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Die Anklage gegen Trump ist ein Hoffnungsschimmer für die Demokratie

STANFORD – Viele US-Verbündete betrachten schon länger voller Sorge die zunehmende Dysfunktionalität der amerikanischen Demokratie. Jetzt, wo eine Grand Jury in New York die Anklage gegen Ex-Präsident Donald Trump aufgrund von Schweigegeldzahlungen an den Pornostar Stormy Daniels zugelassen hat, können sie womöglich aufatmen.

In einem anderen (etwas weniger historischen) Sieg des Rechtsstaats hat ein Gericht in Washington, D.C. die Auslieferung des früheren peruanischen Präsidenten Alejandro Toledo bestätigt, der vor vier Jahren verhaftet worden war und wegen Geldwäsche und Bestechlichkeit im Zusammenhang mit dem brasilianischen Baukonzern Odebrecht vor Gericht gestellt werden soll. Unabhängig von deren Ausgang dürfte die Einleitung dieser Verfahren gegen die beiden Ex-Präsidenten dazu beitragen, das Vertrauen in die Entschlossenheit der Vereinigten Staaten, die Demokratie im eigenen Land und im Ausland zu verteidigen, wiederherzustellen.

Zwar wurden bereits in befreundeten Demokratien wie Frankreich, Taiwan und Südkorea ehemalige Staatschefs angeklagt und sogar verurteilt. Trotzdem markiert die Anklage gegen Trump – die erste gegen eine früheren oder amtierenden US-Präsidenten – einen Wendepunkt. Obwohl die Anklageschrift noch nicht verlesen wurde und die Details der vom New Yorker Oberstaatsanwalt Alvin L. Bragg erhobenen Vorwürfe noch nicht bekannt sind, würde kein Staatsanwalt und keine Grand Jury Anklage gegen einen früheren Präsident erheben, wenn ihm nicht eine schwere Straftat zur Last gelegt wird.

Manche Beobachter, und insbesondere Trump und seine Unterstützer, haben versucht, die Bedeutung des Falls herunterzuspielen („billige kleine Eskapaden, die zu billigen kleinen Vergehen führen“). Doch damit liegen sie falsch. Trump werden höchstwahrscheinlich Verstöße gegen die Regeln zur Wahlkampffinanzierung und/oder andere Formen des Betrugs vorgeworfen. Also ähnliche Verstöße wie seinem langjährigen „Ausräumer“ und Anwalt Michael Cohen, der sich im August 2018 schuldig bekannt hatte, die Zahlungen an Daniels arrangiert zu haben, und zu drei Jahren Haft verurteilt worden war (von denen er den Großteil im Hausarrest verbüßte). Da die Klage vom Bundesstaat New York erhoben wird, kann Trump auch nicht darauf hoffen, dass ihn ein künftiger Präsident begnadigt oder er sich gar selbst begnadigen kann, sollte er je nochmals Präsident werden. Und dass im Verlauf des Verfahrens zumindest eine weitere rechtswidrige Zahlung ans Licht kommen dürfte, dieses Mal an das frühere Playmate Karen McDougal, wird Trump vermutlich kaum dabei helfen, die Stimmen der weiblichen Wählerschaft zurückzugewinnen, bei der er 2020 um 15 Prozentpunkte zurücklag.

Genau wie die USA versucht auch Peru, führende politische Persönlichkeiten zur Rechenschaft zu ziehen. In derselben Woche, in der Trump angeklagt und die Auslieferung Toledos bestätigt wurde, teilte die peruanische Staatsanwaltschaft mit, dass sie Untersuchungen gegen Amtsinhaberin Dina Boluarte und den früheren Präsidenten Pedro Castillo eingeleitet hat, ebenfalls wegen mutmaßlicher Verstöße gegen die Regeln zur Wahlkampffinanzierung vor der Präsidentschaftswahl im Jahr 2021. Alle sechs seit 1990 gewählten peruanischen Präsidenten sitzen in Haft, waren in Haft oder wurden per Haftbefehl gesucht.

Bevor seine Auslieferung bestätigt wurde, hatten viele Peruaner fälschlicherweise angenommen, die USA würden Toledo schützen, der vor seiner Amtszeit an der Standford University (seiner Alma Mater) geforscht und sorgfältig ein Image als Musterdemokrat kultiviert hatte. (Stanford hat sich inzwischen von Toledo distanziert, wobei einzelne Professoren ihn natürlich weiterhin nach Belieben unterstützen dürfen). Auch viele Amerikaner waren überzeugt, Trump werde nie angeklagt, und glauben auch nicht, dass weitere Anklageschriften in Arbeit sind.

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In beiden Fälle geht es im Kern um Gleichheit vor dem Gesetz. Hintergrund, Persönlichkeit und Parteizugehörigkeit des aggressiven Trumps und des eher versöhnlichen Toledos könnten unterschiedlicher nicht sein. Dennoch haben sie beide ähnliche Taktiken entwickelt, um dem Gesetz zu entkommen. Beide inszenieren sich als Opfer einer politisch motivierten „Hexenjagd“ und behaupten, das Justizsystem würde als „Waffe“ gegen sie missbraucht. Trumpanhänger sehen in der Anklage gegen ihn die Beweis, dass die USA zur „Bananenrepublik“ verkommen sind, und Toledo behauptet, Peru können heute nicht mehr als demokratisches System bezeichnet werden.

Und beide demonstrieren in ihren Versuchen, einen Auftritt vor Gericht zu umgehen, atemberaubende Chuzpe. So hatte Toledo behauptet, seine mutmaßlich illegalen Mittel stammten aus Entschädigungszahlungen, die ihm von einem angeheirateten jüdischen Verwandten überlassen wurden, der den Holocaust überlebt hatte (diese Behauptung hält er anscheinend nicht mehr aufrecht). Und in einem Betrugsverfahren, das ein anderer New Yorker Staatsanwalt gegen Trump und sein Unternehmen führt, haben Trumps Anwälte kürzlich bei Gericht eine Verschiebung des für Oktober angesetzten Verfahrens beantragt, weil sie mehr Zeit bräuchten, um die umfangreichen Beweismittel zu sichten (ihr Antrag wurde abgelehnt).

Hier jedoch enden die Ähnlichkeiten. Toledo galt einmal als Kämpfer für die peruanische Demokratie und dass er heute in Ungnade gefallen ist, empfinden viele als schmerzlich. Trump dagegen war schon immer extrem gefährlich. Inzwischen ist aus dem bloßen Bewunderer von Autokraten ein offen faschistischer Kandidat für die Präsidentschaftswahl 2024 geworden. Damit stellt Trump eine klare und akute Gefahr für die weltweite Demokratie dar. Obwohl er sich einer extremistischen Rhetorik bedient und zu politischer Gewalt aufruft, konzentrieren sich viele seiner Gegner immer noch zu sehr auf seinen Stil und zu wenig auf den Inhalt seiner Botschaften. Dies verleitet sie dazu, ihn wie einen plumpen Betrüger oder ignoranten Clown zu behandeln.

Nach faschistischer Logik müssen schreckliche Feinde dahinterstecken, wenn die Macht ihres Anführers bedroht ist. Die Anklage gegen Trump wird vermutlich mit noch mehr Lügen und irren Drohungen beantwortet werden. Trump hat bereits mit seiner Unfehlbarkeit geprahlt und sich probate Klassiker der faschistischen Rhetorik zu eigen gemacht. Er hat seine Kritiker als „Staatsfeinde“ geschmäht, antisemitische Codes (mit der falschen Behauptung Bragg sei „von George Soros persönlich ausgewählt und finanziert“) und blanken Rassismus (Trump nannte Bragg, Manhattans ersten schwarzen Staatsanwalt, „ein Tier“) eingesetzt und seine Gegner als „krank“ bezeichnet.

Die amerikanische Demokratie ist durch selbst gezogene Terroristen, Verschwörungstheorien und die Sprache des Hasses in ernster Gefahr. Die republikanische Partei wendet sich immer deutlicher einem weißen christlichen Nationalismus zu und einer von fünf Republikanern und 13 Prozent aller Demokraten glauben, politische Gewalt sei „dieser Tage“ gerechtfertigt. Die Anklage gegen Trump wird womöglich als ein Wendepunkt in die Geschichte eingehen. Schließlich zeigen die juristischen Probleme der früheren Präsidenten in Peru und den Vereinigten Staaten, dass es auch die Fähigkeit ist, den Rechtsstaat zu verteidigen und die Mächtigen zu Verantwortung zu ziehen, die Demokratien von Autokratien unterscheidet.

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