NEW HAVEN ‑ Es ist nahezu unmöglich, den Ausgang eines Zufallsexperiments vorherzusagen. Doch genau diese Aufgabe steht uns bevor, wenn wir versuchen, der neuen Ära von Donald Trump einen Sinn zu geben.
Die einzige Beobachtung, die ich in diesen ersten Tagen zu machen wage, ist, dass Trump 2.0 dort anfängt, wo Trump 1.0 aufgehört hat: mit Verzerrungen, verwirrender Logik und dem damit verbundenen Risiko großer politischer Fehler. Das ist zwar keine brillante Vorhersage, bietet aber einen guten Eindruck davon, womit wir es zu tun haben.
Ich könnte mir jede Maßnahme herauspicken, die Trump an seinem ersten Tag nach seiner Rückkehr ergriffen hat, aber sein Memorandum über eine „America-First“-Handelspolitik ist mir als Ökonom besonders aufgefallen. Dieses Memorandum berührt die Themen, über die ich seit Jahren schreibe: Handelsdefizite, unfaire Handelspraktiken, Währungsanpassungen und natürlich Zölle, und hat zudem entscheidende Auswirkungen auf die Wirtschaftsaussichten der USA und der Welt.
Anstatt diese kontroversen Themen erneut aufzuwärmen, möchte ich mich lieber auf Abschnitt 2(b) dieses Memorandums konzentrieren: Trumps Vorschlag, einen „External Revenue Service“ (ERS) einzurichten. Der ERS, der schlauerweise als Pendant zum Internal Revenue Service, Amerikas Steuerbehörde, bezeichnet wird, soll angeblich als Sammelstelle für die hohen Zolleinnahmen dienen, die Trump nach eigenen Angaben von ausländischen Handelspartnern der USA eintreiben und zur Finanzierung seiner ehrgeizigen MAGA-Agenda verwenden will. Die Idee ist mehr als haarsträubend.
Zunächst einmal widerspricht sie der landläufigen Meinung über die Definition von Zöllen und den daraus resultierenden Einnahmen. Zölle sind Steuern auf ausländische Waren, die in den USA verkauft werden. Erhoben werden diese von den Importeuren am Eingangshafen. Ja, die Zolleinnahmen sind unter Trump 1.0 stark gestiegen. Die US-Zoll- und Grenzschutzbehörde hat seit Trumps erster Zollerhöhung im Jahr 2018 durchschnittlich 79 Mrd. US-Dollar pro Jahr an Zöllen eingenommen, mehr als doppelt so viel wie die 37 Mrd. US-Dollar an Zöllen, die zwischen 2013 und 2017 eingenommen wurden. Allerdings machten die Zölle in den letzten sieben Jahren nur 1,8 Prozent der gesamten Bundeseinnahmen aus.
Das Haushaltsbüro des Kongresses schätzt, dass sich die kumulierten Zolleinnahmen in den nächsten zehn Jahren auf 872 Mrd. US-Dollar belaufen werden, was etwa einem Prozent der Bundeseinnahmen in diesem Zeitraum entspricht. Wenn Trump damit die Kassen des ERS füllen will, hat er einen entscheidenden Aspekt übersehen: Zölle werden von amerikanischen Importeuren erhoben, nicht von ausländischen Produzenten.
At a time of escalating global turmoil, there is an urgent need for incisive, informed analysis of the issues and questions driving the news – just what PS has always provided.
Subscribe to Digital or Digital Plus now to secure your discount.
Subscribe Now
Die Frage der Finanzierung des ERS berührt natürlich die lange und kontroverse Debatte über die möglichen Auswirkungen von Zöllen. Tragen die Importeure die damit verbundenen Kosten und schmälern damit ihre Gewinnmargen? Oder geben sie die Kosten in Form höherer Preise an die US-Verbraucher weiter? Oder drängen die Importeure ihre ausländischen Lieferanten zurück und zwingen sie, ihre Margen zu senken, um ihren Marktanteil in den USA zu halten? Oder ist es ‑ was wahrscheinlicher ist ‑ eine Kombination all dieser Faktoren?
Unabhängig davon, wie diese Fragen beantwortet werden, bleibt das grundlegende Problem bestehen: Zölle werden von US-Unternehmen erhoben, die ausländische Waren importieren. Das US-Finanzministerium hat keine rechtliche Befugnis, Zölle direkt von im Ausland ansässigen Unternehmen zu erheben. Der Wharton-Absolvent Trump hat diesen offensichtlichen, aber entscheidenden Faktor wiederholt ignoriert.
Trumps Zollstrategie hat noch einen weiteren Haken: Das Bellen könnte furchterregender sein als das Beißen. Die bloße Androhung von Abgaben könnte Amerikas Handelspartner zu politischen Zugeständnissen bewegen. Trump war diesbezüglich eindeutig und hat beispielsweise Kanada und Mexiko gedroht, ab dem 1. Februar Zölle in Höhe von 25 % auf alle Produkte zu erheben, sollten sie den Zustrom von Fentanyl und Einwanderern in die USA nicht eindämmen.
Trump hat ähnliche Drohungen gegen China ausgesprochen, um ein hartes Durchgreifen bei der Ausfuhr von Fentanyl-Vorprodukten und eine Einigung über TikTok zu erreichen. Ja, die von ihm angedrohten Zölle in Höhe von 10 % auf chinesische Waren sind nichts weiter als ein Wimmern im Vergleich zu den 60 % Zöllen, die er während seines Wahlkampfes angekündigt hatte. Aber diese scheinbar kleine Erhöhung kommt zu dem starken Anstieg des effektiven Zollsatzes hinzu, mit dem China seit 2018 konfrontiert ist. Unabhängig davon, ob die Zölle als Teil einer umfassenderen Strategie zur Abschottung gegen ausländische Wettbewerber eingesetzt werden, bleibt die Finanzierungsquelle des vorgeschlagenen ERS die gleiche: die US-Importeure.
Der ERS-Vorschlag ist nur ein Teil eines umfassenden Memorandums, das von Handelsdefiziten und Währungsmanipulation bis hin zu Technologietransfer und unfairen Handelspraktiken (wie Subventionen und diskriminierende extraterritoriale Steuern) reicht. Das Memorandum stellt die Einhaltung bestehender Handelsabkommen in Frage, etwa das zwischen den USA, Mexiko und Kanada, und befasst sich mit einigen der umstrittensten Themen in den Beziehungen zu China, darunter das im Jahr 2020 unterzeichnete „Phase 1“-Abkommen, den Status Chinas als dauerhafte normale Handelsbeziehung sowie Vorwürfe des Diebstahls geistigen Eigentums und Risiken in der Lieferkette.
In vielerlei Hinsicht ähnelt das Memorandum den umfassenden Anweisungen, die Trump 2017 seinem ersten Handelsbeauftragten Robert Lighthizer erteilte und die den Weg für den Zollkrieg mit China ebneten, den Trump im darauffolgenden Jahr begann. Während amerikanische und chinesische Medien suggerieren, dass ein auf Deals fokussierter Trump den umstrittenen Zollplan, für den er in den Wahlkampf geworben hatte, abschwächen würde, bin ich anderer Meinung. Seine erste Woche im Amt erinnert auf unheimliche Weise an die ersten Tage von Trump 1.0, die an der Handelsfront nicht gerade mit Frieden und Ruhe endeten.
Trumps Regierungsstil, insbesondere seine verstörende Selbstdarstellung, ist ein Beispiel für eine gefährliche Personalisierung der amerikanischen Politik. Von der pauschalen Begnadigung der Aufständischen vom 6. Januar über den Rückzug aus dem Pariser Klimaabkommen und der Weltgesundheitsorganisation bis hin zur Abschaffung des Geburtsrechts auf Staatsbürgerschaft: Trumps performative Schockmethode ist eine Marketingstrategie für seine Marke und nicht das Ergebnis gründlicher Überlegungen und Beratungen.
Dies galt für die US-Handelspolitik während der ersten Amtszeit Trumps und wird wahrscheinlich auch für die US-Handelspolitik unter Trump 2.0 gelten. Der ERS-Finanzierungsbetrug ist ein typisches Beispiel dafür. Aber Trumps Unberechenbarkeit ist auch ein wesentlicher Teil seines Markenzeichens und macht es unmöglich zu wissen, wann auf ein Bellen ein Biss folgt. Wie er den Proud Boys (die später eine führende Rolle bei der Inszenierung des gewalttätigen Aufstands vor dem US-Kapitol im Jahr 2021 spielten) befahl: „Bleibt zurück und haltet euch bereit“.
To have unlimited access to our content including in-depth commentaries, book reviews, exclusive interviews, PS OnPoint and PS The Big Picture, please subscribe
US President Donald Trump’s import tariffs have triggered a wave of retaliatory measures, setting off a trade war with key partners and raising fears of a global downturn. But while Trump’s protectionism and erratic policy shifts could have far-reaching implications, the greatest victim is likely to be the United States itself.
warns that the new administration’s protectionism resembles the strategy many developing countries once tried.
It took a pandemic and the threat of war to get Germany to dispense with the two taboos – against debt and monetary financing of budgets – that have strangled its governments for decades. Now, it must join the rest of Europe in offering a positive vision of self-sufficiency and an “anti-fascist economic policy.”
welcomes the apparent departure from two policy taboos that have strangled the country's investment.
NEW HAVEN ‑ Es ist nahezu unmöglich, den Ausgang eines Zufallsexperiments vorherzusagen. Doch genau diese Aufgabe steht uns bevor, wenn wir versuchen, der neuen Ära von Donald Trump einen Sinn zu geben.
Die einzige Beobachtung, die ich in diesen ersten Tagen zu machen wage, ist, dass Trump 2.0 dort anfängt, wo Trump 1.0 aufgehört hat: mit Verzerrungen, verwirrender Logik und dem damit verbundenen Risiko großer politischer Fehler. Das ist zwar keine brillante Vorhersage, bietet aber einen guten Eindruck davon, womit wir es zu tun haben.
Ich könnte mir jede Maßnahme herauspicken, die Trump an seinem ersten Tag nach seiner Rückkehr ergriffen hat, aber sein Memorandum über eine „America-First“-Handelspolitik ist mir als Ökonom besonders aufgefallen. Dieses Memorandum berührt die Themen, über die ich seit Jahren schreibe: Handelsdefizite, unfaire Handelspraktiken, Währungsanpassungen und natürlich Zölle, und hat zudem entscheidende Auswirkungen auf die Wirtschaftsaussichten der USA und der Welt.
Anstatt diese kontroversen Themen erneut aufzuwärmen, möchte ich mich lieber auf Abschnitt 2(b) dieses Memorandums konzentrieren: Trumps Vorschlag, einen „External Revenue Service“ (ERS) einzurichten. Der ERS, der schlauerweise als Pendant zum Internal Revenue Service, Amerikas Steuerbehörde, bezeichnet wird, soll angeblich als Sammelstelle für die hohen Zolleinnahmen dienen, die Trump nach eigenen Angaben von ausländischen Handelspartnern der USA eintreiben und zur Finanzierung seiner ehrgeizigen MAGA-Agenda verwenden will. Die Idee ist mehr als haarsträubend.
Zunächst einmal widerspricht sie der landläufigen Meinung über die Definition von Zöllen und den daraus resultierenden Einnahmen. Zölle sind Steuern auf ausländische Waren, die in den USA verkauft werden. Erhoben werden diese von den Importeuren am Eingangshafen. Ja, die Zolleinnahmen sind unter Trump 1.0 stark gestiegen. Die US-Zoll- und Grenzschutzbehörde hat seit Trumps erster Zollerhöhung im Jahr 2018 durchschnittlich 79 Mrd. US-Dollar pro Jahr an Zöllen eingenommen, mehr als doppelt so viel wie die 37 Mrd. US-Dollar an Zöllen, die zwischen 2013 und 2017 eingenommen wurden. Allerdings machten die Zölle in den letzten sieben Jahren nur 1,8 Prozent der gesamten Bundeseinnahmen aus.
Das Haushaltsbüro des Kongresses schätzt, dass sich die kumulierten Zolleinnahmen in den nächsten zehn Jahren auf 872 Mrd. US-Dollar belaufen werden, was etwa einem Prozent der Bundeseinnahmen in diesem Zeitraum entspricht. Wenn Trump damit die Kassen des ERS füllen will, hat er einen entscheidenden Aspekt übersehen: Zölle werden von amerikanischen Importeuren erhoben, nicht von ausländischen Produzenten.
Winter Sale: Save 40% on a new PS subscription
At a time of escalating global turmoil, there is an urgent need for incisive, informed analysis of the issues and questions driving the news – just what PS has always provided.
Subscribe to Digital or Digital Plus now to secure your discount.
Subscribe Now
Die Frage der Finanzierung des ERS berührt natürlich die lange und kontroverse Debatte über die möglichen Auswirkungen von Zöllen. Tragen die Importeure die damit verbundenen Kosten und schmälern damit ihre Gewinnmargen? Oder geben sie die Kosten in Form höherer Preise an die US-Verbraucher weiter? Oder drängen die Importeure ihre ausländischen Lieferanten zurück und zwingen sie, ihre Margen zu senken, um ihren Marktanteil in den USA zu halten? Oder ist es ‑ was wahrscheinlicher ist ‑ eine Kombination all dieser Faktoren?
Unabhängig davon, wie diese Fragen beantwortet werden, bleibt das grundlegende Problem bestehen: Zölle werden von US-Unternehmen erhoben, die ausländische Waren importieren. Das US-Finanzministerium hat keine rechtliche Befugnis, Zölle direkt von im Ausland ansässigen Unternehmen zu erheben. Der Wharton-Absolvent Trump hat diesen offensichtlichen, aber entscheidenden Faktor wiederholt ignoriert.
Trumps Zollstrategie hat noch einen weiteren Haken: Das Bellen könnte furchterregender sein als das Beißen. Die bloße Androhung von Abgaben könnte Amerikas Handelspartner zu politischen Zugeständnissen bewegen. Trump war diesbezüglich eindeutig und hat beispielsweise Kanada und Mexiko gedroht, ab dem 1. Februar Zölle in Höhe von 25 % auf alle Produkte zu erheben, sollten sie den Zustrom von Fentanyl und Einwanderern in die USA nicht eindämmen.
Trump hat ähnliche Drohungen gegen China ausgesprochen, um ein hartes Durchgreifen bei der Ausfuhr von Fentanyl-Vorprodukten und eine Einigung über TikTok zu erreichen. Ja, die von ihm angedrohten Zölle in Höhe von 10 % auf chinesische Waren sind nichts weiter als ein Wimmern im Vergleich zu den 60 % Zöllen, die er während seines Wahlkampfes angekündigt hatte. Aber diese scheinbar kleine Erhöhung kommt zu dem starken Anstieg des effektiven Zollsatzes hinzu, mit dem China seit 2018 konfrontiert ist. Unabhängig davon, ob die Zölle als Teil einer umfassenderen Strategie zur Abschottung gegen ausländische Wettbewerber eingesetzt werden, bleibt die Finanzierungsquelle des vorgeschlagenen ERS die gleiche: die US-Importeure.
Der ERS-Vorschlag ist nur ein Teil eines umfassenden Memorandums, das von Handelsdefiziten und Währungsmanipulation bis hin zu Technologietransfer und unfairen Handelspraktiken (wie Subventionen und diskriminierende extraterritoriale Steuern) reicht. Das Memorandum stellt die Einhaltung bestehender Handelsabkommen in Frage, etwa das zwischen den USA, Mexiko und Kanada, und befasst sich mit einigen der umstrittensten Themen in den Beziehungen zu China, darunter das im Jahr 2020 unterzeichnete „Phase 1“-Abkommen, den Status Chinas als dauerhafte normale Handelsbeziehung sowie Vorwürfe des Diebstahls geistigen Eigentums und Risiken in der Lieferkette.
In vielerlei Hinsicht ähnelt das Memorandum den umfassenden Anweisungen, die Trump 2017 seinem ersten Handelsbeauftragten Robert Lighthizer erteilte und die den Weg für den Zollkrieg mit China ebneten, den Trump im darauffolgenden Jahr begann. Während amerikanische und chinesische Medien suggerieren, dass ein auf Deals fokussierter Trump den umstrittenen Zollplan, für den er in den Wahlkampf geworben hatte, abschwächen würde, bin ich anderer Meinung. Seine erste Woche im Amt erinnert auf unheimliche Weise an die ersten Tage von Trump 1.0, die an der Handelsfront nicht gerade mit Frieden und Ruhe endeten.
Trumps Regierungsstil, insbesondere seine verstörende Selbstdarstellung, ist ein Beispiel für eine gefährliche Personalisierung der amerikanischen Politik. Von der pauschalen Begnadigung der Aufständischen vom 6. Januar über den Rückzug aus dem Pariser Klimaabkommen und der Weltgesundheitsorganisation bis hin zur Abschaffung des Geburtsrechts auf Staatsbürgerschaft: Trumps performative Schockmethode ist eine Marketingstrategie für seine Marke und nicht das Ergebnis gründlicher Überlegungen und Beratungen.
Dies galt für die US-Handelspolitik während der ersten Amtszeit Trumps und wird wahrscheinlich auch für die US-Handelspolitik unter Trump 2.0 gelten. Der ERS-Finanzierungsbetrug ist ein typisches Beispiel dafür. Aber Trumps Unberechenbarkeit ist auch ein wesentlicher Teil seines Markenzeichens und macht es unmöglich zu wissen, wann auf ein Bellen ein Biss folgt. Wie er den Proud Boys (die später eine führende Rolle bei der Inszenierung des gewalttätigen Aufstands vor dem US-Kapitol im Jahr 2021 spielten) befahl: „Bleibt zurück und haltet euch bereit“.
Deutsch von Andreas Hubig