Das Betriebssystem, das Weihnachten gestohlen hat

Bevor Sie sich zu den Festtagen einen neuen Windows-PC wünschen, denken Sie an das alte Sprichwort: „Sei vorsichtig, was du dir wünschst.“

Idealerweise würden wir alle von den so genannten „Netzwerkeffekten“ profitieren, die sich daraus ergeben, dass die meisten Menschen dieselbe Software verwenden: Alle könnten auf einfache Weise miteinander kommunizieren und sich gegenseitig beibringen, wie man die Software effizient nutzt. Da Microsoft jedoch Netzwerkeffekte dazu benutzt, seine Gewinne zu maximieren, anstatt auf den Vorteil der Anwender zu achten, ist dieser Idealzustand leider weit entfernt.

Nehmen wir Vista, ein weiteres „tolles“, neues Betriebssystem, das Microsoft in diesem Jahr zusammen mit Office 2007 auf den Markt gebracht hat. Die erste Person in meinem Unternehmen, die Vista verwendete, war unser geschäftsführender Vizepräsident. Er war außer sich vor Wut. Vista und Office 2007 waren automatisch auf seinem neuen Dell-Computer installiert. Dell hat nicht gefragt: „Hätten Sie lieber die alten Versionen von MS Office und Betriebssystem, die Sie bereits kennen und verwenden können?“ Also bekam unser Geschäftsführer einen neuen Computer, den er nicht bedienen konnte: Funktionen waren neu angeordnet und die Tastenkombinationen waren anders.

Man halte sich die Produktivitätskosten von Millionen wie ihm vor Augen, die sich an ein neues System anpassen müssen. Darüber hinaus konnten seine Mitarbeiter die Microsoft Word-Dateien, die er ihnen im neuen DOCX-Format schickte, nicht lesen. Sie schrieben zurück und baten ihn, die Dateien noch einmal im älteren DOC-Format zu schicken – was u. U. nicht funktionierte, falls er versehentlich einige der neumodischen Formatierungsfeatures verwendet hatte.

Zwar bietet Microsoft ein Patch an, mit dem die alten Versionen von Office das neue DOCX-Format lesen können, aber Microsoft macht dies nicht bekannt – und warnt Sie auch nicht, bevor Ihre Office 2007-Datei mit älteren Versionen inkompatibel wird.

Obwohl Microsoft das traditionelle „.doc“ als Standardformat für MS Word hätte beibehalten können, hätte dies nicht seinen Zweck erfüllt: Wenn genügend Leute für Office 2007 bezahlt haben, werden am Ende die restlichen unter viel Geschrei und Protest mitgeschleift. Vier oder fünf Jahre später quält uns Microsoft dann aufs Neue.

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Selbstverständlich gehört Microsoft seine alte Software, und das Unternehmen kann entscheiden, zu welchem Preis es sie verkauft – oder ob es sie überhaupt verkauft. Microsoft kann noch raffinierter vorgehen und die Erwartungen steuern, die sich bei großen Netzwerkwirtschaftssystemen – wie es die Softwaremärkte sind – als selbst bewahrheitend erweisen.

Wenn alle morgen in der Erwartung aufwachten, dass die Welt innerhalb eines Jahres auf Apple umsteigen würde, so würde der Absatz von Windows schlagartig sinken. Warum sollte man einen Windows-Rechner kaufen, wenn alle Kollegen Macintoshs haben und einem mit diesen helfen können, nicht aber mit Windows, und wenn alle unabhängigen Software-Entwickler für das neue Mac-Betriebssystem Leopard programmieren?

Doch ist das nicht unsere Welt. Immer wenn Microsoft ein neues Betriebssystem herausbringt, ist die Frage nicht, ob Sie sich umstellen sollten, sondern wann. Das Hinzufügen neuer Features kann den Übergang beschleunigen, aber notwendig ist nur, dass das neue System in manchen Aspekten inkompatibel mit den alten Systemen ist und dass genug Menschen erwarten, dass es zum neuen Standard wird.

Selbstverständlich ist es teuer, neue Software zu entwickeln. Warum also sollte Microsoft sich die Mühe machen?

Der Nobelpreisträger Ronald Coase hat diese Frage vor langer Zeit beantwortet. Laut der Coase Conjecture (Coase-Vermutung) muss ein Monopolist, der dauerhafte Güter verkauft, diese zum Grenzkostenpreis verkaufen. Für Microsoft besteht das Problem darin, dass die Grenzkosten für Software gleich null sind. Daher kann Microsoft nicht einmal in die Nähe seiner vollen Monopolgewinne gelangen, wenn es keine Upgrades verkauft. Denn obwohl Microsoft ein Monopol auf den primären Verkauf seiner Software besitzt, konkurrieren schließlich die Kopien, die 2007 verkauft wurden, mit denen, die 2006 verkauft wurden.

Indem Microsoft also Inkompatibilitäten schafft, einige subtil und andere offensichtlich, durch die die alte Software überholt ist, kann das Unternehmen seine Betriebssysteme mit hohen Gewinnspannen verkaufen, ohne zu befürchten, dass die Verbraucher warten, bis der Preis fällt. Der Preis wird nie fallen, weil Microsoft einfach ein neues System herausbringen wird – wieder mit hohen Gewinnspannen.

Microsoft hat seit 15 Jahren Probleme mit dem Kartellamt und trotz der jüngsten Übereinkunft des Unternehmens mit der Europäischen Union, seinen Quellcode zu lizenzieren, wird es wahrscheinlich wieder Schwierigkeiten bekommen. Wenn das geschieht, hoffe ich, dass das Kartellamt einen Lösungsvorschlag berücksichtigen wird, den Ian Ayres, Hal Varian und ich ersonnen haben.

Nehmen wir an, Microsoft müsste seine alte Software lizenzfrei zur Verfügung stellen, wenn es eine neue Version herausbringt. Damit hätte das Unternehmen einen Anreiz, sicherzustellen, dass neue Versionen mit den alten Versionen kompatibel und bedeutend besser sind – andernfalls ließen sich die neuen Versionen nicht verkaufen, zumindest nicht so einfach. Wenn Microsofts neue Software wenigstens gegen seine alte Software konkurrieren müsste, wüssten wir, dass sich etwas in der Welt verbessert.

In der Zwischenzeit empfehle ich, das Microsoft-Patch auf Ihrem alten Computer zu installieren ( http://office.microsoft.com/de-de/products/HA101686761031.aspx ) und einfach bei dem Übel zu bleiben, das Sie schon kennen.

https://prosyn.org/LdwXwovde