rbleischwitz3_Alexis RosenfeldGetty Images_marine plastic pollution Alexis RosenfeldGetty Images

Die Verwaltung eines Meeres aus Plastik

BREMEN – Bilder der Plastikverschmutzung im Meer und an Stränden sind heute an der Tagesordnung, und das Problem wird sich wahrscheinlich noch verschlimmern. Letzte Woche berichtete der erste Global Plastics Outlook der OECD von einer dramatischen Zunahme des Kunststoffmülls, der in die Gewässersysteme geleitet wird. Dieser Bericht erschien nur einen Monat, nachdem der World Wildlife Fund for Nature eine Studie veröffentlicht hatte, die für die nächsten Jahrzehnte eine Verdopplung des Mikroplastiks in den Weltmeeren prognostiziert.

Obwohl es bei dem Versuch, das Plastik aus dem Meer oder den Flüssen zu entfernen, vielversprechende Innovationen gibt, sind diese Projekte hinsichtlich der Gesamtverschmutzung wohl kaum mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Selbst laut der optimistischsten Prognosen können mit diesen Technologien nur 5-10% des gesamten Plastiks aus dem Meer entfernt werden.

Über 1000 Organisationen, darunter Unternehmen und Regierungen, haben einen Plan für eine neue Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe unterschrieben. Aber diese Art freiwilliger Aktionen reicht nicht aus.

Das Problem erfordert eine neue Art globaler Verwaltung, um den gesamten Herstellungs- und Verbrauchszyklus fossiler Kunststoffe zu verändern. Das fünfte Treffen der Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UNEA-5) stellt ein einmaliges Forum dar, um die Plastikverschmutzung im Meer durch rechtlich bindende Maßnahmen rückgängig zu machen.

Die internationale Gemeinschaft hat ihre Fähigkeit, schwere Umweltprobleme zu lösen, bereits unter Beweis gestellt. Mit dem wegweisenden Montreal-Protokoll über die Ozonschicht schädigende Substanzen von 1987 wurde es möglich, in nur wenigen Jahren die Verwendung von Fluorchlorkohlenwasserstoffen völlig zu beenden. Ein internationales Abkommen über die Plastikverschmutzung würde einen ähnlichen Wandel der gesellschaftlichen Prioritäten erfordern, der auf Kenntnissen über die Meere und einer neuen Vision für die blaue Wirtschaft beruht.

Eine effektive internationale Vereinbarung in diesem Bereich muss alle Aspekte der Kunststoffproduktion einbeziehen – von der Herstellung bis hin zur Entsorgung. Außerdem sollte sie die Regierungen, den privaten Sektor und die Öffentlichkeit beteiligen. Im Detail betrachtet muss ein neues Abkommen die folgenden sechs Themen berücksichtigen:

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Erstens muss die Verwendung von Kunststoffen an allen Stellen der Angebotskette verringert werden. Lebensmittelverpackungen, insbesondere Mitnehmboxen, sind eine große Quelle der Meeresverschmutzung. Um sie zu beseitigen, brauchen wir politische Unterstützung und Finanzierung für die Entwicklung neuartiger biologisch abbaubarer Lebensmittelcontainer und stärkere Anreize für wiederverwendbare Verpackungen.

Zweitens muss ein neues Abkommen das Wachstum der blauen Wirtschaft fördern. Die Regierungen sollten Programme ins Leben rufen, um nachhaltigen, meeresfreundlichen Tourismus, Fischfang, erneuerbare Energien und andere Projekte zu unterstützen. Außerdem müssen sie in die Infrastruktur der städtischen Müll- und Abwasserbehandlung investieren, zu der auch Recycling gehört.

Drittens sollten die Auswirkungen von Plastikmüll auf die Meeresumwelt regelmäßig überprüft und abgemildert werden. Die nächste Weltkorallenriffkonferenz in Bremen bietet die Möglichkeit zu untersuchen, wie Mikro- und Nanoplastik diese schönen und wertvollen Ökosysteme beeinträchtigen. Forschungen deuten zwar darauf hin, dass Korallen eine gewisse Resilienz gegen Plastikverschmutzung aufweisen, aber sie leiden auch unter vielen anderen Bedrohungen, darunter ozeanische Hitzewellen, Veränderungen im Sauerstoffgehalt und ultraviolette Strahlung.

Wir brauchen systematischere und regelmäßigere Untersuchungen, um die langfristigen Folgen dieser Gefahren für Korallen und andere Meereslebewesen verstehen zu können. Erfahrungen aus der Klimapolitik legen nahe, dass wir eine dynamischere Struktur als den Weltklimarat IPCC brauchen, um bessere Lösungsstrategien zu finden. Eine Möglichkeit besteht in regelmäßigen ozeanischen Untersuchungen, die die Erkenntnisse zu wichtigen Themen zusammenfassen und relevante Akteure einbeziehen.

Dies führt uns zum vierten Beitrag, den ein neues Abkommen über die maritime Plastikverschmutzung leisten muss: eine Einigung über die rechtlichen Prinzipien nachhaltiger Verwaltung der Ozeane. Plastikmüll stammt aus einer Vielzahl von Quellen, und deshalb ist es entscheidend, dass dafür Verantwortung übernommen wird: Verpackungshersteller, Lebensmittelhändler, Lieferdienste, Transportfirmen, Tourismusunternehmen und andere müssen sich an der Diskussion über solche Prinzipien beteiligen. Bereits heute veröffentlichen die Unternehmen im Rahmen der Berichterstattung zu Umwelt-, Sozial- und Verwaltungsthemen wichtige Emissionsdaten. Dies sollte durch vergleichbare Zahlen zum Plastikmüll ergänzt werden.

Fünftens müssen die Systeme der Abfallbehandlung und Kreislaufwirtschaft verbessert werden, insbesondere in wichtigen Ländern wie Indonesien oder China. Zu den politischen Möglichkeiten gehören eine Ausweitung der Verantwortlichkeit der Hersteller, Deponiesteuern, Pfandsysteme und Abgaben zur Wiederverwertung. Außerdem müssen die Küstenstaaten bei ihrer Bekämpfung des Plastikmülls unterstützt werden. Neue Maßnahmen könnten Finanzierungsprogramme für innovative lokale Unternehmen und Möglichkeiten zur Wiederverwendung von Kunststoffen ins Leben rufen, darunter auch Müllverbrennungsanlagen mit Energierückgewinnung.

Und schließlich müssen rechtliche Prinzipien zur Verwaltung der Ozeane – als Teil des gemeinsamen Erbes der Menschheit – entwickelt werden, die über den momentanen Umfang der UN-Seerechtskonvention hinausgehen. Mit diesen Prinzipien könnte das Meer von einer Müllkippe in eine Quelle weitweiten Wohlstands verwandelt werden. Dazu müssen Regierungen und Unternehmen zusammenarbeiten, um zielorientierte Maßnahmen und Pläne für plastikfreie Ozeane zu entwerfen.

Unterdessen muss der private Sektor eine führende Rolle dabei übernehmen, nicht nachhaltige Muster der Plastikmüllproduktion zu verändern und Innovationen zu fördern, die die Verwendung von Kunststoffen ersetzen oder verringern können. Um diese Bemühungen zu beschleunigen, sollte auch die Bewusstheit der Verbraucher gesteigert werden – durch Maßnahmen wie „Reflectories“ oder Unterrichtseinheiten über die Plastikverschmutzung der Meere.

Mit einem internationalen Abkommen über die Meeresverschmutzung durch Plastik auf der Grundlage ozeanischer Kenntnisse, unternehmerischen Wandels und gemeinsamer rechtlicher Prinzipien könnten wir den vielfältigen Nutzen anerkennen, den das Meer uns bietet. Dies wäre ein entscheidender Schritt hin zu einem Blauen New Deal, der Gleichberechtigung, Demokratie und Gerechtigkeit in den Vordergrund stellt.

Aus dem Englischen von Harald Eckhoff

https://prosyn.org/Z5TqSHwde