girls in school mena countries Mohammed Huwais/AFP/Getty Images

Die Geschlechterungleichheit bei der Ausbildung im Nahen Osten

FEZ – Wenn es um die Gleichheit zwischen den Geschlechtern geht, hinkt der Nahe Osten und Nordafrika (die MENA-Staaten) hinter dem größten Teil der restlichen Welt zurück. Dies untergräbt nicht nur die Aussichten von Frauen und Mädchen, sondern auch diejenigen ganzer Länder. Und in keinem Bereich ist diese Lage ernster als bei der Ausbildung.

In vielen MENA-Staaten leidet momentan die Ausbildung fast aller Menschen – aufgrund jahrzehntelanger Konflikte, Vertreibungen und wirtschaftlicher Schwierigkeiten. Im Südsudan beispielsweise gehen laut einer neuen Studie der Globalen Initiative über schullose Kinder mindestens 2,2 Millionen Kinder nicht zur Schule – was weltweit einer der höchsten prozentualen Anteile ist. Und in vielen Teilen der Region, insbesondere in ländlichen, vernachlässigten oder überbevölkerten Gegenden, erhalten sogar Kinder, die in die Schule gehen, keine hochwertige Ausbildung.

Aber es sind die Mädchen, die die Hauptlast des Problems tragen, da sie unter den schullosen Kindern die Mehrheit bilden. Angesichts der vielen sozialen und wirtschaftlichen Vorteile, die eine höhere Schulbildung für Mädchen bietet – wie schnelleres BIP-Wachstum, verringerte Armut, weniger Kinderheirat, geringere Fortpflanzungsraten und bessere Säuglingsgesundheit – ist es offensichtlich, dass die Geschlechterlücke bei der Ausbildung überbrückt werden muss.

Der erste Schritt besteht darin, herauszufinden, was hinter der Lücke steht. In einigen Ländern werden Mädchen einfach nicht dieselben Ausbildungsmöglichkeiten angeboten wie Jungen. Dieses Problem ist schwer zu lösen – nicht zuletzt deshalb, weil Frauen oft von der Entscheidungsfindung auf hoher Ebene ausgeschlossen sind. Aber auch wenn es keine offiziellen Hindernisse gibt, wird die Ausbildung von Mädchen durch viele Faktoren beeinträchtigt, die vom Statistischen Institut der UNESCO in zwei Kategorien aufgeteilt werden:

Zur ersten Gruppe gehören sozioökonomische Faktoren wie Armut oder Kinderheirat und kulturelle Faktoren (wie der Ausbildungsgrad der Eltern, regionale Einstellungen gegenüber der Ausbildung von Mädchen, die erwartete Rolle der Frau in der Gesellschaft oder religiöse Glaubenssätze). Die zweite Gruppe umfasst politische und institutionelle Faktoren wie die Ausbildungspolitik, die die Mittelvergabe bestimmt, die Qualität der Lehrpläne, Stereotypen in den Unterrichtsprogrammen und Lehrbüchern, die Entfernung vom Heimatort, angemessene Hygieneeinrichtungen, die Einstellungen und Arbeitsweisen von Lehren und die Sicherheit an den Schulen.

Aus den gleichen Gründen sind Mädchen, die eine Ausbildung bekommen, gegenüber den Jungen manchmal immer noch im Nachteil. Zum Beispiel könnte eine Familie einen Jungen an eine qualitativ hochwertigere Privatschule schicken, während ein Mädchen auf die nächstbeste öffentliche Schule geht, obwohl sie nicht so gut ist, da die Ausbildung eines Mädchens – an sich oder für die Zukunft der Familie – immer noch als weniger wichtig gilt.

Winter Sale: Save 40% on a new PS subscription
PS_Sales_Winter_1333x1000 AI

Winter Sale: Save 40% on a new PS subscription

At a time of escalating global turmoil, there is an urgent need for incisive, informed analysis of the issues and questions driving the news – just what PS has always provided.

Subscribe to Digital or Digital Plus now to secure your discount.

Subscribe Now

Dies macht die Vorhersage des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen, dass das Schulsystem in vielen MENA-Ländern zunehmend in öffentliche und private Schulen aufgespalten werden könnte, noch besorgniserregender. Eine solche Teilung, wie sie bereits in Marokko geschieht, fördert allgemein die Ungleichheit, da die reiche Minderheit Zugang zu sehr teuren Privatschulen hat, während der Rest seine Kinder auf geringerwertige staatliche Schulen schickt. Und darunter leiden die Mädchen wahrscheinlich am stärksten.

Natürlich gibt es nicht in allen MENA-Ländern eine breite Kluft im Ausbildungsbereich. In Bahrain beispielsweise ist die Mehrheit der obersten 10% der Absolventen weiterführender Schulen weiblich, und auch auf die Universität gehen mehr Frauen als Männer. Dies ist kein Zufall. Ebenso wie Jordanien und Tunesien hat sich auch Bahrain politisch und finanziell dazu verpflichtet, die Ausbildung im Land zu fördern, was zu bemerkenswerten Fortschritten gegen das Analphabetentum und die Geschlechterlücke führt.

Wollen andere MENA-Staaten diesem Beispiel folgen, müssen sie ähnliche politische Bemühungen starten und große rechtliche und politische Reformen durchführen, um einen gleichen Zugang zu allen Ebenen der Ausbildung zu gewährleisten. In vielen Ländern werden auch umfassendere Initiativen benötigt, um den Zugang gering verdienender Familien und der Landbevölkerung zu hochwertiger Ausbildung zu verbessern, obwohl auch diese ein besonderes Augenmerk auf Geschlechterungleichheit legen sollten.

Unterdessen werden Aufklärungskampagnen benötigt, um unter Entscheidungsträgern, Lehrern, Eltern, Studenten und der Öffentlichkeit das Bewusstsein für Geschlechterfragen zu schärfen und damit gegen tief verwurzelte diskriminierende Einstellungen anzukämpfen. Solche Kampagnen sollten auch auf die Lehrpläne der Schulen ausgeweitet werden, da die bestehenden Unterrichtsprogramme oft traditionelle Geschlechterrollen fortschreiben, die den Frauen die Möglichkeit verweigern, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.

Und schließlich können reichere Länder von inner- oder außerhalb der MENA-Region einspringen, um die Bemühungen ihrer ärmeren Mitstreiter zu unterstützen, die allgemeine Ausbildung zu verbessern und die Geschlechterlücke zu schließen. Entscheidend dabei wird sein, Rechenschaft über die Bemühungen abzulegen, indem Fortschritte dokumentiert werden und über die Programme berichtet wird.

Den Zugang zu Ausbildungsmöglichkeiten zu erweitern ist die lohnenswerteste Investition, die ein Land überhaupt tätigen kann. Für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung ihrer Länder, ganz zu schweigen vom Wohlergehen ihrer Frauen und Mädchen, müssen die MENA-Regierungen die Schließung der Geschlechterlücke ganz oben auf die Tagesordnung setzen.

Aus dem Englischen von Harald Eckhoff

https://prosyn.org/Qh9syXAde