khrushcheva159_ MIKHAIL METZELSPUTNIKAFP via Getty Images_putin speech MIKHAIL METZEL/SPUTNIK/AFP via Getty Images

Der selbstmörderische Imperialismus des Kreml

MOSKAU – Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion habe ich keine so orwellsche Rede mehr gehört wie die des russischen Präsidenten Wladimir Putin, in der er den Anschluss der vier ukrainischen Regionen an Russland verkündet hat. Genauso wie der Kommunismus einst die Menschheit vor der imperialistischen Ausbeutung retten sollte, fühlt sich Russland nun anscheinend berufen, das Recht der Länder zu verteidigen, keinem „neuen Kolonialismus“ unterworfen zu sein, der sie in westliche Vasallenstaaten verwandelt. In Putins Russland ist Krieg Frieden, Sklaverei Freiheit, Unwissenheit Stärke – und illegale Annexionen in einem souveränen Land sind der Kampf gegen den Kolonialismus.

Aus seinem Blickwinkel betrachtet gleicht Putin eine historische Ungerechtigkeit aus, da die annektierten Regionen – Donetsk, Luhansk, Cherson und Saporischtschja – einst Teil von Novorossiya (Neurussland) waren und von Katharina der Großen in das russische Reich eingebracht wurden. Außerdem widersetzt er sich im Namen der restlichen Welt gegen den Westen – insbesondere gegen die Vereinigten Staaten, die diese Welt seit dem Kalten Krieg ausgeplündert und beherrscht haben.

Ich liebe gute Propagandareden – immerhin habe ich über dieses Thema jahrelang gelehrt. Hier aber kommen sie vom Präsidenten eines Staates, der sich historisch in den Mittelpunkt gleich zweier Reiche gestellt und andere Staaten als Satelliten um sich geschart hat. Deshalb ist Putins Rhetorik zu dick aufgetragen, um befriedigend zu sein.

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