riekeles_Thierry MonasseGetty Images_swiss eu Thierry Monasse/Getty Images

Die Schweiz riskiert den Schwexit

BRÜSSEL – Der unlängst erfolgte Rückzug der Schweizer Regierung aus den langjährigen Verhandlungen über ein Rahmenabkommen mit der Europäischen Union hat eine tiefe Krise in den bilateralen Beziehungen ausgelöst. Für die EU sind die Folgen überschaubar: Die wirtschaftlichen Beziehungen werden beschädigt, aber die Union wird weitermachen. Für die Schweiz könnten die Konsequenzen dramatischer sein. Da der künftige Zugang der Schweiz zum EU-Binnenmarkt gefährdet ist, könnte der Verhandlungsabbruch für die Schweizer ein Überdenken ihrer Beziehung zur EU erfordern, das ähnlich grundsätzlich ist wie im Vereinigten Königreich nach dem Brexit-Referendum 2016.

Die Schweiz ist kein EU-Mitgliedstaat, kommt dem aber in vielerlei Hinsicht sehr nahe. Durch rund 120 bilaterale Abkommen ist die Schweiz Mitglied des grenzfreien Schengenraums, ist in Bereichen wie Verkehr, Forschung und dem Erasmus-Studentenaustauschprogramm eng mit der EU verflochten und genießt in Sektoren von Finanzen bis hin zu Pharmazeutika vollen Zugang zum Binnenmarkt.

Alles in allem profitiert die Schweiz wahrscheinlich mehr vom Binnenmarkt als jedes andere europäische Land und zahlt wenig als Gegenleistung. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2019 ergab, dass der EU-Binnenmarkt das jährliche Pro-Kopf-Einkommen der Schweizer um 2.900 Euro pro Jahr erhöht – weit über dem EU-Durchschnitt in Höhe von 1.000 Euro –, während der entsprechende finanzielle Beitrag der Schweiz (wenn er denn gezahlt wird) die Schweizer faktisch weniger als 14 Euro pro Kopf und Jahr kostet.

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