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Merkels letzte Chance

BERLIN – Die Sitzung des Europäischen Rates in dieser Woche ist zu Recht als „Weltuntergangsgipfel“ bezeichnet worden. Sie wird nicht nur von einer grauenhaften Winterwelle von COVID-19-Infektionen und der Aussicht auf einen chaotischen Brexit ohne Austrittsabkommen überschattet, sondern auch von einer Machtprobe mit den Regierungen Ungarns und Polens, die mit ihrer Drohung, den Haushalt der Europäischen Union für die Jahre 2021-27 und den Wiederaufbaufonds mit ihrem Veto zu belegen, hunderte von Millionen Menschen in Geiselhaft genommen haben.

Ungarn und Polen versuchen, die Inkraftsetzung eines neuen „Rechtsstaatsmechanismus“ zu blockieren, der verhindern würde, dass EU-Gelder für korrupte Zwecke abzweigt werden – eine Praxis, für die das kleptokratische Regime des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán berüchtigt ist. Als längstamtierende Regierungschefin in der EU hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel eingeschaltet, um zu versuchen, einen Ausweg aus dieser Sackgasse zu finden, und „beide Seiten“ aufgefordert, „etwas Kompromissbereitschaft zu zeigen“.

Doch warum sollte die EU bei einem grundlegenden Wert wie der Rechtsstaatlichkeit (die im Vertrag von Lissabon verankert ist) Kompromisse eingehen? Und warum sollten die EU-Steuerzahler einwilligen, dass ihre schwer verdienten Euros in die Taschen autoritärer Politiker und ihrer Spießgesellen wandern? Statt darauf zu vertrauen, dass Merkel eine Einigung herbeiführen kann, sollten die Europäer sie daran erinnern, dass dies ihre letzte Chance ist, zu beweisen, dass ihr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit wirklich am Herzen liegen.

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