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Der Kulturkampf in und um Harvard

NEW YORK – Claudine Gay, die erste schwarze Präsidentin der Harvard University, hat dem wochenlangen Druck nicht mehr standgehalten und ist zurückgetreten. In der Kontroverse, die zu ihrem Rücktritt geführt hat, macht jedoch keiner der Beteiligten eine gute Figur.

Der vorgebliche Grund für ihre Amtsenthebung war schlampiges akademisches Arbeiten und vor allem ihre Angewohnheit, beinahe wörtliche Zitate anderer Wissenschaftler in ihren eigenen Publikationen nicht als solche kenntlich zu machen. Vor diesen Entdeckungen wurden ihr jedoch vor allem Antisemitismus und Doppelmoral vorgeworfen. Auf die Frage der republikanischen Kongressabgeordneten Elise Stefanik, ob Studierende, die auf Demonstrationen „den Völkermord an Juden befürworten, gegen den Verhaltenskodex von Harvard verstoßen“, antwortete Gay dies „hänge vom Kontext ab“.

Hätte sich die Frage auf den Völkermord an Schwarzen bezogen, hätte der Kontext ziemlich sicher kein Rolle gespielt. Allerdings tappte Gay hier in eine fiese Falle. Stefanik hatte absichtlich die Grenzen zwischen dem Ruf nach Völkermord und der Unterstützung einer palästinensischen Intifada, also eines bewaffneten Widerstands, verwischt. Letztere billigt zwar unter Umständen Gewalt, aber keinen Völkermord.

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