SAN JOSE – Regierungen aus der ganzen Welt bereiten sich bereits jetzt auf die 15. Konferenz der Parteien (COP15) für die Konvention über Biologische Diversität (CBD) im chinesischen Kunming vor. Dies ist kein normales Treffen: Es zielt darauf ab, einen neuen politischen Rahmen für Biodiversität zu schaffen, der für alle Mitgliedstaaten funktioniert.
Obwohl die CBD 2010 die Aichi-Biodiversitätsziele ins Leben gerufen hat, war die internationale Gemeinschaft ausgesprochen ineffektiv dabei, sie zu erreichen. Einige Länder mit großen Regenwaldflächen geben bis zu 100 mal mehr für Subventionen zur Abholzung aus als für Hilfszahlungen zu ihrer Verhinderung, und in anderen Bereichen könnte das globale Bild sogar noch schlimmer aussehen.
Das nächste Jahrzehnt wird zeigen, dass wir die Zerstörung der Natur nicht länger als „business as usual“ betreiben können. Wir nähern uns schnell ökologischen und klimatischen Kipppunkten, die katastrophale Rückkopplungsschleifen auslösen könnten, aufgrund derer der Klimawandel nicht mehr umzukehren wäre. Ein großer Bericht des Regierungsübergreifenden Weltbiodiversitätsrats aus diesem Jahr zeigt, dass unsere momentanen Aktivitäten in den nächsten Jahrzehnten zum Aussterben von bis zu einer Million Arten führen könnte.
Angesichts dessen, dass solche Biodiversitätsverluste die Zukunft der Menschheit selbst gefährden könnten, ist es jetzt an der Zeit, dass öffentliche und private Akteure effektiv die Führung übernehmen – jetzt oder nie. Wollen wir einen Rahmen zur Koordinierung internationaler Maßnahmen und industrieller Prozesse entwickeln, müssen wir uns auf zehn Schlüsselprioritäten konzentrieren, die jedes neue CBD-Rahmenwerk enthalten muss:
Erstens müssen wir den internationalen Handel mit Wildtieren und gefährdeten Arten beenden, indem wir ihn sowohl in den Anbieter- als auch den Käuferländern verbieten. Bis jetzt ist die internationale Gemeinschaft zu diesem Thema völlig untätig. Zweitens brauchen wir ein globales Abkommen über die Regulierung der industriellen Hochseefischerei, denn die Subventionen in diesem Bereich tragen momentan zur massiven Überfischung bei.
Drittens müssen wir sofort die industrielle Abholzung und Brandrodung von Primärwäldern beenden, sei es in tropischen, borealen oder gemäßigten Zonen. Solche Aktivitäten zu erlauben macht keinen Sinn. Industrielle Abholzung nützt weder den Staaten noch den indigenen Gemeinschaften, denen es ermöglicht werden sollte, ihre eigenen Ländereien nachhaltig zu bewirtschaften.
Eine vierte und damit zusammenhängende Priorität besteht darin, Abholzung auf der ganzen Linie zu verbieten. In vielen Ländern kann diese legal einfach dadurch betrieben werden, dass man die Nutzungsänderung eines bestimmten Grundstücks beantragt. Um eine Welt ohne Abholzung zu erreichen, brauchen wir die Unterstützung von Privatunternehmen und Konsumenten, die zu Veränderungen bereit sind.
Fünftens müssen alle Regierungen eine Kohlenstoffsteuer einführen, ohne die es effektiv zu einem Marktversagen käme. Momentan subventionieren wir nicht nur fossile Energiequellen, sondern es gibt auch keine ausreichende Kompensierung für die Kohlenstoffabscheidung durch Regenwälder, Waldbausysteme, Mangroven und Feuchtgebiete. Während die Kohlenstoffpreise auf freiwilligen Märkten 2016 durchschnittlich bei drei Dollar pro Tonne CO2-Äquivalent lagen, sollte der weltweite Preis, wenn wir die Reduktionsziele des Pariser Klimaabkommens von 2015 erreichen wollen, eher die Größenordnung von 40 Dollar pro Tonne erreichen.
Die Einführung einer Kohlenstoffsteuer mag zwar politisch kompliziert sein, wirtschaftlich ist sie aber absolut sinnvoll. Costa Rica hat im Jahr 1997 eine solche Steuer eingeführt, die heute 32 Millionen Dollar jährlich einbringt. Diese Mittel werden dann dazu verwendet, indigenen Gemeinschaften, Landwirten und anderen, die Bäume pflanzen, um die Biomasse in der Produktionslandschaft zu erhöhen, ökologische Hilfen zu gewähren.
Sechstens müssen wir für die Biodiversitätsbemühungen der internationalen Gemeinschaft ein neues finanzielles Ziel aufstellen. Momentan investieren wir lediglich 0,08% des weltweiten BIP in den Naturschutz. Könnten wir diesen Wert im Zuge des neuen Rahmenwerks auf 1% steigern, hätten wir genügend Ressourcen dafür, alle anderen gesetzten Ziele zu erreichen. Die Schutzprogramme für die Nationalregierungen sind zwar ein innenpolitisches Thema, aber der Verlust an Biodiversität ist ein gemeinsames Problem. Angesichts dessen muss das Ziel als ein multilateraler Bezugswert festgelegt werden.
Siebtens müssen wir die Abwertung, Verkleinerung und Umwidmung von Schutzgebieten (PADDD, protected area downgrading, downsizing, degazettement) stoppen – und, wenn möglich, umkehren. In den Vereinigten Staaten und anderswo ist die Bewegung, die geschützte Landschaften deregulieren oder ihnen gar den Schutz entziehen will, gut finanziert und mächtig. Offensichtlich stellen solche Absichten für alle Schutzbemühungen eine direkte Bedrohung dar.
Achtens müssen wir versuchen, bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts die Verwendung von Wegwerfkunststoff zu beenden, da viele andere Schutzbemühungen durch nicht abbaubaren Plastikmüll behindert werden. Ähnlich müssen wir uns neuntens darüber Gedanken machen, wie wir Verschmutzung aller Art besteuern können. Immer noch ist Verschmutzung viel zu oft gratis. Wird sie nicht mit Kosten belegt, wird sich das Problem nur noch weiter verschlimmern.
Und schließlich müssen die Regierungen dringend grüne staatliche Buchführungssysteme aufbauen. Effektive politische Entscheidungen erfordern die besten verfügbaren Daten. Ist das heutige Wirtschaftssystem nicht dazu in der Lage, Biodiversitätsverluste, Wasserverschmutzung und Treibhausgasemissionen finanziell zu verbuchen, ist es Teil des Problems und nicht der Lösung.
Auf unserem Weg zu einem neuen globalen Rahmenwerk für Biodiversität müssen wir auch die Lektionen beherzigen, die wir aus den Verhandlungen zur Rahmenkonvention zum Klimawandel der Vereinten Nationen lernen können. Das Pariser Abkommen wurde dann möglich, als die Länder erkannten, dass eine Verpflichtung zur Verringerung ihrer Emissionen in ihrem eigenen Interesse liegt. Unter den CBD-Parteien hat sich diese Erkenntnis noch nicht durchgesetzt. In der Zeit bis zur Versammlung in Kunming müssen wir dafür sorgen, dass sich dies ändert.
Aus dem Englischen von Harald Eckhoff
SAN JOSE – Regierungen aus der ganzen Welt bereiten sich bereits jetzt auf die 15. Konferenz der Parteien (COP15) für die Konvention über Biologische Diversität (CBD) im chinesischen Kunming vor. Dies ist kein normales Treffen: Es zielt darauf ab, einen neuen politischen Rahmen für Biodiversität zu schaffen, der für alle Mitgliedstaaten funktioniert.
Obwohl die CBD 2010 die Aichi-Biodiversitätsziele ins Leben gerufen hat, war die internationale Gemeinschaft ausgesprochen ineffektiv dabei, sie zu erreichen. Einige Länder mit großen Regenwaldflächen geben bis zu 100 mal mehr für Subventionen zur Abholzung aus als für Hilfszahlungen zu ihrer Verhinderung, und in anderen Bereichen könnte das globale Bild sogar noch schlimmer aussehen.
Das nächste Jahrzehnt wird zeigen, dass wir die Zerstörung der Natur nicht länger als „business as usual“ betreiben können. Wir nähern uns schnell ökologischen und klimatischen Kipppunkten, die katastrophale Rückkopplungsschleifen auslösen könnten, aufgrund derer der Klimawandel nicht mehr umzukehren wäre. Ein großer Bericht des Regierungsübergreifenden Weltbiodiversitätsrats aus diesem Jahr zeigt, dass unsere momentanen Aktivitäten in den nächsten Jahrzehnten zum Aussterben von bis zu einer Million Arten führen könnte.
Angesichts dessen, dass solche Biodiversitätsverluste die Zukunft der Menschheit selbst gefährden könnten, ist es jetzt an der Zeit, dass öffentliche und private Akteure effektiv die Führung übernehmen – jetzt oder nie. Wollen wir einen Rahmen zur Koordinierung internationaler Maßnahmen und industrieller Prozesse entwickeln, müssen wir uns auf zehn Schlüsselprioritäten konzentrieren, die jedes neue CBD-Rahmenwerk enthalten muss:
Erstens müssen wir den internationalen Handel mit Wildtieren und gefährdeten Arten beenden, indem wir ihn sowohl in den Anbieter- als auch den Käuferländern verbieten. Bis jetzt ist die internationale Gemeinschaft zu diesem Thema völlig untätig. Zweitens brauchen wir ein globales Abkommen über die Regulierung der industriellen Hochseefischerei, denn die Subventionen in diesem Bereich tragen momentan zur massiven Überfischung bei.
Drittens müssen wir sofort die industrielle Abholzung und Brandrodung von Primärwäldern beenden, sei es in tropischen, borealen oder gemäßigten Zonen. Solche Aktivitäten zu erlauben macht keinen Sinn. Industrielle Abholzung nützt weder den Staaten noch den indigenen Gemeinschaften, denen es ermöglicht werden sollte, ihre eigenen Ländereien nachhaltig zu bewirtschaften.
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Eine vierte und damit zusammenhängende Priorität besteht darin, Abholzung auf der ganzen Linie zu verbieten. In vielen Ländern kann diese legal einfach dadurch betrieben werden, dass man die Nutzungsänderung eines bestimmten Grundstücks beantragt. Um eine Welt ohne Abholzung zu erreichen, brauchen wir die Unterstützung von Privatunternehmen und Konsumenten, die zu Veränderungen bereit sind.
Fünftens müssen alle Regierungen eine Kohlenstoffsteuer einführen, ohne die es effektiv zu einem Marktversagen käme. Momentan subventionieren wir nicht nur fossile Energiequellen, sondern es gibt auch keine ausreichende Kompensierung für die Kohlenstoffabscheidung durch Regenwälder, Waldbausysteme, Mangroven und Feuchtgebiete. Während die Kohlenstoffpreise auf freiwilligen Märkten 2016 durchschnittlich bei drei Dollar pro Tonne CO2-Äquivalent lagen, sollte der weltweite Preis, wenn wir die Reduktionsziele des Pariser Klimaabkommens von 2015 erreichen wollen, eher die Größenordnung von 40 Dollar pro Tonne erreichen.
Die Einführung einer Kohlenstoffsteuer mag zwar politisch kompliziert sein, wirtschaftlich ist sie aber absolut sinnvoll. Costa Rica hat im Jahr 1997 eine solche Steuer eingeführt, die heute 32 Millionen Dollar jährlich einbringt. Diese Mittel werden dann dazu verwendet, indigenen Gemeinschaften, Landwirten und anderen, die Bäume pflanzen, um die Biomasse in der Produktionslandschaft zu erhöhen, ökologische Hilfen zu gewähren.
Sechstens müssen wir für die Biodiversitätsbemühungen der internationalen Gemeinschaft ein neues finanzielles Ziel aufstellen. Momentan investieren wir lediglich 0,08% des weltweiten BIP in den Naturschutz. Könnten wir diesen Wert im Zuge des neuen Rahmenwerks auf 1% steigern, hätten wir genügend Ressourcen dafür, alle anderen gesetzten Ziele zu erreichen. Die Schutzprogramme für die Nationalregierungen sind zwar ein innenpolitisches Thema, aber der Verlust an Biodiversität ist ein gemeinsames Problem. Angesichts dessen muss das Ziel als ein multilateraler Bezugswert festgelegt werden.
Siebtens müssen wir die Abwertung, Verkleinerung und Umwidmung von Schutzgebieten (PADDD, protected area downgrading, downsizing, degazettement) stoppen – und, wenn möglich, umkehren. In den Vereinigten Staaten und anderswo ist die Bewegung, die geschützte Landschaften deregulieren oder ihnen gar den Schutz entziehen will, gut finanziert und mächtig. Offensichtlich stellen solche Absichten für alle Schutzbemühungen eine direkte Bedrohung dar.
Achtens müssen wir versuchen, bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts die Verwendung von Wegwerfkunststoff zu beenden, da viele andere Schutzbemühungen durch nicht abbaubaren Plastikmüll behindert werden. Ähnlich müssen wir uns neuntens darüber Gedanken machen, wie wir Verschmutzung aller Art besteuern können. Immer noch ist Verschmutzung viel zu oft gratis. Wird sie nicht mit Kosten belegt, wird sich das Problem nur noch weiter verschlimmern.
Und schließlich müssen die Regierungen dringend grüne staatliche Buchführungssysteme aufbauen. Effektive politische Entscheidungen erfordern die besten verfügbaren Daten. Ist das heutige Wirtschaftssystem nicht dazu in der Lage, Biodiversitätsverluste, Wasserverschmutzung und Treibhausgasemissionen finanziell zu verbuchen, ist es Teil des Problems und nicht der Lösung.
Auf unserem Weg zu einem neuen globalen Rahmenwerk für Biodiversität müssen wir auch die Lektionen beherzigen, die wir aus den Verhandlungen zur Rahmenkonvention zum Klimawandel der Vereinten Nationen lernen können. Das Pariser Abkommen wurde dann möglich, als die Länder erkannten, dass eine Verpflichtung zur Verringerung ihrer Emissionen in ihrem eigenen Interesse liegt. Unter den CBD-Parteien hat sich diese Erkenntnis noch nicht durchgesetzt. In der Zeit bis zur Versammlung in Kunming müssen wir dafür sorgen, dass sich dies ändert.
Aus dem Englischen von Harald Eckhoff