Da die argentinische Wirtschaft im Jahr 2001 keine Kredite mehr bekam, griff die Regierung in einem vergeblichen Versuch, die Katastrophe abzuwenden, zu verzweifelten Maßnahmen. Dem fielen private Pensionsfonds, die im Zuge der Sozialversicherungsreform im Jahr 1994 auf der Basis individueller Investitionen in Anleihen und Aktien geschaffen worden waren, zum Opfer. Die Regierung schuldete die Staatspapiere dieser ,,AFJP" genannten Fonds zwangsweise um. Außerdem wurden solche Titel, die Mitte des Jahres 2001 mehr als 60 % der Pensionsfonds-Portfolios ausmachten, ,,pesofiziert", wodurch praktisch über Nacht Dollar-Anlagen plötzlich zu Peso-Anlagen wurden.
Die ,,Konfiszierung" fand statt, nachdem risikoreiche Staatspapiere über mehrere Jahre sehr hohe Erträge abgeworfen hatten. Zwischen September 1994 (dem Jahr der Einführung) und Januar 2001 erreichten die AFJP einen jährlichen Durchschnittsertrag von 10,9 % in US-Dollar. Dieser Wert liegt ungefähr 600 Basispunkte über dem Ertrag, den amerikanische Treasury Bills erzielten.
Die Lektion, welche das argentinische Vorgehen erteilt, ist eindeutig: Wenn Pensionsfonds stark in risikoreiche, öffentliche Obligationen investieren - das war in Lateinamerika während des gesamten Übergangs vom staatlich finanzierten Umlageverfahren zu den privaten Pensionssystemen geläufige Praxis - ist die Rückzahlung prinzipiell gefährdet. Die Pensionsfonds sind der Willkür ausgesetzt. Doch genau diese Situation wollte man mit der Reform der Sozialversicherung vermeiden.
Wie schlecht wurden die AFJPs nun tatsächlich bedient? Nachdem sich die Aufregung gelegt hatte, wurde klar, dass es diesen Fonds eigentlich gut ergangen ist. Der Ertrag ihrer Portfolios lag zwischen September 1994 und Dezember 2002 real bei 9,5 %, was jedenfalls als durchaus angemessen zu bewerten ist. Selbst wenn man die enorme Abwertung des Pesos mit einbezieht, ergibt sich ein Jahresertrag in Dollar zwischen -2,5 und 4 %. Die Schwankung hängt vom tatsächlichen Wechselkurs ab, der nach der Abwertung im Januar 2002 zur Bewertung der Peso-Anlagen der AFJPs herangezogen wurde.
Dieses Ergebnis steht in krassem Gegensatz zum Ertrag ausländischer Privatgläubiger, die bisher noch keinen Cent ihrer Außenstände gesehen und nicht einmal einen Hinweis über die Rückzahlungsmodalitäten erhalten haben. Auf Grundlage der Marktbewertung liegt ihr Jahresertrag für den gleichen Zeitraum bei -11 % Prozent.
Mit anderen Worten lässt sich sagen, dass die argentinischen Pensionsfonds selbst nach der Zahlungsunfähigkeit, der ,,Pesofizierung" und der Peso-Abwertung noch einen ansehnlichen Gewinn abgeworfen haben. Auch erging es ihnen besser als anderen Gläubigern, vor allem ausländischen Obligationsinhabern. Die Pensionsfonds wurden also de facto als vorrangige Gläubiger behandelt, aber mittels eines höchst zerstörerischen Mechanismus: den enormen Erträgen waren Zahlungsunfähigkeit und Pesofizierung gefolgt.
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Das bringt uns zur zweiten, weniger offensichtlichen Lektion der argentinischen Politik, der nämlich, dass die Privatisierung der Sozialversicherung in Zeiten zweifelhafter Zahlungsfähigkeit der Regierung zu einer Bevorzugung von Pensionsfonds führen kann und dies eine drückende (und ungerechtfertigte) Steuerbelastung zur Folge hat.
Nehmen wir an, Pensionsfonds werden de facto als vorrangige Gläubiger behandelt (wie es der Fall Argentiniens nahe legt). Unter diesen Umständen ist in der Prämie, die an die Pensionsfonds auf Staatstiteln bezahlt wird, eine zusätzliche Rendite enthalten, doch würden die Pensionsfonds die Staatstitel auch dann halten, wenn sie niedrigere als marktübliche Zinssätze bekämen. Die zusätzliche Rendite ist aber keineswegs gerechtfertigt, wenn das Einkommen des Rentenbeziehers nicht in Gefahr ist.
Außerdem werden dem Steuerzahler durch die Zinsprämien auf Staatstitel in Pensionsfonds drückende und ungerechtfertigte Zahlungen auferlegt, was zu Haushaltsdefiziten und höheren Schulden der öffentlichen Hand beiträgt. Tatsächlich weiß man aus Erfahrung, dass es bei bevorstehenden Krisen des Staatshaushalts zu dramatischen Unterschieden bei den Zinssätzen kommt. Bis die Krise ausbricht und die Regierung ihren Zahlungen nicht mehr nachkommt, könnten die (Mehr-)Kosten für die von den Pensionsfonds gehaltenen Staatstitel einen großen Teil des gesamten Haushaltsdefizits ausmachen und die Krise erst heraufbeschwören.
Zusammenfassend könnte also die Privatisierung der Sozialversicherung bei mangelnder staatlicher Kreditwürdigkeit zu Maßnahmen führen, die den Grundprinzipien, auf denen eine solche Rentenreform beruht, zuwiderläuft und die Steuerlast über Gebühr erhöhen.
Es gibt wenigstens zwei Möglichkeiten, derartige Übergangsprobleme bei der Rentenreform zu verringern. Erstens könnte die Vorrangigkeit der Pensionsfonds als Gläubiger ausdrücklich festgelegt werden. Man könnte, unter der Voraussetzung, dass kein Liquiditätsrisiko besteht, die Probleme durch die Schaffung einer Pensionsfondsanleihe bewältigen, deren Ertrag nicht einem Widerrufsrisiko unterworfen ist.
Zweitens könnte es Pensionsfonds überhaupt untersagt werden, in inländische Staatstitel zu investieren, deren Rating einen gewissen Standard unterschreitet. Darüber hinaus könnte man den Pensionsfonds gestatten, in risikoarme ausländische Anlageformen wie amerikanische Staatspapiere zu investieren und die Regierung könnte vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten durch den Verkauf von Anleihen an risikobereite Anleger zum jeweiligen Kurswert finanzieren.
In der Praxis würden diese Vorschläge dafür sorgen, dass Pensionsfonds nicht mehr für Großanleger im Bereich risikoreicher inländischer Papiere (einschließlich Schuldverschreibungen) in Frage kommen, was der Entwicklung des lokalen Kapitalmarktes zum Teil schaden könnte. Auch wenn das der Fall wäre, dürften die Kosten noch viel höher sein, wenn man es den Pensionsfonds weiter gestattet, auf risikoreiche Papiere zu setzen.
Less than two months into his second presidency, Donald Trump has imposed sweeping tariffs on America’s three largest trading partners, with much more to come. This strategy not only lacks any credible theoretical foundations; it is putting the US on a path toward irrevocable economic and geopolitical decline.
Today's profound global uncertainty is not some accident of history or consequence of values-free technologies. Rather, it reflects the will of rival great powers that continue to ignore the seminal economic and social changes underway in other parts of the world.
explains how Malaysia and other middle powers are navigating increasingly uncertain geopolitical terrain.
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Die ,,Konfiszierung" fand statt, nachdem risikoreiche Staatspapiere über mehrere Jahre sehr hohe Erträge abgeworfen hatten. Zwischen September 1994 (dem Jahr der Einführung) und Januar 2001 erreichten die AFJP einen jährlichen Durchschnittsertrag von 10,9 % in US-Dollar. Dieser Wert liegt ungefähr 600 Basispunkte über dem Ertrag, den amerikanische Treasury Bills erzielten.
Die Lektion, welche das argentinische Vorgehen erteilt, ist eindeutig: Wenn Pensionsfonds stark in risikoreiche, öffentliche Obligationen investieren - das war in Lateinamerika während des gesamten Übergangs vom staatlich finanzierten Umlageverfahren zu den privaten Pensionssystemen geläufige Praxis - ist die Rückzahlung prinzipiell gefährdet. Die Pensionsfonds sind der Willkür ausgesetzt. Doch genau diese Situation wollte man mit der Reform der Sozialversicherung vermeiden.
Wie schlecht wurden die AFJPs nun tatsächlich bedient? Nachdem sich die Aufregung gelegt hatte, wurde klar, dass es diesen Fonds eigentlich gut ergangen ist. Der Ertrag ihrer Portfolios lag zwischen September 1994 und Dezember 2002 real bei 9,5 %, was jedenfalls als durchaus angemessen zu bewerten ist. Selbst wenn man die enorme Abwertung des Pesos mit einbezieht, ergibt sich ein Jahresertrag in Dollar zwischen -2,5 und 4 %. Die Schwankung hängt vom tatsächlichen Wechselkurs ab, der nach der Abwertung im Januar 2002 zur Bewertung der Peso-Anlagen der AFJPs herangezogen wurde.
Dieses Ergebnis steht in krassem Gegensatz zum Ertrag ausländischer Privatgläubiger, die bisher noch keinen Cent ihrer Außenstände gesehen und nicht einmal einen Hinweis über die Rückzahlungsmodalitäten erhalten haben. Auf Grundlage der Marktbewertung liegt ihr Jahresertrag für den gleichen Zeitraum bei -11 % Prozent.
Mit anderen Worten lässt sich sagen, dass die argentinischen Pensionsfonds selbst nach der Zahlungsunfähigkeit, der ,,Pesofizierung" und der Peso-Abwertung noch einen ansehnlichen Gewinn abgeworfen haben. Auch erging es ihnen besser als anderen Gläubigern, vor allem ausländischen Obligationsinhabern. Die Pensionsfonds wurden also de facto als vorrangige Gläubiger behandelt, aber mittels eines höchst zerstörerischen Mechanismus: den enormen Erträgen waren Zahlungsunfähigkeit und Pesofizierung gefolgt.
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Nehmen wir an, Pensionsfonds werden de facto als vorrangige Gläubiger behandelt (wie es der Fall Argentiniens nahe legt). Unter diesen Umständen ist in der Prämie, die an die Pensionsfonds auf Staatstiteln bezahlt wird, eine zusätzliche Rendite enthalten, doch würden die Pensionsfonds die Staatstitel auch dann halten, wenn sie niedrigere als marktübliche Zinssätze bekämen. Die zusätzliche Rendite ist aber keineswegs gerechtfertigt, wenn das Einkommen des Rentenbeziehers nicht in Gefahr ist.
Außerdem werden dem Steuerzahler durch die Zinsprämien auf Staatstitel in Pensionsfonds drückende und ungerechtfertigte Zahlungen auferlegt, was zu Haushaltsdefiziten und höheren Schulden der öffentlichen Hand beiträgt. Tatsächlich weiß man aus Erfahrung, dass es bei bevorstehenden Krisen des Staatshaushalts zu dramatischen Unterschieden bei den Zinssätzen kommt. Bis die Krise ausbricht und die Regierung ihren Zahlungen nicht mehr nachkommt, könnten die (Mehr-)Kosten für die von den Pensionsfonds gehaltenen Staatstitel einen großen Teil des gesamten Haushaltsdefizits ausmachen und die Krise erst heraufbeschwören.
Zusammenfassend könnte also die Privatisierung der Sozialversicherung bei mangelnder staatlicher Kreditwürdigkeit zu Maßnahmen führen, die den Grundprinzipien, auf denen eine solche Rentenreform beruht, zuwiderläuft und die Steuerlast über Gebühr erhöhen.
Es gibt wenigstens zwei Möglichkeiten, derartige Übergangsprobleme bei der Rentenreform zu verringern. Erstens könnte die Vorrangigkeit der Pensionsfonds als Gläubiger ausdrücklich festgelegt werden. Man könnte, unter der Voraussetzung, dass kein Liquiditätsrisiko besteht, die Probleme durch die Schaffung einer Pensionsfondsanleihe bewältigen, deren Ertrag nicht einem Widerrufsrisiko unterworfen ist.
Zweitens könnte es Pensionsfonds überhaupt untersagt werden, in inländische Staatstitel zu investieren, deren Rating einen gewissen Standard unterschreitet. Darüber hinaus könnte man den Pensionsfonds gestatten, in risikoarme ausländische Anlageformen wie amerikanische Staatspapiere zu investieren und die Regierung könnte vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten durch den Verkauf von Anleihen an risikobereite Anleger zum jeweiligen Kurswert finanzieren.
In der Praxis würden diese Vorschläge dafür sorgen, dass Pensionsfonds nicht mehr für Großanleger im Bereich risikoreicher inländischer Papiere (einschließlich Schuldverschreibungen) in Frage kommen, was der Entwicklung des lokalen Kapitalmarktes zum Teil schaden könnte. Auch wenn das der Fall wäre, dürften die Kosten noch viel höher sein, wenn man es den Pensionsfonds weiter gestattet, auf risikoreiche Papiere zu setzen.