LONDON – Jeder einzelne afghanische und syrische Flüchtling, der in den letzten Jahren vor einem Gericht in Ruanda um Asyl ersucht hat, wurde abgewiesen. Viele andere haben nicht einmal Asylanträge gestellt, weil die ruandische Regierung sie „still und heimlich“ in Nachbarländer abtransportieren ließ. Dies setzt diese Flüchtlinge dem Risiko des Refoulements aus: der Rücksendung in das Land, aus dem sie aus Angst vor Verfolgung, Folter oder Tod geflohen waren.
Dies waren zwei der zentralen Beobachtungen, die der Präsident des Obersten Gerichtshofs des Vereinigten Königreichs, Robert Reed, bei der Verkündung des Urteils äußerte, mit dem die Politik der Regierung, Asylsuchende aus dem Vereinigten Königreich nach Ruanda zu verlegen, für unzulässig erklärt wurde. Die Richter des Obersten Gerichtshofs befanden auf der „Grundlage der Beweise und etablierter Rechtsprinzipien“ einstimmig, dass Ruanda kein sicheres Drittland sei.
Das Kernproblem, mit dem sich die Richter befassten, war die Frage der Sicherheit Ruandas für Asylsuchende. Nach internationalem und britischem Recht darf eine Regierung Asylsuchende – zwangsweise oder anderweitig – in ein anderes Land verlegen, aber nur, wenn dieses Land sowohl bereit ist, sie aufzunehmen, als auch sicher ist. Angesichts der dem autoritären Regime Ruandas vom britischen Innenministerium angebotenen finanziellen Anreize war der ruandische Präsident Paul Kagame bereit, Asylsuchende aus dem Vereinigten Königreich aufzunehmen. Das Vereinigte Königreich zahlte Ruanda 140 Millionen Pfund (160 Millionen Euro), bevor auch nur ein einziger Flüchtling nach Ruanda geschickt wurde, und die Regierung versprach, Ruanda mehr als 100.000 Pfund für jeden Asylsuchenden zu zahlen, den es aufnahm.
Trotz dieser hohen Anzahlung und des Versprechens weiterer Zahlungen hat Kagames Regierung bisher nicht die erforderlichen Schutzmaßnahmen umgesetzt, um Asylsuchende ordnungsgemäß zu bearbeiten. Dies, so betonte Reed, sei ein Verstoß nicht nur gegen Verträge, grundlegende Normen des Völkerrechts und die Europäische Menschenrechtskonvention (an der sich der hart rechte Flügel der Konservativen Partei derzeit besonders stößt), sondern auch gegen britisches Recht.
Dieses Verbot gilt uneingeschränkt. Es gibt keine Ausnahmen oder Schlupflöcher, die es Staaten erlauben, Asylsuchende in ihr Herkunftsland zurückzuschicken, solange ihre Asylanträge laufen. Im Gegensatz dazu entfaltet das Abkommen zwischen den Regierungen des Vereinigten Königreichs und Ruandas keinerlei rechtliche Wirkung. Es ist eine rein politische Vereinbarung basierend auf einem Vorvertrag, der keinen Schutz für die Rechte umgesiedelter Flüchtlinge bietet. Es ist weder „völkerrechtlich verbindlich“ noch sind seine Bestimmungen „vor irgendeinem Gericht einklagbar“. Ohne derartige rechtliche Verpflichtungen hätte Ruanda nur einen einzigen Grund, die Rechte umgesiedelter Flüchtlinge zu achten: um das Geld aus dem Innenministerium weiter fließen zu lassen.
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Hätte Ruanda bereits den Nachweis für seine Fähigkeit erbracht, Asylsuchende sicher unterzubringen und ihre Rechte zu wahren, wäre dieser Vorvertrag womöglich ausreichend gewesen. Doch auf Überprüfung von Ruandas Menschenrechtsbilanz hin beschied das Gericht, dass Ruanda keinen derartigen Nachweis erbracht habe. Die gesamte Vereinbarung beruhe darauf, dass ein „ranghoher Beamter“ des britischen Außenministeriums „zuversichtlich [war], dass Ruanda seine Verpflichtungen einhalten würde“. Anders als in Fällen wie Begum v. Secretary of State for the Home Department, wo das Gericht bereit gewesen war, sich der Entscheidung der Regierung zu beugen, einer vom Islamischen Staat rekrutierten Person aus Gründen der nationalen Sicherheit die Staatsbürgerschaft zu entziehen, läge die Frage des Asyls nicht „im ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Exekutive“.
Die dem Berufungsgericht vorliegenden (und vom Obersten Gerichtshof überprüften) Beweise zeigten gravierende Probleme innerhalb Ruandas auf. Trotz „großer Fortschritte“ des Landes seit 1994, als es „eine der schrecklichsten Phasen der Gewalt in der modernen Geschichte“ durchmachte, wurde seine Menschenrechtsbilanz „häufig kritisiert“. Im Jahr 2021 hatte die britische Regierung selbst Ruandas „außergerichtliche Tötungen, Todesfälle in Gewahrsam, erzwungenes Verschwinden und Folter“ verurteilt. Und 2018 schoss die ruandische Polizei „mit scharfer Munition auf Flüchtlinge, die gegen Kürzungen der Essensrationen protestierten“.
Diese Ereignisse gaben den Richtern womöglich ausreichend zu denken – und hätten mehr als ausreichen müssen, um die britische Innenministerin zu bewegen, die Vereinbarung zu überdenken. Doch es war Ruandas jüngste Bilanz in der Asylpolitik, die zeigte, dass das Land nicht vertrauenswürdig ist. Die umfassende Überprüfung des Gerichts ergab, dass Ruanda eine „überraschend hohe Ablehnungsrate für [Asylsuchende] aus bekannten Konfliktzonen“ und ein „falsches Verständnis ... des Konzepts“ des Refoulements aufweist. Im Rahmen einer ähnlichen Asylvereinbarung mit Israel hatte es ebenfalls Refoulement betrieben, wobei Flüchtlinge vereinbarungswidrig „routinemäßig heimlich nach Uganda verlegt wurden“. Ähnlich wie der britische Plan endete auch die Vereinbarung mit Israel, nachdem sie vom Obersten Gerichtshof Israels für ungesetzlich erklärt wurde.
Ein Ton des Unglaubens durchzieht die Entscheidung des britischen Obersten Gerichtshofs. In der gesamten Urteilsbegründung taucht immer wieder das Wort „überraschend“ auf – ein Euphemismus, den Richter verwenden, wenn sie in Wahrheit „empörend“, „absurd“ oder „idiotisch“ meinen. Und man kann fast die erhobenen Augenbrauen der Richter angesichts der Argumentation der Innenministerin sehen, dass Ruandas „früheres und gegenwärtiges“ Verhalten irrelevant sei. Indem sie ihrem Urteil keinerlei Caveats hinzufügten, haben die Richter ihre Verachtung für diese Argumentation unmissverständlich signalisiert. Es gibt in dem Urteil keinerlei Andeutung darauf, dass die Maßnahmen durch konkretere, rechtsverbindliche Zusagen Ruandas rechtskonform gemacht werden könnten.
Das vernichtende Urteil der Richter ist ein passender Schlussakkord zu Suella Bravermans Amtszeit als Innenministerin. Am Tag vor der Entscheidung wurde sie entlassen, angeblich, weil sie der Polizei vorgeworfen hatte, zu nachsichtig gegenüber pro-palästinensischen Demonstranten zu sein. Die völlige juristische Schlappe bei ihrem Vorzeigeprojekt (das nachzuahmen sie andere Länder zu überreden versucht hatte) ist eine weitere Bestätigung ihrer Inkompetenz – und ein passender Abschluss ihrer gescheiterten Amtszeit.
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LONDON – Jeder einzelne afghanische und syrische Flüchtling, der in den letzten Jahren vor einem Gericht in Ruanda um Asyl ersucht hat, wurde abgewiesen. Viele andere haben nicht einmal Asylanträge gestellt, weil die ruandische Regierung sie „still und heimlich“ in Nachbarländer abtransportieren ließ. Dies setzt diese Flüchtlinge dem Risiko des Refoulements aus: der Rücksendung in das Land, aus dem sie aus Angst vor Verfolgung, Folter oder Tod geflohen waren.
Dies waren zwei der zentralen Beobachtungen, die der Präsident des Obersten Gerichtshofs des Vereinigten Königreichs, Robert Reed, bei der Verkündung des Urteils äußerte, mit dem die Politik der Regierung, Asylsuchende aus dem Vereinigten Königreich nach Ruanda zu verlegen, für unzulässig erklärt wurde. Die Richter des Obersten Gerichtshofs befanden auf der „Grundlage der Beweise und etablierter Rechtsprinzipien“ einstimmig, dass Ruanda kein sicheres Drittland sei.
Das Kernproblem, mit dem sich die Richter befassten, war die Frage der Sicherheit Ruandas für Asylsuchende. Nach internationalem und britischem Recht darf eine Regierung Asylsuchende – zwangsweise oder anderweitig – in ein anderes Land verlegen, aber nur, wenn dieses Land sowohl bereit ist, sie aufzunehmen, als auch sicher ist. Angesichts der dem autoritären Regime Ruandas vom britischen Innenministerium angebotenen finanziellen Anreize war der ruandische Präsident Paul Kagame bereit, Asylsuchende aus dem Vereinigten Königreich aufzunehmen. Das Vereinigte Königreich zahlte Ruanda 140 Millionen Pfund (160 Millionen Euro), bevor auch nur ein einziger Flüchtling nach Ruanda geschickt wurde, und die Regierung versprach, Ruanda mehr als 100.000 Pfund für jeden Asylsuchenden zu zahlen, den es aufnahm.
Trotz dieser hohen Anzahlung und des Versprechens weiterer Zahlungen hat Kagames Regierung bisher nicht die erforderlichen Schutzmaßnahmen umgesetzt, um Asylsuchende ordnungsgemäß zu bearbeiten. Dies, so betonte Reed, sei ein Verstoß nicht nur gegen Verträge, grundlegende Normen des Völkerrechts und die Europäische Menschenrechtskonvention (an der sich der hart rechte Flügel der Konservativen Partei derzeit besonders stößt), sondern auch gegen britisches Recht.
So erlegen das Asyl- und Einwanderungsgesetz von 2004 und das Einwanderungsgesetz von 1971 es der Regierung auf, die Flüchtlingskonvention von 1951 einzuhalten und „Leben und Freiheit“ der Flüchtlinge zu schützen. Refoulement – egal, ob direkt oder durch „indirekte Rückführung über ein Drittland“ – ist verboten.
Dieses Verbot gilt uneingeschränkt. Es gibt keine Ausnahmen oder Schlupflöcher, die es Staaten erlauben, Asylsuchende in ihr Herkunftsland zurückzuschicken, solange ihre Asylanträge laufen. Im Gegensatz dazu entfaltet das Abkommen zwischen den Regierungen des Vereinigten Königreichs und Ruandas keinerlei rechtliche Wirkung. Es ist eine rein politische Vereinbarung basierend auf einem Vorvertrag, der keinen Schutz für die Rechte umgesiedelter Flüchtlinge bietet. Es ist weder „völkerrechtlich verbindlich“ noch sind seine Bestimmungen „vor irgendeinem Gericht einklagbar“. Ohne derartige rechtliche Verpflichtungen hätte Ruanda nur einen einzigen Grund, die Rechte umgesiedelter Flüchtlinge zu achten: um das Geld aus dem Innenministerium weiter fließen zu lassen.
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Hätte Ruanda bereits den Nachweis für seine Fähigkeit erbracht, Asylsuchende sicher unterzubringen und ihre Rechte zu wahren, wäre dieser Vorvertrag womöglich ausreichend gewesen. Doch auf Überprüfung von Ruandas Menschenrechtsbilanz hin beschied das Gericht, dass Ruanda keinen derartigen Nachweis erbracht habe. Die gesamte Vereinbarung beruhe darauf, dass ein „ranghoher Beamter“ des britischen Außenministeriums „zuversichtlich [war], dass Ruanda seine Verpflichtungen einhalten würde“. Anders als in Fällen wie Begum v. Secretary of State for the Home Department, wo das Gericht bereit gewesen war, sich der Entscheidung der Regierung zu beugen, einer vom Islamischen Staat rekrutierten Person aus Gründen der nationalen Sicherheit die Staatsbürgerschaft zu entziehen, läge die Frage des Asyls nicht „im ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Exekutive“.
Die dem Berufungsgericht vorliegenden (und vom Obersten Gerichtshof überprüften) Beweise zeigten gravierende Probleme innerhalb Ruandas auf. Trotz „großer Fortschritte“ des Landes seit 1994, als es „eine der schrecklichsten Phasen der Gewalt in der modernen Geschichte“ durchmachte, wurde seine Menschenrechtsbilanz „häufig kritisiert“. Im Jahr 2021 hatte die britische Regierung selbst Ruandas „außergerichtliche Tötungen, Todesfälle in Gewahrsam, erzwungenes Verschwinden und Folter“ verurteilt. Und 2018 schoss die ruandische Polizei „mit scharfer Munition auf Flüchtlinge, die gegen Kürzungen der Essensrationen protestierten“.
Diese Ereignisse gaben den Richtern womöglich ausreichend zu denken – und hätten mehr als ausreichen müssen, um die britische Innenministerin zu bewegen, die Vereinbarung zu überdenken. Doch es war Ruandas jüngste Bilanz in der Asylpolitik, die zeigte, dass das Land nicht vertrauenswürdig ist. Die umfassende Überprüfung des Gerichts ergab, dass Ruanda eine „überraschend hohe Ablehnungsrate für [Asylsuchende] aus bekannten Konfliktzonen“ und ein „falsches Verständnis ... des Konzepts“ des Refoulements aufweist. Im Rahmen einer ähnlichen Asylvereinbarung mit Israel hatte es ebenfalls Refoulement betrieben, wobei Flüchtlinge vereinbarungswidrig „routinemäßig heimlich nach Uganda verlegt wurden“. Ähnlich wie der britische Plan endete auch die Vereinbarung mit Israel, nachdem sie vom Obersten Gerichtshof Israels für ungesetzlich erklärt wurde.
Ein Ton des Unglaubens durchzieht die Entscheidung des britischen Obersten Gerichtshofs. In der gesamten Urteilsbegründung taucht immer wieder das Wort „überraschend“ auf – ein Euphemismus, den Richter verwenden, wenn sie in Wahrheit „empörend“, „absurd“ oder „idiotisch“ meinen. Und man kann fast die erhobenen Augenbrauen der Richter angesichts der Argumentation der Innenministerin sehen, dass Ruandas „früheres und gegenwärtiges“ Verhalten irrelevant sei. Indem sie ihrem Urteil keinerlei Caveats hinzufügten, haben die Richter ihre Verachtung für diese Argumentation unmissverständlich signalisiert. Es gibt in dem Urteil keinerlei Andeutung darauf, dass die Maßnahmen durch konkretere, rechtsverbindliche Zusagen Ruandas rechtskonform gemacht werden könnten.
Das vernichtende Urteil der Richter ist ein passender Schlussakkord zu Suella Bravermans Amtszeit als Innenministerin. Am Tag vor der Entscheidung wurde sie entlassen, angeblich, weil sie der Polizei vorgeworfen hatte, zu nachsichtig gegenüber pro-palästinensischen Demonstranten zu sein. Die völlige juristische Schlappe bei ihrem Vorzeigeprojekt (das nachzuahmen sie andere Länder zu überreden versucht hatte) ist eine weitere Bestätigung ihrer Inkompetenz – und ein passender Abschluss ihrer gescheiterten Amtszeit.
Aus dem Englischen von Jan Doolan