Die Ozonmafia

Nun, da das Kyoto-Protokoll ratifiziert ist und sogar von Russland mit Verspätung unterschrieben wurde, zeichnet sich eine Bedrohung für einen früheren Meilenstein des internationalen Umweltschutzes ab – für das Wiener Übereinkommen und das Montreal-Protokoll zum Schutz der Ozonschicht in der Stratosphäre. Die Bedrohung hat einen merkwürdigen Ursprung: das organisierte Verbrechen.

Dafür gibt es einen einfachen Grund. Um die Ozonschicht in der Stratosphäre zu schützen, wurde in internationalen Abkommen vereinbart, den Gebrauch und Handel mit Ozon zerstörenden Chemikalien, die als Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) bezeichnet werden, zu verbieten. Um diese Chemikalien durch andere, weniger schädliche zu ersetzen, müssen die Geräte, in denen sie eingesetzt werden, z. B. Kühltruhen, Kühler und Einheiten für die Schaumstoffproduktion, gegen neue ausgetauscht werden.

Doch ist es viel billiger, wenn auch verboten, die alten Geräte zu benutzen und sie bei Bedarf wieder mit FCKW aufzufüllen, als neue Maschinen zu kaufen und die umweltfreundlicheren, aber teureren Alternativen zu verwenden. Wie bei jedem Verbot wurde so ein Markt geschaffen – und damit eine Geschäftsmöglichkeit für gut organisierte und in Bezug auf die Umwelt rücksichtslose Kriminelle.

Das organisierte Verbrechen ist stets auf der Suche nach solchen Möglichkeiten und wird immer wieder fündig. Daher überrascht es nicht, dass sich der Schmuggel mit FCKW oder Freon nahezu unbeachtet entwickelt hat und nun möglicherweise das Wiener Übereinkommen und das Montreal-Protokoll gefährdet.

Diese Abkommen werden als große Erfolge gefeiert, und die veröffentlichten Jahresberichte mit der Zusammenfassung der offiziellen Statistik zeigen, dass die Verwendung von FCKW weiter rückläufig ist. Der Chlorgehalt (bedingt durch den FCKW-Zerfall) in der Stratosphäre ist zurückgegangen, und vor zwei Jahren war das Ozonloch über der Antarktis so klein wie seit Jahrzehnten nicht mehr (und in zwei geteilt). Jedoch zeigen neue Berichte, dass die Ozonschicht über der Arktis dünner wird, zudem war das Ozonloch über der Antarktis im letzten Jahr so groß und tief wie eh und je.

Es gibt bisher noch keine Möglichkeit festzustellen, ob es sich dabei lediglich um Schwankungen in einem langsamen Erholungsprozess oder um eine Unterbrechung des positiven Trends handelt. Ist der Umfang des FCKW-Schwarzhandels so groß, dass er nun einen wirklich bedeutsamen Faktor darstellt? Genau wie bei illegalen Drogen ist es schwierig, das Ausmaß der Schmuggeloperationen einzuschätzen. Den nationalen Zollbehörden gingen in den letzten Jahren mehrere große Fische ins Netz, der größte in Japan. In den meisten Fällen wurden die verbotenen FCKWs als zugelassene HFCs (Fluorkohlenwasserstoffe) ausgewiesen, aber es wurden auch Etiketten wie „Sprühfarbe“ oder „Schmiermittel“ verwendet.

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Für den Transport wurden bei diesem Schwarzmarkthandel Schiffe und Flugzeuge verwendet. Die Ladungen, die von den Zollbehörden beschlagnahmt werden, stammen meistens aus freien Industriezonen, auch „Export Processing Zones“ genannt, in China, Vietnam, Thailand und Ägypten.

In den meisten Teilen der Welt achten die Zollbehörden nicht besonders auf FCKWs, und die Bestandteile sind ohne hoch entwickelte Analysegeräte nicht leicht von HFCs zu unterscheiden. Also kann man durchaus annehmen, dass der Anteil des geschmuggelten Gesamtvolumens, der entdeckt wird, kleiner ist als bei Rauschgift.

Oft werden komplizierte Transportrouten über Transitländer genommen. Eine dieser Routen, die wahrscheinlich von Bedeutung ist, führt von Europa (Spanien) über Singapur oder Dubai, durch Indien nach Nepal oder Bangladesch und wieder zurück auf den Markt nach Indien.

Einige Merkmale der Konventionen zum Schutz der Ozonschicht stellen legale Schlupflöcher dar. Eines davon ist, dass sich Industrie- und Entwicklungsländer bei der Abschaffung von FCKW mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten voranbewegen. Das bedeutet, dass das, was in einem Land verboten ist, in einem anderen zugelassen ist.

Ein weiteres Problem ist, dass es keine Einschränkungen für den Verkauf von Geräten gibt, die ausschließlich mit den verbotenen Substanzen betrieben werden können. Zum Beispiel können Kühltruhen, die auf FCKW angewiesen sind, problemlos aus Schweden, wo sie nicht mehr legal aufgefüllt werden dürfen, nach Ägypten exportiert werden, wo ein erneutes Auffüllen erlaubt ist. Es wird angenommen, dass die rapide Zunahme der Schaumstoffproduktion in Export Processing Zones durch den Aufkauf von FCKW-abhängigen Produktionseinheiten aus OECD-Ländern bedingt ist.

Stellen derartige Vorgänge nun eine wirkliche Bedrohung der Konventionen zum Schutz des Ozons in der Stratosphäre dar, oder handelt es sich bei ihnen „nur“ um einen Faktor, der die endgültige Abschaffung von FCKW um einige Jahre oder ein Jahrzehnt verzögert? Trifft Letzteres zu, ist das schlimm genug, aber die Antwort liegt nicht auf der Hand, und die gesamte Problematik des organisierten Verbrechens und illegalen Handels mit FCKW erfordert unsere Aufmerksamkeit. Die bereits viel beschäftigten Zollbeamten auf der ganzen Welt und die Kämpfer gegen das organisierte Verbrechen haben eine neue Schlacht auszufechten – diesmal für die Umwelt.

https://prosyn.org/9Cb2CLWde