N’DJAMENA – 2022 ist ein entscheidendes Jahr für die natürliche Umwelt. Die Verhandlungen der internationalen Staats- und Regierungschefs in Montreal im Dezember dieses Jahres werden über das Schicksal des Globalen Rahmens für die biologische Vielfalt für die Zeit nach 2020 entscheiden, ein weitreichendes Abkommen, in dem die Umweltagenda der Welt für das nächste Jahrzehnt festgelegt wird. Die Zukunft von etwa einer Million Pflanzen- und Tierarten steht ebenso auf dem Spiel, wie das Leben und die Lebensgrundlagen von Milliarden von Menschen.
Bei der biologischen Vielfalt geht es nicht nur darum, Bäume, Vögel, Fische oder Insekten zu zählen. Diese sind sicherlich wichtig, aber ebenso wichtig ist das Gleichgewicht der Ökosysteme insgesamt, auf die sie, wir und viele andere Arten angewiesen sind. Darüber hinaus muss das „wir“ auch indigene Völker einschließen, denen in Umweltdiskussionen eine besonders wichtige Rolle zukommt.
Ich bin eine von ihnen. Mein Volk, die Mbororo im Tschad, ist wie viele andere Gruppen, die uralte Bindungen zum Land ihrer Vorfahren auf der ganzen Welt haben. Wir sind erwiesene Bewahrer eines Großteils des wertvollen, aber schwindenden natürlichen Erbes der Welt. Die Abholzung auf unserem Land ist viel geringer als anderswo. Die Vegetation ist dichter, die Wildtiere sind zahlreicher, die Nahrungsketten sind stabiler. Wo wir leben, ist die Lebensfähigkeit der Natur noch nicht erloschen. Ein Drittel der weltweiten Tropenwälder, Torfgebiete und Mangroven – kohlenstoffreiche Ökosysteme, die 80% der globalen Artenvielfalt beherbergen – befinden sich auf indigenem Land.
Das ist kein Zufall. Land ist alles für indigene Völker. Es versorgt uns mit Nahrung und Medizin, bietet uns Obdach und es ist der Ursprung unserer Kultur und Geschichte. Über unzählige Generationen hinweg haben wir gelernt, gut auf unserem Land zu leben. Wir wissen, wie man es schützt, wie man es wiederherstellt und wie wir auf förderliche Art und Weise mit ihm umgehen, anstatt es zu zerstören.
Die Wissenschaft hat längst bestätigt, dass indigene Völker einzigartige Beiträge zum Wohlergehen der Erde leisten. Im Jahr 2019 betonte der Weltklimarat, dass indigenes Wissen für die Bewältigung der globalen Erwärmung und ihrer Auswirkungen entscheidend ist. Die Zwischenstaatliche Plattform für Wissenschaft und Politik zu Biodiversität und Ökosystemleistungen, kurz IPBES, gelangte in Bezug auf den Erhalt der biologischen Vielfalt zu demselben Schluss. In einem Folgebericht aus diesem Jahr hat IPBES die Bedeutung der Beiträge indigener Völker zum globalen Naturschutz noch einmal hervorgehoben.
Die zunehmende Anerkennung, die traditionelles Wissen weltweit erfährt, spiegelte sich auch auf der UN-Klimakonferenz (COP26) in Glasgow im vergangenen Jahr wider, als mehrere Länder und private Geber 1,7 Milliarden Dollar zur Unterstützung der Bemühungen indigener Völker und lokaler Gemeinschaften zum Biodiversitäts- und Klimaschutz zusagten. Diese Verpflichtung gegenüber weit verstreuten, aber zunehmend geeinten Bevölkerungsgruppen ist beispiellos.
Doch während wir die zunehmende Anerkennung des Wissens und der Methoden indigener Kulturen durch internationale Staats- und Regierungschefs begrüßen, ist für die Erfüllung unserer Aufgabe als Bewahrer der Natur mehr als Anerkennung erforderlich. Um weiterhin als wirksamste Hüter der Natur zu fungieren, brauchen wir das Recht, das Land unserer Vorfahren zu besitzen – um somit dort bleiben und weiterhin Verantwortung dafür übernehmen zu können.
Da indigene Völker unerbittlich – und oft gewaltsam – aus Gebieten vertrieben werden, die wir seit jeher als unsere Heimat ansehen, sind Landbesitzreformen und abgesicherte Landrechte inzwischen absolut ausschlaggebend. Andernfalls werden die Besiedlung durch Außenstehende, die Ausweitung der Landwirtschaft, industrielle Ausbeutung, Wüstenbildung und Krankheiten weiterhin unsere historischen Bindungen an das Land, auf dem wir leben, zerstören.
Regierungen müssen sich zu einem nachhaltigeren Landmanagement verpflichten. Der 30x30-Plan, demzufolge 30% der weltweiten Land- und Meeresflächen bis zum Ende dieses Jahrzehnts unter Schutz gestellt werden sollen, ist eine gute Idee, vorausgesetzt, er wird in enger Partnerschaft mit indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften verfolgt. Das bedeutet, dass die vollständige Einbeziehung, die Anerkennung unserer Landrechte und unsere Einwilligung ohne Zwang, vorab und in Kenntnis der Sachlage gewährleistet sein müssen. Wir müssen in vollem Umfang am Verhandlungstisch vertreten sein, wenn neue Vereinbarungen getroffen werden und wenn Projekte zum Schutz und zur Wiederherstellung von Ökosystemen geplant werden.
Um diese wichtige Aufgabe erfüllen zu können, brauchen wir außerdem Zugang zu Finanzmitteln. Die Community Land Rights and Conservation Finance Initiative mit ihrem Fokus auf den Punkt, an dem sich Landbesitzrechte und gemeinschaftlich geführter Naturschutz überschneiden, ist ein guter Anfang. CLARIFI füllt eine wichtige Lücke, indem es Mittel direkt an indigene und von Gemeinschaften geführte Initiativen weiterleitet. Ziel ist es, bis 2030 zehn Milliarden Dollar aufzubringen und die rechtlich anerkannten indigenen Gebiete um 400 Millionen Hektar zu erweitern. Dies ist für die Eindämmung der Entwaldung, des Klimawandels und des Verlusts der biologischen Vielfalt von entscheidender Bedeutung. Der legale Landbesitz dieser Gemeinschaften soll auf mindestens 50% aller Tropenwälder ausgeweitet werden.
Wenn sich die Welt verpflichtet, in indigene Völker zu investieren, können wir von da an übernehmen. Mit ausreichenden Finanzmitteln vor Ort – nicht nur auf dem Papier und in Reden – können wir mehr als jeder andere für den Schutz der Natur und den Erhalt der biologischen Vielfalt in der Welt tun.
Obwohl die Verabschiedung des Globalen Rahmens für die biologische Vielfalt von entscheidender Bedeutung ist, um einen umfassenden Zusammenbruch der Ökosysteme zu verhindern, sind die Verhandlungen mit Verzögerungen, Unstimmigkeiten und dem Widerwillen wichtiger Parteien verbunden. Die internationalen Staats- und Regierungschefs müssen sich der Situation gewachsen zeigen und eine Einigung erzielen, die die Rechte und die einzigartigen Beiträge indigener Völker und lokaler Gemeinschaften in vollem Umfang anerkennt.
Aus dem Englischen von Sandra Pontow
N’DJAMENA – 2022 ist ein entscheidendes Jahr für die natürliche Umwelt. Die Verhandlungen der internationalen Staats- und Regierungschefs in Montreal im Dezember dieses Jahres werden über das Schicksal des Globalen Rahmens für die biologische Vielfalt für die Zeit nach 2020 entscheiden, ein weitreichendes Abkommen, in dem die Umweltagenda der Welt für das nächste Jahrzehnt festgelegt wird. Die Zukunft von etwa einer Million Pflanzen- und Tierarten steht ebenso auf dem Spiel, wie das Leben und die Lebensgrundlagen von Milliarden von Menschen.
Bei der biologischen Vielfalt geht es nicht nur darum, Bäume, Vögel, Fische oder Insekten zu zählen. Diese sind sicherlich wichtig, aber ebenso wichtig ist das Gleichgewicht der Ökosysteme insgesamt, auf die sie, wir und viele andere Arten angewiesen sind. Darüber hinaus muss das „wir“ auch indigene Völker einschließen, denen in Umweltdiskussionen eine besonders wichtige Rolle zukommt.
Ich bin eine von ihnen. Mein Volk, die Mbororo im Tschad, ist wie viele andere Gruppen, die uralte Bindungen zum Land ihrer Vorfahren auf der ganzen Welt haben. Wir sind erwiesene Bewahrer eines Großteils des wertvollen, aber schwindenden natürlichen Erbes der Welt. Die Abholzung auf unserem Land ist viel geringer als anderswo. Die Vegetation ist dichter, die Wildtiere sind zahlreicher, die Nahrungsketten sind stabiler. Wo wir leben, ist die Lebensfähigkeit der Natur noch nicht erloschen. Ein Drittel der weltweiten Tropenwälder, Torfgebiete und Mangroven – kohlenstoffreiche Ökosysteme, die 80% der globalen Artenvielfalt beherbergen – befinden sich auf indigenem Land.
Das ist kein Zufall. Land ist alles für indigene Völker. Es versorgt uns mit Nahrung und Medizin, bietet uns Obdach und es ist der Ursprung unserer Kultur und Geschichte. Über unzählige Generationen hinweg haben wir gelernt, gut auf unserem Land zu leben. Wir wissen, wie man es schützt, wie man es wiederherstellt und wie wir auf förderliche Art und Weise mit ihm umgehen, anstatt es zu zerstören.
Die Wissenschaft hat längst bestätigt, dass indigene Völker einzigartige Beiträge zum Wohlergehen der Erde leisten. Im Jahr 2019 betonte der Weltklimarat, dass indigenes Wissen für die Bewältigung der globalen Erwärmung und ihrer Auswirkungen entscheidend ist. Die Zwischenstaatliche Plattform für Wissenschaft und Politik zu Biodiversität und Ökosystemleistungen, kurz IPBES, gelangte in Bezug auf den Erhalt der biologischen Vielfalt zu demselben Schluss. In einem Folgebericht aus diesem Jahr hat IPBES die Bedeutung der Beiträge indigener Völker zum globalen Naturschutz noch einmal hervorgehoben.
Die zunehmende Anerkennung, die traditionelles Wissen weltweit erfährt, spiegelte sich auch auf der UN-Klimakonferenz (COP26) in Glasgow im vergangenen Jahr wider, als mehrere Länder und private Geber 1,7 Milliarden Dollar zur Unterstützung der Bemühungen indigener Völker und lokaler Gemeinschaften zum Biodiversitäts- und Klimaschutz zusagten. Diese Verpflichtung gegenüber weit verstreuten, aber zunehmend geeinten Bevölkerungsgruppen ist beispiellos.
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Doch während wir die zunehmende Anerkennung des Wissens und der Methoden indigener Kulturen durch internationale Staats- und Regierungschefs begrüßen, ist für die Erfüllung unserer Aufgabe als Bewahrer der Natur mehr als Anerkennung erforderlich. Um weiterhin als wirksamste Hüter der Natur zu fungieren, brauchen wir das Recht, das Land unserer Vorfahren zu besitzen – um somit dort bleiben und weiterhin Verantwortung dafür übernehmen zu können.
Da indigene Völker unerbittlich – und oft gewaltsam – aus Gebieten vertrieben werden, die wir seit jeher als unsere Heimat ansehen, sind Landbesitzreformen und abgesicherte Landrechte inzwischen absolut ausschlaggebend. Andernfalls werden die Besiedlung durch Außenstehende, die Ausweitung der Landwirtschaft, industrielle Ausbeutung, Wüstenbildung und Krankheiten weiterhin unsere historischen Bindungen an das Land, auf dem wir leben, zerstören.
Regierungen müssen sich zu einem nachhaltigeren Landmanagement verpflichten. Der 30x30-Plan, demzufolge 30% der weltweiten Land- und Meeresflächen bis zum Ende dieses Jahrzehnts unter Schutz gestellt werden sollen, ist eine gute Idee, vorausgesetzt, er wird in enger Partnerschaft mit indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften verfolgt. Das bedeutet, dass die vollständige Einbeziehung, die Anerkennung unserer Landrechte und unsere Einwilligung ohne Zwang, vorab und in Kenntnis der Sachlage gewährleistet sein müssen. Wir müssen in vollem Umfang am Verhandlungstisch vertreten sein, wenn neue Vereinbarungen getroffen werden und wenn Projekte zum Schutz und zur Wiederherstellung von Ökosystemen geplant werden.
Um diese wichtige Aufgabe erfüllen zu können, brauchen wir außerdem Zugang zu Finanzmitteln. Die Community Land Rights and Conservation Finance Initiative mit ihrem Fokus auf den Punkt, an dem sich Landbesitzrechte und gemeinschaftlich geführter Naturschutz überschneiden, ist ein guter Anfang. CLARIFI füllt eine wichtige Lücke, indem es Mittel direkt an indigene und von Gemeinschaften geführte Initiativen weiterleitet. Ziel ist es, bis 2030 zehn Milliarden Dollar aufzubringen und die rechtlich anerkannten indigenen Gebiete um 400 Millionen Hektar zu erweitern. Dies ist für die Eindämmung der Entwaldung, des Klimawandels und des Verlusts der biologischen Vielfalt von entscheidender Bedeutung. Der legale Landbesitz dieser Gemeinschaften soll auf mindestens 50% aller Tropenwälder ausgeweitet werden.
Wenn sich die Welt verpflichtet, in indigene Völker zu investieren, können wir von da an übernehmen. Mit ausreichenden Finanzmitteln vor Ort – nicht nur auf dem Papier und in Reden – können wir mehr als jeder andere für den Schutz der Natur und den Erhalt der biologischen Vielfalt in der Welt tun.
Obwohl die Verabschiedung des Globalen Rahmens für die biologische Vielfalt von entscheidender Bedeutung ist, um einen umfassenden Zusammenbruch der Ökosysteme zu verhindern, sind die Verhandlungen mit Verzögerungen, Unstimmigkeiten und dem Widerwillen wichtiger Parteien verbunden. Die internationalen Staats- und Regierungschefs müssen sich der Situation gewachsen zeigen und eine Einigung erzielen, die die Rechte und die einzigartigen Beiträge indigener Völker und lokaler Gemeinschaften in vollem Umfang anerkennt.
Aus dem Englischen von Sandra Pontow