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Die Davos-Kaste muss zahlen

NEU-DELHI: Die Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums in Davos (Schweiz) war schon immer mehr als nur ein wenig problematisch. Doch in den letzten Jahren hat sich die jährliche Zusammenkunft der Reichen und Mächtigen zu einem zunehmend verschwenderischen Jahrmarkt der Eitelkeiten entwickelt. Was für einen Sinn haben all die Privatjets, Luxushotels und klirrenden Champagnergläser, wenn sie zu nichts weiter führen als zu Händeringen über den Zustand der Welt und zu vagen Versprechungen, die zahlreichen globalen Herausforderungen in Angriff zu nehmen?

Vor der diesjährigen Zusammenkunft in diesem Monat hat das Forum erneut eine ehrgeizige Tagesordnung vorgelegt. Angesichts der Erkenntnis, dass die „Welt heute an einem kritischen Wendepunkt steht“ und die „schiere Anzahl fortdauernder Krisen mutiges kollektives Handeln erfordert“, lautet das diesjährige Thema „Zusammenarbeit in einer fragmentierten Welt“.

Die vielen an diesen Tagungen teilnehmenden Politiker und Wirtschaftslenker sind tatsächlich in einer Position, konkrete Schritte in Richtung Zusammenarbeit und Wandel zu unternehmen. Darum habe ich gemeinsam mit 29 anderen Mitgliedern des Ausschusses für Wirtschaftstransformation des Club of Rome einen offenen Brief unterzeichnet, der die Teilnehmer von Davos auffordert, sich unserer Forderung nach einer höheren Besteuerung der Superreichen anzuschließen.

Anstoß für diese Forderung ist die dringende Notwendigkeit, die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels abzumildern und soziale Instabilität zu verhindern. Der Ausschuss hat letztes Jahr das Buch Earth for Allveröffentlicht, das eine Anleitung zur Armutsbekämpfung, zur Beseitigung der Ungleichheit, zur Stärkung von Frauen, zur Umgestaltung der Ernährungssysteme und zur Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energieträger enthält.

Diese grundlegenden Veränderungen erfordern sämtlich massive Erhöhungen der öffentlichen Ausgaben: Deshalb müssen wir die Steuern für die Konzerne und die Superreichen erhöhen. Zwar können die Noten- und Entwicklungsbanken erhebliche Beiträge zu diesen Bemühungen leisten. Doch das allein reicht nicht. Es bedarf zur Unterstützung der ökologischen Wende, zur Gewährleistung der sozialen Sicherheit und des Wohlbefinden aller und zur Absicherung der Investitionen des privaten Sektors einer durch höhere Steuereinnahmen finanzierten Steigerung der öffentlichen Ausgaben.

Die meisten Besteuerungssysteme weltweit sind veraltet und regressiv und daher nicht in der Lage, die notwendigen Einnahmen zu erzielen oder sicherzustellen, dass die Reichen ihren fairen Anteil zahlen. In ähnlicher Weise versäumen es unsere Gesetze, den unzähligen Weisen Rechnung zu tragen, in denen Konzerne und vermögende Individuen Steuern vermeiden können und in denen die Finanzglobalisierung die Unternehmen in die Lage versetzt hat, Gewinne und Vermögenswerte in Niedrigsteuerländer zu verschieben. Statt diese Gesetzeslücken zu schließen, stützen sich die Regierungen viel zu sehr auf indirekte Steuern wie die Mehrwertsteuer, die überproportional die Armen trifft. Während der letzten Jahrzehnte haben diese systemischen Ungerechtigkeiten zu einem massiven Rückgang des öffentlichen Vermögens und zu enormen Konzentrationen privaten Vermögens geführt. Wie der aktuelle World Inequality Report zeigt, haben sie zudem zu steil zunehmender Ungleichheit beigetragen.

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Die gute Nachricht dabei: Es ist noch nicht zu spät für einen Kurswechsel. In unserem Brief an die Davos-Teilnehmer schlagen wir eine Reihe von Maßnahmen vor, um dem Zusammenbruch der Besteuerungssysteme überall auf der Welt zu begegnen und durch Steuern auf Vermögen, Einkommen und Unternehmensgewinne sowie die Besteuerung der exzessiven Treibhausgas-Emissionen und der Ausbeutung der Biosphäre durch die Superreichen eine nachhaltige Zukunft sicherzustellen.

Erstens könnten die Regierungen durch Aufbau und Weitergabe nationaler Vermögensregister extrem vermögende Personen leichter besteuern, selbst wenn diese ihr Vermögen in Steueroasen verstecken. Zweitens würde die Besteuerung der Kapitaleinkommen die Besteuerungssysteme progressiver gestalten. Drittens empfehlen wir zur Verringerung der Anreize für die Unternehmen, Gewinne in Niedrigsteuerländer zu verschieben, einen globalen Mindest-Körperschaftsteuersatz von 25 % (was in etwa dem weltweiten Durchschnitt entspricht) sowie eine Gesamtkonzernbesteuerung auf Basis des Umsatzes, der Beschäftigungszahl und des Vermögens der multinationalen Konzerne in jedem Land. Viertens hätte die Besteuerung von Zufallsgewinnen in allen Sektoren – insbesondere von in Zeiten der Knappheit und Spekulation erzielten Gewinnen – positive Verteilungseffekte. Und zu guter Letzt sprechen wir uns für eine Besteuerung der CO2-Emissionen von Luxusgütern und des Verbrauchs der Biosphäre sowie für die Abschaffung aller Steueranreize in Verbindung mit fossilen Energieträgern aus.

Diese auf dem gesunden Menschenverstand beruhenden Vorschläge sind nicht neu. Meinungsumfragen zeigen, dass eine höhere Besteuerung der Reichen von den meisten Menschen unterstützt wird – selbst von einigen derjenigen, die davon selbst betroffen wären. So hat zum Beispiel letztes Jahr eine Gruppe von 100 Milliardären und Millionären einen offenen Brief unterzeichnet, in dem sie eine „moderate Vermögenssteuer“ für das reichste Zehntel der reichsten 1 % der Amerikaner forderte und warnte, dass die extreme Ungleichheit zu politischer Instabilität und Gewalt führen könnte. Andere Gruppen haben ähnliche Forderungen erhoben.

Doch können wir ohne den politischen Willen keine echten Veränderungen erreichen. Daher ist es Zeit, dass Teilnehmer und Ausrichter der Tagung in Davos diesem teuren jährlichen Festival der Superreichen eine Rechtfertigung verleihen, indem sie ihren beträchtlichen Einfluss nutzen, um ein faireres Besteuerungssystem herbeizuführen.

Aus dem Englischen von Jan Doolan

https://prosyn.org/jO7Ev6ude