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Chinas Veränderung seit Nixon verstehen

NEW YORK – Am 21. Februar 1972 besuchte Richard Nixon als erster US-Präsident die Volksrepublik China und setzte damit einen Prozess in Gang, der Chinas jahrzehntelange Isolation beenden und den Anstoß zur Entstehung einer modernen, dynamischen Wirtschaft geben sollte. Doch trotz der einschneidenden wirtschaftlichen Veränderungen in China in den letzten fünfzig Jahren betrachten viele Menschen im Westen die heutige Volksrepublik als unreformiertes kommunistisches Land, das mit seinen unfairen Handelspraktiken Arbeitnehmern und Verbrauchern im Westen schadet. Auch wenn dieser Eindruck zum Teil eine Nebenerscheinung des heutigen geopolitischen Wettbewerbs ist, so lässt sich darin auch mangelndes historisches Verständnis erkennen.

Zum Zeitpunkt von Nixons Besuch war China genauso isoliert und abgeschottet, wie es Nordkorea heute ist. Die gewöhnlichen Menschen in China konnten nicht frei entscheiden, wo sie arbeiten wollten, und mussten die von der lokalen Regierung zugewiesenen Arbeitsplätze annehmen. Nahezu jede erwachsene Person in China arbeitete für den Staat oder in einem staatlichen Unternehmen, weil es im Land keine einheimischen Privatunternehmen oder ausländischen Firmen gab. Nixons Entourage fiel auch die auf den chinesischen Straßen herrschende Farblosigkeit auf, da die meisten Menschen entweder in Blau oder Grün gekleidet waren. Keine einzige ausländische Handelsmarke war in den Straßen Pekings oder Shanghais präsent.  

Heute können die Menschen in China ihren Arbeitsplatz frei wählen. Über 80 Prozent aller Arbeitskräfte sind in nicht-staatlichen Betrieben beschäftigt und die Löhne werden durch Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt bestimmt. Internationale Touristen können allein an der Kleidung der Menschen nicht erkennen, ob sie sich in Shanghai, Seoul, Tokio oder Taipeh befinden. Praktisch alle in New York, London und Singapur präsenten globalen Marken sind auch in chinesischen Großstädten allgegenwärtig.

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