sinn109_ DANIEL ROLANDAFP via Getty Images_financial crisis DANIEL ROLAND/AFP via Getty Images

Der neue Gründerkrach

MÜNCHEN – Die Pleite der Silikon Valley Bank, die Einlagen von Start-ups eingesammelt und sie in Wertpapiere investiert hatte, erinnert an den sogenannten Gründerkrach des Jahres 1873, der von den deutschsprachigen Ländern ausgegangen war und die ganze Welt erfasst hatte. Damals entstammten die wichtigsten Start-ups dem Verarbeitenden Gewerbe, z.B. aus den Bereichen Eisenbahn, Elektrik und Chemie. Es ließen sich aber auch viele neue Banken und Finanzunternehmen mit der Flut treiben. In der Tat waren es solche Unternehmen,  die nach dem Platzen einer gewaltigen Wirtschaftsblase aus dem Ruder geraten waren und eine Bankenkrise hervorgerufen hatten. Als Reaktion auf die Krise gab es in Deutschland eine wichtige Reform des Bilanzrechts, die auch heute wegweisend sein könnte.  

Unter dem Schutz des Aktienrechts, das Firmengründer von einer Privathaftung freistellte, waren im deutschen und im österreich-ungarischen Kaiserreich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sehr viele neue Investmentbanken gegründet worden, die Einlagen einsammelten, um Wertpapiere zu erwerben. Der auch daraus resultierende Börsenaufschwung erwies sich letztlich als Wirtschaftsblase. Die Blase platze im Mai des Jahr 1873, wenige Tage, nachdem sich die Österreichische Creditanstalt, die damals bedeutendste Bank Österreich-Ungarns, wegen aufkommender Konkursgerüchte von einem sehr großen Portfolio an Wertpapieren getrennt hatte. Der Börsencrash am „Schwarzen Freitag“ des 9. Mai und eine Konkurswelle ungeahnten Ausmaßes waren die Folge. In Österreich-Ungarn und Deutschland ging ein erheblicher Teil der neu gegründeten Aktiengesellschaften des Finanzgewerbes in Konkurs. Adele Spitzeneders Bank, die genau dasselbe Geschäft wie später Charles Ponzi oder Bernard L. Meadows in den USA betrieb, steht nur stellvertretend für die windigen Geschäfte vieler neuer Institute der Finanzwirtschaft jener Tage.

Die Parallelen zur heutigen Krise sind natürlich begrenzt, denn die Geschichte wiederholt sich bekanntlich niemals exakt. In der Tat wurde die neue Bankenkrise nicht nur durch eine irrationale Übertreibung der Märkte erzeugt, sondern auch durch vorhersehbare Konsequenzen einer Bewertungsblase, die in Folge der Null- und Negativzinspolitik der Zentralbanken entstanden war. Die beispiellose Geldmengenausweitung, die die Zentralbanken durch den Kauf Staatspapieren von Staatspapieren hervorriefen, hatte für gut ein Jahrzehnt traumhafte Wertzuwächse bei bereits am Markt befindlichen älteren Staatspapieren und auch bei Aktien erzeugt. Diese Wertzuwächse lockten immer mehr Investoren an. Im Gefolge der Pandemie und einer ausufernde Staatsverschuldung entstand dann eine sehr starke Inflation, der  die Notenbanken mit einer drastischen Zinswende die Kraft nehmen wollen. Die zuvor aufgeblasenen Marktwerte langfristiger Wertpapiere kollabierten daraufhin. Das brach der Silikon Valley Bank und wenige Tage später der Credit Suisse, einer der größten Banken der Welt, das Genick.

https://prosyn.org/4nXWfzzde