cda67f0346f86f900c795f0c_m4688c.jpg Barrie Maguire

Die China AG wird global

NEW YORK – Die chinesische Wirtschaft macht momentan den nächsten großen Sprung nach vorn: Teile des produzierenden Gewerbes steigen in der Wertschöpfungskette auf und werden außer Landes verlagert.  Die chinesische Herausforderung nimmt nun globale Züge an.

Die Gründe dafür sind leicht zu sehen: Die Produktionskosten (für Löhne, Büromieten, Land, Kapital etc.) in Chinas Küstenprovinzen – wo Produktion und Dienstleistungen des Landes sowie ausländische Direktinvestitionen hauptsächlich angesiedelt sind – sind stark gestiegen. Allein letztes Jahr haben sich die Mindestlöhne in neun von zwölf Küstenprovinzen (einschließlich Peking) durchschnittlich um mehr als 21% erhöht.

Gleichzeitig wertet der Renminbi auf, was die Inlandsproduktion exportorientierter Güter und Dienstleistungen noch weiter verteuert. Insbesondere für arbeitsintensive Aktivitäten (von der Spielzeugproduktion bis hin zur Dateneingabe) betrifft dies sowohl Partner multinationaler Konzerne (die über die Hälfte des chinesischen Exports ausmachen) als auch lokale Unternehmen, die auf den internationalen Märkten an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.

Um die exportorientierte Produktionsbasis aufrecht zu erhalten, muss die Güterproduktion auf der Wertschöpfungskette in Richtung hochwertigerer Produkte aufsteigen. Multinationale Konzerne können dies innerhalb ihrer integrierten globalen Produktionsnetzwerke leisten, die ihnen eine internationale Neuverteilung von Arbeitskräften innerhalb des Unternehmens ermöglichen. Jeder Teil dieser Produktionsketten kann dort angesiedelt werden, wo es für die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Konzerns am besten ist. Solche Großunternehmen haben auch Erfahrung damit, den Erdball nach den richtigen Investitionsstandorten zu durchsuchen.

Auch die inländischen chinesischen Unternehmen müssen sich diesem Druck stellen. Dabei kommt ihnen zugute, dass sich die Technologie- und Wissensbasis Chinas rapide vertieft. Teilweise ist dies ein Ergebnis der Schulung in ausländischen Partnerunternehmen, aber der Hauptgrund dafür liegt in den ständigen Bemühungen der chinesischen Regierung, Ausbildung und Weiterbildung zu verbessern, Technologietransfer von ausländischen zu inländischen Firmen zu fördern und insbesondere Forschungs- und Entwicklungskapazitäten aufzubauen.

Also müssen sich die Produzenten hochwertigerer Güter und Dienstleistungen in den Industrie- und Schwellenländern auf stärkere Konkurrenz aus China einstellen.

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Gleichzeitig wird Chinas arbeitsintensive Produktion immer mehr in Länder mit niedrigeren Arbeitskosten ausgelagert – darunter Bangladesch, Indien, Indonesien und das benachbarte Vietnam (wo chinesische Firmen bereits etwa 1000 Partnerunternehmen gegründet haben) sowie verschiedene afrikanische Länder. Dieser Prozess ist bereits im Gange und wurde seit Anfang des letzten Jahrzehnts durch die “Politik der globalen Aufstellung” der Regierung unterstützt, die chinesische Direktinvestitionen im Ausland fördert.

Dies spiegelt sich in den Daten wider: Die ausländischen Direktinvestitionen haben sich 2008 gegenüber 2007 von 23 Mrd USD auf 52  Mrd USD mehr als verdoppelt. 2009, als der weltweite Vergleichswert aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise um etwa 50% sank, stieg er in China weiter an und erreichte 2010 bereits 68 Mrd USD. Hongkong nicht mitgerechnet, war China in diesem Jahr der weltweit fünftgrößte Auslandsinvestor.

Diese Entwicklung bietet anderen Entwicklungsländern Gelegenheit, sich in die internationale Arbeitsteilung zu integrieren und so Handelsvorteile zu erlangen. Die Einrichtungen zur Investitionsförderung dieser Länder – eigentlich aller Länder, einschließlich der Industrieländer – sollten zunehmend chinesische Firmen umwerben und anlocken. Dabei sollten sie nicht nur die großen staatseigenen Betriebe anvisieren, sondern auch die zunehmende Menge kleiner und mittlerer Privatunternehmen in China, die es in allen Bereichen der Wirtschaft gibt.

Aber hier muss eine wichtige Warnung ausgesprochen werden: China verfügt über ein riesiges Inland, das der Entwicklung in den Küstenprovinzen stark hinterher hinkt. Im Rahmen ihrer “Großen Westlichen Entwicklungsstrategie” unternimmt die Regierung besondere Anstrengungen, diese Gebiete zu entwickeln – durch den Bau moderner Infrastruktur, die Förderung hochwertiger Ausbildung, die Unterstützung von Wissenschaft und Technik (alles Schlüsselfaktoren für Produktionsstandorte) und die Anregung der dortigen Investitionstätigkeit. Daher können in den Küstenprovinzen ansässige Unternehmen, die ihre Produktion verlagern müssen (und sie nicht aus China auslagern möchten), statt ins Ausland in das chinesische Landesinnere umsiedeln.

Das Muster ist offensichtlich: Diese Art Übergang weg von arbeitsintensiver Produktion hat auch in den heutigen Industrieländern stattgefunden, als in Europa, Japan und den Vereinigten Staaten ansässige Unternehmen ihre Produktion in Entwicklungsländer ausgelagert hatten. Profitiert haben davon in Asien unter anderem Hongkong, Südkorea, Singapur und Taiwan.

Als die Kosten für arbeitsintensive Güter in diesen Ländern zu hoch wurden, zog die Produktion weiter. Diese Wanderung der Produktion wird seither von der Auslagerung von Dienstleistungen begleitet, deren informationsintensive Komponenten handelbar geworden sind.

Von den heutigen offenen internationalen Handels- und Investitionsmöglichkeiten hat auch  China profitiert, indem es Unternehmen Standorte für die Auslagerung ihrer Produktion dort anbieten konnte, wo es für ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit am besten war  – und nun verlagert es selbst arbeitsintensive Industrien.

Um auf diese globale Verlagerung von Produktion zu reagieren, benötigen Regierungen Strategien. Sie müssen den Unternehmen ihrer Länder dabei helfen, sich an die Verlagerung von Produzenten anzupassen. Maßnahmen dazu sind die Einführung von Ausbildungsprogrammen, Innovationsförderung und eine Umgebung des Wettbewerbs, die neben einem Netz der sozialen Sicherheit auch “kreative Zerstörung” fördert.

Auch Regierungen, die fremde Produktion anziehen möchten, brauchen Maßnahmen, durch die sie so stark wie möglich von dieser globalen Verschiebung profitieren und damit ihre eigene wirtschaftliche Entwicklung voran treiben können.

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