NEW YORK – Im August 2021 gab der Internationale Währungsfonds Sonderziehungsrechte (die Reservewährung des IWF) im Volumen von 209 Milliarden Dollar an die Entwicklungsländer aus. SZRs ähneln Bargeld, da die Empfängerländer sie in harte Währung umtauschen können. Insofern sind sie ein äußerst wirksames Instrument, und der IWF kann und sollte sie stärker nutzen.
Von der SZR-Emission des Jahres 2021 haben nicht nur Milliarden Menschen auf der ganzen Welt, sondern auch Hunderttausende von US-Amerikanern profitiert – und so wäre es wieder. Die Exporte von US-Waren und -Dienstleistungen in die Entwicklungsländer belaufen sich auf rund eine Billion Dollar, und wenn diese Länder eine Kapitalspritze erhalten, werden sie noch mehr importieren.
Dieser Effekt kann erheblich sein. Eine SZR-Ausschüttung in der Größenordnung der Emission des Jahres 2021 dürfte in den USA in einem Jahr in etwa so viele Arbeitsplätze schaffen wie der Ausgaben in Höhe von 740 Milliarden Dollar umfassende Inflation Reduction Act in seinem ersten Jahr. Wir sprechen, vorsichtig geschätzt, von etwa 111.000 bis 191.000 neuen Arbeitsplätzen, von denen die meisten in exportbezogenen Bereichen wie Fertigung, Transport und Lagerhaltung entstehen würden.
Die Gesamtzahl der geschaffenen Arbeitsplätze könnte sogar noch wesentlich höher sein, da man auch die Rolle der SZRs – als Währungsreserven – bei der Stabilisierung der Entwicklungsländer berücksichtigen muss. Dieser Effekt wäre sogar noch wichtiger, wenn sich die Weltwirtschaft abschwächt, so wie das derzeit der Fall zu sein scheint. (Die globale Wachstumsrate ist seit der letzten SZR-Emission stark zurückgegangen, von einem Rekordwert von 6,6 % im Jahr 2021 auf inzwischen nur noch die Hälfte).
Dies ist nicht der einzige überzeugende Grund, der für eine weitere SZR-Emission spricht. Angesichts der angespannten Haushaltslage vieler Länder nach der COVID-19-Pandemie könnte eine derartige Emission vielen Ländern helfen, die notwendigen Investitionen zur Eindämmung des Klimawandels zu tätigen.
Und selbst wenn man diese Überlegungen beiseitelässt, ist es offensichtlich, dass die Welt eine neuerliche SZR-Emission braucht. Viele Länder sind mit Schuldenkrisen konfrontiert, was dazu führt, dass etwa 3,3 Milliarden Menschen in Ländern leben, die mehr für Zinszahlungen als für die Gesundheitsversorgung ausgeben, während 2,1 Milliarden Menschen in Ländern leben, die mehr für Zinsen als für Bildung ausgeben.
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Warum also hat es dann nicht schon längst eine Neuemission gegeben? Die größte Hürde stellt tatsächlich das US-Finanzministerium dar. Nach den Regeln des IWF (die 1944 verfasst wurden) folgt die 190 Mitglieder zählende Organisation nicht dem Grundsatz „ein Land, eine Stimme“. Stattdessen verfügen die USA über 16,5 % der Stimmen, und jede Entscheidung zur Genehmigung einer neuen SZR-Emission erfordert eine 85%ige Zustimmung. Das Finanzministerium, das die USA im IWF vertritt, verfügt somit über ein Vetorecht, und solange es andere einkommensstarke Länder mit ins Boot holt, kann es fast jede gewünschte Maßnahme durchsetzen.
Eine neuerliche SZR-Emission erfordert also die Unterstützung der USA. Obwohl das Finanzministerium den Kongress 90 Tage vorher informieren müsste, wäre für eine Emission in der Größenordnung von 2021 keine Abstimmung im Kongress erforderlich. Die scheidende Regierung Biden könnte den Prozess heute einleiten, und die neue Regierung von Donald Trump müsste der Entscheidung nur noch zustimmen.
Würde Trump das tun? Das ist durchaus möglich, denn eine Neuemission würde Arbeitsplätze in den USA schaffen. Wenn es schnell geht, ohne Verzögerung im Kongress, könnte sie sogar schon im April erfolgen.
Während sich die Gewerkschaften in den USA bereits für eine Neuemission ausgesprochen haben, steht auch für die Wall Street in dieser Frage viel auf dem Spiel. US-Finanzunternehmen halten Staatsanleihen schuldengeplagter Entwicklungsländer im Umfang von Dutzenden Milliarden Dollar, und eine frische Kapitalspritze für diese Volkswirtschaften könnte sie vor potenziell massiven Verlusten bei ihren Investitionen bewahren. Da sich das weltweite Wirtschaftswachstum verlangsamt hat, sind die Anleihen, die sie halten, stärker gefährdet als noch vor drei Jahren. Zudem würde eine Neuemission, wie schon 2021, den US-Haushalt nicht belasten.
Die größten Auswirkungen hätte dies natürlich auf die Entwicklungsländer. Weltweit sind 282 Millionen Menschen vom Hungertod bedroht; vor der Pandemie waren es 135 Millionen und 2022 258 Millionen. Die durch die neuen SZRs geschaffenen zusätzlichen Reserven würden die Einfuhr von zusätzlichen Nahrungsmitteln und Medikamenten sowie Investitionen in dringend benötigte Ausrüstung und Infrastruktur des öffentlichen Gesundheitswesens ermöglichen.
Im Jahr 2021 überstieg die SZR-Emission in Höhe von 209 Milliarden Dollar die gesamte offizielle Entwicklungshilfe, die die Entwicklungsländer in jenem Jahr erhielten. Die Ausgabe von SZRs kann weltweit Hunderttausende von Menschenleben retten, und im Gegensatz zu den meisten Hilfsmaßnahmen ist sie weder an Bedingungen geknüpft noch mit zusätzlichen Schulden verbunden. Aus all diesen Gründen haben die katholische Kirche und andere religiöse Organisationen neue SZR-Zuweisungen stetsunterstützt.
Kein einziger Ökonom – auch nicht im US-Finanzministerium – hat bisher ein plausibles Argument dafür vorgebracht, dass eine Neuemission mit erheblichen Abwärtsrisiken verbunden wäre. Der IWF kam in seiner eigenen Bewertung zu dem Schluss, dass die letzte Emission „zur globalen Finanzstabilität beigetragen hat“ und dass „es keine Hinweise gibt, dass die Zuteilung wesentlich zur globalen Inflation beigetragen hat“.
Die Regierung Biden sollte dem Rat praktisch aller Ökonomen, die sich mit dieser Frage befasst haben, folgen und eine SZR-Neuemission in die Wege leiten. Damit würde sie den IWF auf einen Weg führen, der Hunderttausende von US-Arbeitsplätzen schafft und unzählige Menschenleben auf der ganzen Welt rettet.
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The geostrategic shock that has accompanied Donald Trump’s return to the White House is the functional equivalent of a full-blown crisis. It is likely to have a lasting impact on the US and Chinese economies, and the contagion is almost certain to spread throughout the world through cross-border trade and capital flows.
likens Donald Trump’s reversal of America’s global leadership role to a full-blown crisis, similar to COVID-19.
Jorge Heine
urges the Organization of American States to demonstrate leadership in Haiti, shows how small countries can implement a foreign policy based on active non-alignment, calls on China and Europe to diversify the global monetary system, and more.
US President Donald Trump’s dismantling of America’s foreign-aid program may be the wake-up call African leaders need. If necessity is the mother of invention, the end of USAID could galvanize African governments to confront their countries’ challenges head-on.
sees opportunities to promote local growth following a massive reduction in foreign aid.
NEW YORK – Im August 2021 gab der Internationale Währungsfonds Sonderziehungsrechte (die Reservewährung des IWF) im Volumen von 209 Milliarden Dollar an die Entwicklungsländer aus. SZRs ähneln Bargeld, da die Empfängerländer sie in harte Währung umtauschen können. Insofern sind sie ein äußerst wirksames Instrument, und der IWF kann und sollte sie stärker nutzen.
Von der SZR-Emission des Jahres 2021 haben nicht nur Milliarden Menschen auf der ganzen Welt, sondern auch Hunderttausende von US-Amerikanern profitiert – und so wäre es wieder. Die Exporte von US-Waren und -Dienstleistungen in die Entwicklungsländer belaufen sich auf rund eine Billion Dollar, und wenn diese Länder eine Kapitalspritze erhalten, werden sie noch mehr importieren.
Dieser Effekt kann erheblich sein. Eine SZR-Ausschüttung in der Größenordnung der Emission des Jahres 2021 dürfte in den USA in einem Jahr in etwa so viele Arbeitsplätze schaffen wie der Ausgaben in Höhe von 740 Milliarden Dollar umfassende Inflation Reduction Act in seinem ersten Jahr. Wir sprechen, vorsichtig geschätzt, von etwa 111.000 bis 191.000 neuen Arbeitsplätzen, von denen die meisten in exportbezogenen Bereichen wie Fertigung, Transport und Lagerhaltung entstehen würden.
Die Gesamtzahl der geschaffenen Arbeitsplätze könnte sogar noch wesentlich höher sein, da man auch die Rolle der SZRs – als Währungsreserven – bei der Stabilisierung der Entwicklungsländer berücksichtigen muss. Dieser Effekt wäre sogar noch wichtiger, wenn sich die Weltwirtschaft abschwächt, so wie das derzeit der Fall zu sein scheint. (Die globale Wachstumsrate ist seit der letzten SZR-Emission stark zurückgegangen, von einem Rekordwert von 6,6 % im Jahr 2021 auf inzwischen nur noch die Hälfte).
Dies ist nicht der einzige überzeugende Grund, der für eine weitere SZR-Emission spricht. Angesichts der angespannten Haushaltslage vieler Länder nach der COVID-19-Pandemie könnte eine derartige Emission vielen Ländern helfen, die notwendigen Investitionen zur Eindämmung des Klimawandels zu tätigen.
Und selbst wenn man diese Überlegungen beiseitelässt, ist es offensichtlich, dass die Welt eine neuerliche SZR-Emission braucht. Viele Länder sind mit Schuldenkrisen konfrontiert, was dazu führt, dass etwa 3,3 Milliarden Menschen in Ländern leben, die mehr für Zinszahlungen als für die Gesundheitsversorgung ausgeben, während 2,1 Milliarden Menschen in Ländern leben, die mehr für Zinsen als für Bildung ausgeben.
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Eine neuerliche SZR-Emission erfordert also die Unterstützung der USA. Obwohl das Finanzministerium den Kongress 90 Tage vorher informieren müsste, wäre für eine Emission in der Größenordnung von 2021 keine Abstimmung im Kongress erforderlich. Die scheidende Regierung Biden könnte den Prozess heute einleiten, und die neue Regierung von Donald Trump müsste der Entscheidung nur noch zustimmen.
Würde Trump das tun? Das ist durchaus möglich, denn eine Neuemission würde Arbeitsplätze in den USA schaffen. Wenn es schnell geht, ohne Verzögerung im Kongress, könnte sie sogar schon im April erfolgen.
Während sich die Gewerkschaften in den USA bereits für eine Neuemission ausgesprochen haben, steht auch für die Wall Street in dieser Frage viel auf dem Spiel. US-Finanzunternehmen halten Staatsanleihen schuldengeplagter Entwicklungsländer im Umfang von Dutzenden Milliarden Dollar, und eine frische Kapitalspritze für diese Volkswirtschaften könnte sie vor potenziell massiven Verlusten bei ihren Investitionen bewahren. Da sich das weltweite Wirtschaftswachstum verlangsamt hat, sind die Anleihen, die sie halten, stärker gefährdet als noch vor drei Jahren. Zudem würde eine Neuemission, wie schon 2021, den US-Haushalt nicht belasten.
Die größten Auswirkungen hätte dies natürlich auf die Entwicklungsländer. Weltweit sind 282 Millionen Menschen vom Hungertod bedroht; vor der Pandemie waren es 135 Millionen und 2022 258 Millionen. Die durch die neuen SZRs geschaffenen zusätzlichen Reserven würden die Einfuhr von zusätzlichen Nahrungsmitteln und Medikamenten sowie Investitionen in dringend benötigte Ausrüstung und Infrastruktur des öffentlichen Gesundheitswesens ermöglichen.
Im Jahr 2021 überstieg die SZR-Emission in Höhe von 209 Milliarden Dollar die gesamte offizielle Entwicklungshilfe, die die Entwicklungsländer in jenem Jahr erhielten. Die Ausgabe von SZRs kann weltweit Hunderttausende von Menschenleben retten, und im Gegensatz zu den meisten Hilfsmaßnahmen ist sie weder an Bedingungen geknüpft noch mit zusätzlichen Schulden verbunden. Aus all diesen Gründen haben die katholische Kirche und andere religiöse Organisationen neue SZR-Zuweisungen stetsunterstützt.
Kein einziger Ökonom – auch nicht im US-Finanzministerium – hat bisher ein plausibles Argument dafür vorgebracht, dass eine Neuemission mit erheblichen Abwärtsrisiken verbunden wäre. Der IWF kam in seiner eigenen Bewertung zu dem Schluss, dass die letzte Emission „zur globalen Finanzstabilität beigetragen hat“ und dass „es keine Hinweise gibt, dass die Zuteilung wesentlich zur globalen Inflation beigetragen hat“.
Die Regierung Biden sollte dem Rat praktisch aller Ökonomen, die sich mit dieser Frage befasst haben, folgen und eine SZR-Neuemission in die Wege leiten. Damit würde sie den IWF auf einen Weg führen, der Hunderttausende von US-Arbeitsplätzen schafft und unzählige Menschenleben auf der ganzen Welt rettet.
Aus dem Englischen von Jan Doolan