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Was Klimagerechtigkeit für Lateinamerika und die Karibik bedeutet

RIO DE JANEIRO/NEW YORK – Die als „Finanz-COP“ bezeichnete Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP29) im November in Baku hat viele zutiefst enttäuscht – und das aus gutem Grund. Die Zusage, bis 2035 300 Milliarden US-Dollar für die Klimafinanzierung bereitzustellen, ist zwar ein guter Anfang, reicht aber bei weitem nicht aus, um die Entwicklung CO2-armer Energiesysteme in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu beschleunigen.

Die Verbesserung des Zugangs zu erneuerbaren Energien ist in den Ländern Lateinamerikas und der Karibik besonders vordringlich, da dort 60 Millionen Menschen ohne zuverlässige Stromversorgung leben und 16 Millionen überhaupt keinen Zugang zu Elektrizität haben. Diese Energielücke unterstreicht die Notwendigkeit nachhaltiger und integrativer Lösungen.

Die Beschleunigung der globalen Energiewende hängt von den Fortschritten im Bereich der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung ab. Eine Möglichkeit, das zu erreichen, besteht darin, moderne, nachhaltige Formen der Energienutzung in alle Wirtschaftsbereiche, Gemeinden und Haushalte in der Region zu integrieren und so zu gewährleisten, dass die Vorteile langfristiger Entwicklung allen zugutekommen.

Zwar haben die Länder Lateinamerikas und der Karibik bereits erhebliche Fortschritte in Richtung eines universellen Zugangs zu Energie erzielt, da 60 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen stammen und mehr als 98 Prozent der Bevölkerung der Region an das Stromnetz angeschlossen sind. Doch dieser Fortschritt verlangsamt sich zusehends. Seit 2010 ist die Elektrifizierungsrate lediglich um drei Prozentpunkte gestiegen, ein klares Zeichen dafür, dass konventionelle Ansätze nicht ausreichen, um die verbleibenden Zugangslücken zu schließen.

Man denke an Haiti, wo nur 47 Prozent der Bevölkerung über Zugang zu Elektrizität verfügen und Gemeinden in vielen abgelegenen Gebieten auf teure, umweltschädliche, mit fossilen Brennstoffen betriebene Generatoren angewiesen sind. Auch in Ländern wie Guatemala und Bolivien fehlt es in weiten Gebieten noch an einer zuverlässigen Strominfrastruktur. Das hat tiefgreifende Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung, da eine zuverlässige Stromversorgung für die Versorgung mit sauberem Wasser, die Verbesserung der Gesundheitsversorgung und Bildung sowie für das Wachstum kleiner Unternehmen erforderlich ist.

Trotz aller Bemühungen auf staatlicher und privatwirtschaftlicher Ebene bleibt der flächendeckende Zugang zu Energie kostspielig und technisch anspruchsvoll, insbesondere für die Länder, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind. Verschärft werden diese Herausforderungen noch durch hohe Finanzierungskosten, politische und regulatorische Instabilität und begrenzte nationale Kreditkapazitäten, die allesamt Energieinvestitionen in der gesamten Region behindern.

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Um diese gewaltige Herausforderung zu bewältigen, muss die Politik eine neue Strategie verfolgen, die sich auf die Verbesserung der Koordination zwischen den Interessengruppen, die Steigerung der Effizienz sowie die Unterstützung einkommensschwacher Länder und Gemeinschaften konzentriert, damit diese eine Führungsrolle übernehmen können. Die Erprobung und Skalierung neuer Technologien sowie die Schaffung von Finanzierungsmechanismen, die zusätzliche Ressourcen kanalisieren, sind ebenfalls von entscheidender Bedeutung für wirksame, sektorübergreifende staatliche Programme.

Ein hervorragendes Beispiel für einen derartigen Ansatz ist die Universal Access Coalition (UAC), die im Anschluss an den G20-Gipfel im November auf der Energies of the Amazon Conference in der brasilianischen Stadt Belém ins Leben gerufen wurde. Durch die Zusammenführung von Regierungen, Privatunternehmen, multilateralen Organisationen, Institutionen der Entwicklungsfinanzierung sowie zivilgesellschaftlichen Gruppen versucht die UAC, Ressourcen zu mobilisieren, Innovationen voranzutreiben und für einen universellen Zugang zu Energie einzutreten.

Durch die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Interessengruppen will die UAC innovative technologische Lösungen vorantreiben. So stellen beispielsweise dezentrale erneuerbare Energiesysteme wie Mini-Grids und netzunabhängige Solaranlagen in entlegenen Regionen mit geringer Bevölkerungsdichte eine schnellere und kostengünstigere Alternative zum herkömmlichen Netzausbau dar. Die globale Energieallianz für Mensch und Planet investiert gemeinsam mit der Weltbank und der Interamerikanischen Entwicklungsbank auch in Mesh-Grids – dezentrale Netze, die unterversorgte Gebiete zuverlässig mit Strom beliefern sollen.

Angesichts dieser Bemühungen der Staaten Lateinamerikas und der Karibik gilt es, das übergeordnete Ziel einer Wiederbelebung der weltweiten Bestrebungen zur Erreichung des UN-Ziels für nachhaltige Entwicklung 7 voranzutreiben, das einen universellen Zugang zu sauberer, erschwinglicher Energie bis 2030 fordert. Gezielte Regierungsprogramme in Brasilien, wie Energies of the Amazon und Licht für alle (Luz para Todos), zeigen, wie Ansätze mit mehreren Interessengruppen lokale, von der Gemeinschaft getragene und gerechte Initiativen fördern können.

Vor der COP30 in Belém in diesem Jahr muss die Politik die Wirksamkeit der globalen Maßnahmen gegen die existenzielle Bedrohung durch den Klimawandel neu bewerten und sich zu mutigen, entschlossenen Maßnahmen verpflichten. Durch die Bündelung kollektiver Kräfte bestehend aus Regierungen, Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft können wir das immense Potenzial der lateinamerikanischen und karibischen Länder im Bereich erneuerbarer Energien freisetzen und die Region zu einem Vorbild für nachhaltige Entwicklung machen.

Der Erfolg lässt sich jedoch nicht allein in Megawatt messen. Energielösungen müssen lokale und indigene Gemeinschaften aktiv einbeziehen und gewährleisten, dass sie eine bedeutende Rolle in der Planung und Entscheidungsfindung spielen. Eine gerechte Energiewende ist mehr als ein moralisches Gebot – sie ist der einzige Weg, die globalen Klimaziele zu erreichen, Klimaresilienz aufzubauen und gerechtes Wachstum zu erzielen.

Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier

https://prosyn.org/jcv92Qbde