smartphone technology health kenya TONY KARUMBA/AFP/Getty Images

Das weltweite Versprechen der digitalen Gesundheit

BASEL – In seinem jüngsten Bestseller Factfulness hat der verstorbene internationale Gesundheitsexperte Hans Rosling gezeigt, dass die Anzahl schrecklicher Ereignisse wie Naturkatastrophen, Ölaustritte und Kriegstote immer weiter abnimmt, und dass Ernteerträge, Alphabetisierungsraten und andere Entwicklungsindikatoren immer mehr steigen. Mit seinem fakten- und beweisorientierten Ansatz plädiert Rosling für Optimismus in einer, wie es scheint, immer chaotischeren Welt.

Auch im Bereich der weltweiten Gesundheit gibt es Grund zum Optimismus, und zwar aus einem einfachen Grund: Genau wie die Industrielle Revolution zu weitreichenden medizinischen Fortschritten geführt hat, wird uns die momentane digitale Revolution die Möglichkeit geben, das Gesundheitssystem derart zu verbessern, wie wir es uns noch vor ein paar Jahren kaum vorstellen konnten.

Fast jedes Land der Welt hat sich den Zielen Nachhaltiger Entwicklung (ZNE) der Vereinten Nationen angeschlossen, einer internationalen Agenda zur Verbesserung des Wohlbefindens der Menschheit und des Planeten, der sie am Leben hält. Was die globale Gesundheit betrifft, beinhalten die ZNE, vermeidbare Todesfälle unter Kleinkindern zu verhindern, große Epidemien zu stoppen und eine Gesundheitsversorgung für alle zu erreichen.

Auch wenn sie sehr ehrgeizig sind, sind die ZNE auf jeden Fall erreichbar. Wir müssen nur die Möglichkeiten des Internets, der Mobilgeräte und anderer Digitaltechnologien nutzen, die bereits jetzt in schwer erreichbaren Gegenden den Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen und die Qualität der Pflege verbessern.

Nehmen wir Indien als Beispiel. Anfang des Jahres hat die Regierung von Ministerpräsident Narendra Modi „Modicare“ eingeführt, das weltweit größte staatlich finanzierte Krankenversicherungsprogramm, das bis zu 40% der 1,3 Milliarden indischen Bürger umfassen wird. Das Ziel der Regierung ist, den Vormarsch nicht ansteckender Krankheiten wie Diabetes oder Krebs aufzuhalten und gleichzeitig die zur Armut führenden Krankheitskosten der Privathaushalte einzudämmen. In einem Land von der Größe Indiens hängt ein solches Programm erheblich von Technologien ab, die die Menschen mit Gesundheitsprogrammen verbinden – und Katastrophen verhindern, die entstehen könnten, wenn die Krankenberichte von Patienten verwechselt werden.

Digitale Technologien können auch gewährleisten, dass Patienten in abgelegenen Regionen von hochqualifizierten Ärzten behandelt werden. Beim telemedizinischen Programm der Novartis-Stiftung in Ghana finden 70% der Konsultationen zwischen Patienten und Ärzten telefonisch statt. So kann Patienten die beschwerliche Reise zur nächsten Klinik erspart werden.

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Auch die Ausbildung im Gesundheitsbereich wird durch digitale Technologien revolutioniert. In isolierten Gegenden müssen Ärzte und Pfleger oft stundenlang zu Fuß gehen, um sich fortzubilden, und vielen bleibt ihre Weiterbildung sogar völlig versagt. Aber jetzt können sie über Smartphones und Tablets jederzeit die benötigte Ausbildung erhalten. Last Mile Health, einer unserer Partner, hat sogar eine ganze Digitalplattform entwickelt, die speziell auf die gemeinschaftliche Gesundheitsausbildung zugeschnitten ist. Durch diese und andere Bemühungen werden die Leistungen und Ausbildungsmöglichkeiten im Gesundheitsbereich dezentralisiert. Auch die örtlichen Ärzte und Pfleger werden gefördert – was für eine universelle Gesundheitsversorgung von entscheidender Bedeutung ist.

Dass die digitalen Technologien auch die nächste Welle lebensverändernder Therapien unterstützen, versteht sich dabei von selbst. Bereits jetzt wird die Rekrutierung für klinische Versuche durch die Sozialen Netzwerke vereinfacht, und durch künstliche Intelligenz und prognostische Analyse können solche Versuche viel schneller durchgeführt werden.

Unter allen digitalen Neuerungen sind es allerdings die Breitbandverbindungen, die die deutlichsten Verbesserungen bringen werden. In Ländern mit geringen Einkommen kann schnelles Internet auf allen Ebenen des Gesundheitssystems einen entscheidenden Unterschied machen.

Allerdings ist der Aufbau einer Breitbandinfrastruktur in ressourcenarmen Ländern eine komplexe Herausforderung. Nur allzu oft versickern die digitalen Gesundheitsdienste zwischen den Zuständigkeiten von Regierungsbüros, Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen. So wird viel Aufwand doppelt getrieben, und die Chancen für eine Zusammenarbeit werden vertan. Ein schlechtes Beispiel dafür liefert Uganda: 2012 waren dort so viele gegenläufige digitale Gesundheitsprojekte am Werk, dass die Regierung gezwungen war, sie alle für eine begrenzte Zeit zu stoppen.

Die Arbeitsgruppe der Breitbandkommission für Digitale Gesundheit, die von der Novartis-Stiftung mitgeleitet wird, beschäftigt sich damit, wie die Pflege bei nicht ansteckenden Krankheiten durch technologische Maßnahmen verbessert werden kann. Während der UN-Generalversammlung im September veröffentlichte die Kommission die Broschüre The Promise of Digital Health: Addressing Non-communicable Diseases to Accelerate Universal Health Coverage in LMICs (Das Versprechen der Digitalen Gesundheit: Der Kampf gegen nicht übertragbare Krankheiten zur Beschleunigung einer universellen Gesundheitsvorsorge in Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen).Das Ziel ist, Politikern und anderen Betroffenen pragmatischen Rat zu geben, damit sie neu darüber nachdenken, wie die digitalen Gesundheitsmethoden zum Kampf gegen nicht übertragbare Krankheiten eingesetzt werden können.

Sicherlich müssen die Regierungen mehr tun, um die digitalen Bemühungen im Gesundheitsbereich über verschiedene Ministerien hinweg zu integrieren und soweit wie möglich mit auch mit Akteuren des privaten und gemeinnützigen Sektors in Einklang zu bringen. In Ländern wie den Philippinen, wo eine nationale E-Gesundheits-Kommission eine ganze Bandbreite von Initiativen im digitalen Gesundheitsbereich steuert und damit eine ideale Umgebung für digitale Innovationen schafft, findet eine solche Zusammenarbeit bereits statt.

Allerdings ist die Digitaltechnologie kein Allheilmittel, also müssen wir unsere Prioritäten sorgfältig abwägen. An erster Stelle sollten die Ergebnisse stehen. In vielen Ländern werden Gesundheitsdienstleister nicht für Ergebnisse belohnt, sondern für die Aufgaben, die sie leisten. Durch ergebnisorientierte Digitaltechnologien kann gewährleistet werden, dass sich dies ändert.

Eine zweite Priorität liegt in der Verbesserung der Datenverarbeitung. Digitaltechnologien ermöglichen uns, Daten zu sammeln und zu erfassen, die uns Einsichten auf jeder Ebene liefern können – von individueller Biologie bis hin zu globalen Krankheitsmustern. Ausbildungslehrpläne für Gesundheitsdienstleister und -administratoren sollten daher auch Unterricht in Statistik, Datenverwaltung und Analyse umfassen, damit die Anbieter mit den digitalen Verbesserungen Schritt halten können.

Eine weitere Priorität liegt darin, sich daran zu erinnern, dass die Digitaltechnologie nur dann einen Wert hat, wenn sie zur Funktionsverbesserung von Systemen eingesetzt wird. Ärzte sollten nicht mehr Zeit damit verbringen, Daten einzugeben, als ihren Patienten zu helfen. Glücklicherweise können digitale Technologien, wenn sie richtig angewendet werden, dazu beitragen, Prozesse zu automatisieren – so dass Ärzte und Pfleger mehr Zeit haben, das zu tun, was sie am besten können.

Seit die Welt die ZNE verabschiedet hat, die auch kurzfristige Ziele zur universalen Gesundheitsversorgung und allgemeinem, erschwinglichem Internetzugriff umfassen, sind drei Jahre vergangen. Die jüngsten Fortschritte zeigen, dass wir optimistisch sein sollten, diese Ziele zu erreichen. Allerdings wird der Erfolg davon abhängen, ob wir die digitale Revolution so einsetzen können, dass sie allen nützt.

Aus dem Englischen von Harald Eckhoff

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