.
Trumps Verhalten kommt nicht überraschend. Seine wirtschaftspolitischen Ideen waren schon immer verrückt, und sein Hass auf akademische Eliteeinrichtungen – die er als Heimat der „Woke“-Kultur ansieht – ist bekannt. Noch schockierender ist allerdings, dass die Führungskräfte aus Wirtschaft und Wissenschaft kaum einen Mucks von sich geben.
Nach Trumps Wahlsieg im vergangenen November herrschte in Wirtschaftskreisen vorsichtiger Optimismus. Trump schien eine willkommene Abwechslung nach Joe Biden zu sein, der sich dem Privatsektor gegenüber schroff geäußert und sich zugunsten von Gewerkschaften und Regulierung positioniert hatte. Trump hingegen versprach niedrige Steuern und weniger Regulierung. Seine Zollpolitik war zwar ein Problem, aber die meisten gingen davon aus, dass dies nur Show war. Der Aktienmarkt begrüßte Trumps Wahl mit einem Höhenflug. Tech-Milliardäre spendeten für Trumps Inauguration und huldigten ihm bei seiner Amtseinführung.
Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass dieser Optimismus völlig fehlgeleitet war. Trump beschert der Wirtschaft eine unangenehme Überraschung nach der anderen, sodass die US-Aktienmärkte inzwischen mehr als ihre Gewinne seit November wieder eingebüßt haben. Schwer zu sagen, welche Vorgehensweise schlimmer war: die hohen Zölle auf Waren aus den am engsten verbündeten Ländern (Kanada, Mexiko und Europa) oder das ständige Getöse, die Drohungen und das Hin und Her in der Handelspolitik, die die wirtschaftlichen Unsicherheitsindikatoren höher steigen ließen als während der globalen Finanzkrise 2008.
Erschwerend kommt hinzu, dass Elon Musks Behörde für Effizienz in der Verwaltung verheerende Auswirkungen auf die Bundesregierung hat, da sie gegen grundlegende Rechtsgrundsätze verstößt und mehr als 100.000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst entlässt. Die Einstellung der Auslandshilfe folgt zwar einer kaltherzigen Logik, doch die Regierung hat auch unerklärlicherweise die Mittel für die Grundlagenforschung in Bereichen wie Gesundheit, Biowissenschaften und Bildung gekürzt.
Amerikanischen Wirtschaftsführern sollte eigentlich einleuchten, dass Trump eine offensichtliche und unmittelbare Gefahr für das System darstellt, dem sie ihren Reichtum verdanken. So destruktiv seine unberechenbare Handelspolitik auch sein mag, verblasst diese jedoch im Vergleich zu der Bedrohung, die er für jene grundlegenden Institutionen darstellt, die eine florierende Marktwirtschaft benötigt: Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, staatliche Investitionen in Wissenschaft und Innovation, öffentliche Infrastruktur sowie stabile und freundschaftliche Beziehungen zu gleichgesinnten Ländern.
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Noch deutlicher zeigt sich die Bedrohung der US-Wissenschaft durch Trump. Er hat die staatliche Unterstützung für medizinische Grundlagenforschung drastisch gekürzt und lässt unter dem Vorwand, den Antisemitismus zu bekämpfen, einige der führenden Universitäten des Landes willkürlich aushungern. Zunächst traf es die Columbia und die Johns Hopkins University, aber auch andere (darunter meine eigene Universität, Harvard) werden ins Visier genommen.
Im Falle von Attacken auf die grundlegenden Institutionen einer Demokratie, haben führende Organisationen aus Wirtschaft und Wissenschaft in besonderem Maße die Pflicht, sich zu äußern. Doch weder Führungskräfte aus der Wirtschaft noch Universitätspräsidenten sind dieser Pflicht nachgekommen. Stattdessen scheinen sie sich für die von den Harvard-Politikwissenschaftlern Ryan D. Enos und Steven Levitsky so bezeichnete „stille Beschwichtigung“ entschieden zu haben. Das Kalkül besteht darin, hinter den Kulissen zu arbeiten und nicht auf sich aufmerksam machen, um so das Schlimmste zu verhindern.
Doch diese Strategie funktioniert nicht, wie Enos und Levitsky betonen. Autoritäre Populisten wie der verstorbene Hugo Chávez (Venezuela), Wladimir Putin (Russland), Viktor Orbán (Ungarn), Narendra Modi (Indien) und Recep Tayyip Erdoğan (Türkei) haben es immer auf Universitäten abgesehen und treten die akademische Freiheit mit Füßen. Zensur, ob von der Regierung oder selbst auferlegt, ist der Preis, den alle akademischen Einrichtungen am Ende zahlen. Selbst wenn sich Autokraten anfangs marktfreundlich geben, untergraben sie letztendlich die institutionellen Grundlagen einer wettbewerbsfähigen Marktwirtschaft.
Im Vergleich zu den erwähnten autoritären Führern ist Trumps Angriff auf die demokratischen Institutionen Amerikas hinsichtlich Geschwindigkeit, Dreistigkeit und Durchschaubarkeit atemberaubend. Da kann man nicht mehr sagen: „So redet er halt, er wird seine Drohungen schon nicht wahr machen.“ Keine zivilgesellschaftliche Organisation und keine Führungsperson kann weiterhin an der Ernsthaftigkeit der Lage zweifeln.
Autokraten blühen auf, wenn ihre Gegner uneins sind und Angst haben, ihre Meinung zu äußern. Das ist die Tragik kollektiven Handelns: Wir alle verlieren, wenn wir uns auf individueller Ebene weigern, etwas zu riskieren. Deshalb tragen die führenden Universitäten und größten Unternehmen des Landes – diejenigen, die sowohl die größte Glaubwürdigkeit als auch am meisten zu verlieren haben – jetzt eine unverhältnismäßig große Verantwortung, etwas zu unternehmen.
Man stelle sich vor, die Präsidenten der führenden Universitäten und die Chefs der reichsten Unternehmen Amerikas würden – zusammen mit Gewerkschaften, Glaubensgemeinschaften und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen – eine öffentliche Erklärung abgeben, in der sie klar und deutlich auf die Gefahren hinweisen, die mit der Aushöhlung der Rechtsstaatlichkeit, der akademischen Freiheit und der wissenschaftlichen Forschung verbunden sind. Eine solche Geste würde Trump und seine Verbündeten nicht beeindrucken, aber sie würde anderen demokratischen Kräften Mut machen, sie aufrütteln und ihnen bei der Mobilisierung helfen. Dutzende Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner fragen sich, wann endlich jemand den Mut aufbringen wird, seine Meinung zu sagen. Wer dies tut, wird sich zumindest auf die richtige Seite der Geschichte stellen.
Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier