PRINCETON – Was die globale Wirtschaftsführung angeht, war das 20. Jahrhundert amerikanisch, wie das 19. britisch und das 16. spanisch war. Einige Chinesen und Europäer denken, dass sie als Nächstes an der Reihe sind, aber stimmt das auch? Und wäre das überhaupt erstrebenswert?
Die wichtigste Voraussetzung für die globale Führungsrolle ist Größe. Je größer eine Volkswirtschaft ist, desto größer ist deren systemische Relevanz und desto mehr Gewicht haben die politischen Vertreter bei der Entscheidungsfindung in internationalen Gremien. Die USA sind die größte Wirtschaft der Welt, mit einem Bruttoinlandsprodukt von ca. 16,7 Billionen US-Dollar. Die Eurozone liegt mit 12,6 Billionen US-Dollar an zweiter und China mit ca. 9 Billionen US-Dollar an dritter Stelle. Mit anderen Worten, alle drei Wirtschaftsräume sind groß genug, um die Rolle als Wirtschaftsvorreiter zu spielen.
Aber die Prognosen für eine Wirtschaft sind auch wichtig für ihre Aussichten auf den ersten Platz – und da stehen große Herausforderungen bevor. Niemand geht davon aus, dass die Eurozone in den kommenden Jahren oder gar Jahrzehnten schneller wachsen wird als die USA. China wird die USA hinsichtlich der Produktion bis 2020 überholt haben, allerdings werden gleichzeitig Jahrzehnte der strengen Kontrolle des Bevölkerungswachstums das Wachstum langfristig schwächen, sodass die US-Wirtschaft die dynamischste der drei sein wird.
Eine andere Schlüsselanforderung für die globale Wirtschaftsführung ist die systemische Relevanz hinsichtlich Handel, Geld und Finanzen. Im Gegensatz zu China, die eine große Handelsmacht ist, dessen Geld- und Finanzkapazitäten aber unterentwickelt sind, erfüllt die Eurozone die Anforderungen der systemischen Bedeutung in allen drei Bereichen.
Die Führungsrolle birgt auch noch einen weniger konkreten Aspekt. Um die globale Führungsrolle tatsächlich auszufüllen, muss man auch die globalen Wirtschaftsstrukturen gestalten und miteinander verbinden, innerhalb derer Staaten und Märkte operieren – was die USA seit fast 70 Jahren leisten.
Bei der Bretton Woods-Konferenz 1944 gestalteten die USA die internationale Geld- und Finanzstruktur nach dem Zweiten Weltkrieg. Auf der Grundlage des US-Dollars hat dieses Rahmenwerk Finanzkrisen, die Auflösung der Sowjetunion und die Integration verschiedener Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft überstanden.
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Heute ruht die amerikanische Führerschaft in den Bereichen globaler Handel sowie Steuerung des Finanz- und Geldsystems auf der Verknüpfung von Stärken. Die USA stellen die wichtigste internationale Währung, agieren als Achsnagel der globalen Nachfrage, etablieren Trends der Finanzregulierung und haben eine Notenbank, die de facto der Geldgeber der letzten Instanz ist.
Und bei der Versorgung der Welt mit einer zentralen Währung geht es nicht nur um die Bereitstellung eines globalen öffentlichen Gutes. Da die USA für Importe mit ihrer eigenen Währung Geld aufnehmen und zahlen können, ist sie keinen harten Zahlungsbilanzbeschränkungen ausgesetzt. Dies hat zu großen und dauerhaften Leistungsbilanzdefiziten seit den frühen 1980er Jahren geführt.
Diese Defizite sind ständig Grund zur Sorge über die Tragfähigkeit des Systems, dessen unmittelbar bevorstehenden Untergang Beobachter (meistens außerhalb der USA) schon seit langem predigen. Aber das System überlebt, weil es auf einem funktionalen Handel beruht, nach dem die USA das Geld anderen Länder verwendet, um als Hauptmotor der globalen Nachfrage zu agieren. Exportorientierte Länder wie Deutschland, Japan und China schulden einen Großteil ihres Erfolgs der Fähigkeit Amerikas, einen großen Anteil der globalen Exporte zu absorbieren – und sie müssen Amerika weiter bezahlen, um diese Rolle weiter auszufüllen.
Angesichts dieser Umstände sind die großen Exportnationen in letzter Zeit massiv unter Druck geraten, als verantwortungsbewusste Weltbürger ihre Außenhandelsüberschüsse zu „korrigieren“. Während dies zu einer erheblichen Kontraktion der chinesischen und japanischen Überschüsse geführt hat, wächst der Leistungsbilanzüberschuss. Der Internationale Währungsfonds erwartet einen Anstieg auf 2,3 Prozent des BIP in diesem Jahr (etwas geringer als der chinesische Überschuss).
Es erscheint logischer, dass die Weltwirtschaft von einem Überschussland geführt wird, da die Kreditoren normalerweise die Bedingungen vorgeben. Zur Zeit der Konferenz von Bretton Woods stammte mehr als die Hälfte der globalen Industrieproduktion aus den USA. Der Rest der Welt brauchte Dollar, die nur die USA liefern konnten.
Eine Weltwirtschaft unter chinesischer oder europäischer Führung würde wahrscheinlich mehr wie die Pax Britannica vor dem ersten Weltkrieg aussehen (während der das Vereinigte Königreich den Rest der Welt unter Vorwegnahme des eigenen wirtschaftlichen Verfalls mit Kapital versorgte), wobei der Hegemon langfristige Mittel bereitstellen würde. Aber Grundlage dieses Szenarios wäre ein komplexes und gut funktionierendes Finanzsystem zur Bereitstellung der Mittel – wozu weder China noch die Eurozone in der Lage sind.
Trotz der Finanzkrise von 2008 bleiben die USA die unangefochtenen Führer des globalen Finanzsystems. Die amerikanischen Finanzmärkte sind in ihrer Komplexität, Liquidität und Sicherheit beispiellos und werden dadurch zu Magneten für das globale Kapital, besonders in Zeiten finanzieller Notlagen. Diese „Zugkraft“ ist ein zentrales Element der finanziellen Vorherrschaft der USA und unterstreicht die Rolle des Dollar, während Investoren auf der Suche nach sicherem, flüssigem Kapital US-Staatsanleihen kaufen.
Die Annahme, eine gemeinsame Währung und ein gemeinsamer Kapitalmarkt könnten die Finanzinstitutionen stützen und die Komplexität der Märkte verstärken, war einer der Grundgedanken der Bildung der Eurozone. Aber da es kein einheitliches Schuldinstrument wie die US-Staatsanleihen gibt, hat die Krise dazu geführt, dass die Erträge der Staatsverschuldung der Eurozonen-Mitglieder auseinander drifteten. Daraufhin zog sich die Kreditvergabe der Banken hinter Staatsgrenzen zurück und die Idee eines europäischen Kapitalmarktes fiel auseinander.
Ebenso verringert die Abwesenheit einer Währungskonvertierbarkeit in China die Aussichten der chinesischen Wirtschaft, die Führung zu übernehmen – zusammen mit einer schwachen Finanzaufsicht, die ein größeres Problem reflektiert, nämlich eine schwache Umsetzung der Rechtsstaatlichkeit.
Europäer und Chinesen sollten sich fragen, ob sie wirklich die Risiken im Zusammenhang mit einer Position im Zentrum eines großen und komplexen globalen Finanzsystems auf sich nehmen wollen. Die Kontrolle des Systems ist der Kelch der globalen Führungsrolle. Für Volkswirtschaften, die nicht adäquat darauf vorbereitet sind, kann sich das Elixier leicht in Gift verwandeln.
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Though Donald Trump attracted more support than ever from working-class voters in the 2024 US presidential election, he has long embraced an agenda that benefits the wealthiest Americans above all. During his second term, however, Trump seems committed not just to serving America’s ultra-rich, but to letting them wield state power themselves.
The reputation of China's longest-serving premier has fared far better than that of the Maoist regime he faithfully served. Zhou's political survival skills enabled him to survive many purges, and even to steer Mao away from potential disasters, but he could not escape the Chairman's cruelty, even at the end of his life.
reflects on the complicated life and legacy of the renowned diplomat who was Mao Zedong’s dutiful lieutenant.
PRINCETON – Was die globale Wirtschaftsführung angeht, war das 20. Jahrhundert amerikanisch, wie das 19. britisch und das 16. spanisch war. Einige Chinesen und Europäer denken, dass sie als Nächstes an der Reihe sind, aber stimmt das auch? Und wäre das überhaupt erstrebenswert?
Die wichtigste Voraussetzung für die globale Führungsrolle ist Größe. Je größer eine Volkswirtschaft ist, desto größer ist deren systemische Relevanz und desto mehr Gewicht haben die politischen Vertreter bei der Entscheidungsfindung in internationalen Gremien. Die USA sind die größte Wirtschaft der Welt, mit einem Bruttoinlandsprodukt von ca. 16,7 Billionen US-Dollar. Die Eurozone liegt mit 12,6 Billionen US-Dollar an zweiter und China mit ca. 9 Billionen US-Dollar an dritter Stelle. Mit anderen Worten, alle drei Wirtschaftsräume sind groß genug, um die Rolle als Wirtschaftsvorreiter zu spielen.
Aber die Prognosen für eine Wirtschaft sind auch wichtig für ihre Aussichten auf den ersten Platz – und da stehen große Herausforderungen bevor. Niemand geht davon aus, dass die Eurozone in den kommenden Jahren oder gar Jahrzehnten schneller wachsen wird als die USA. China wird die USA hinsichtlich der Produktion bis 2020 überholt haben, allerdings werden gleichzeitig Jahrzehnte der strengen Kontrolle des Bevölkerungswachstums das Wachstum langfristig schwächen, sodass die US-Wirtschaft die dynamischste der drei sein wird.
Eine andere Schlüsselanforderung für die globale Wirtschaftsführung ist die systemische Relevanz hinsichtlich Handel, Geld und Finanzen. Im Gegensatz zu China, die eine große Handelsmacht ist, dessen Geld- und Finanzkapazitäten aber unterentwickelt sind, erfüllt die Eurozone die Anforderungen der systemischen Bedeutung in allen drei Bereichen.
Die Führungsrolle birgt auch noch einen weniger konkreten Aspekt. Um die globale Führungsrolle tatsächlich auszufüllen, muss man auch die globalen Wirtschaftsstrukturen gestalten und miteinander verbinden, innerhalb derer Staaten und Märkte operieren – was die USA seit fast 70 Jahren leisten.
Bei der Bretton Woods-Konferenz 1944 gestalteten die USA die internationale Geld- und Finanzstruktur nach dem Zweiten Weltkrieg. Auf der Grundlage des US-Dollars hat dieses Rahmenwerk Finanzkrisen, die Auflösung der Sowjetunion und die Integration verschiedener Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft überstanden.
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Und bei der Versorgung der Welt mit einer zentralen Währung geht es nicht nur um die Bereitstellung eines globalen öffentlichen Gutes. Da die USA für Importe mit ihrer eigenen Währung Geld aufnehmen und zahlen können, ist sie keinen harten Zahlungsbilanzbeschränkungen ausgesetzt. Dies hat zu großen und dauerhaften Leistungsbilanzdefiziten seit den frühen 1980er Jahren geführt.
Diese Defizite sind ständig Grund zur Sorge über die Tragfähigkeit des Systems, dessen unmittelbar bevorstehenden Untergang Beobachter (meistens außerhalb der USA) schon seit langem predigen. Aber das System überlebt, weil es auf einem funktionalen Handel beruht, nach dem die USA das Geld anderen Länder verwendet, um als Hauptmotor der globalen Nachfrage zu agieren. Exportorientierte Länder wie Deutschland, Japan und China schulden einen Großteil ihres Erfolgs der Fähigkeit Amerikas, einen großen Anteil der globalen Exporte zu absorbieren – und sie müssen Amerika weiter bezahlen, um diese Rolle weiter auszufüllen.
Angesichts dieser Umstände sind die großen Exportnationen in letzter Zeit massiv unter Druck geraten, als verantwortungsbewusste Weltbürger ihre Außenhandelsüberschüsse zu „korrigieren“. Während dies zu einer erheblichen Kontraktion der chinesischen und japanischen Überschüsse geführt hat, wächst der Leistungsbilanzüberschuss. Der Internationale Währungsfonds erwartet einen Anstieg auf 2,3 Prozent des BIP in diesem Jahr (etwas geringer als der chinesische Überschuss).
Es erscheint logischer, dass die Weltwirtschaft von einem Überschussland geführt wird, da die Kreditoren normalerweise die Bedingungen vorgeben. Zur Zeit der Konferenz von Bretton Woods stammte mehr als die Hälfte der globalen Industrieproduktion aus den USA. Der Rest der Welt brauchte Dollar, die nur die USA liefern konnten.
Eine Weltwirtschaft unter chinesischer oder europäischer Führung würde wahrscheinlich mehr wie die Pax Britannica vor dem ersten Weltkrieg aussehen (während der das Vereinigte Königreich den Rest der Welt unter Vorwegnahme des eigenen wirtschaftlichen Verfalls mit Kapital versorgte), wobei der Hegemon langfristige Mittel bereitstellen würde. Aber Grundlage dieses Szenarios wäre ein komplexes und gut funktionierendes Finanzsystem zur Bereitstellung der Mittel – wozu weder China noch die Eurozone in der Lage sind.
Trotz der Finanzkrise von 2008 bleiben die USA die unangefochtenen Führer des globalen Finanzsystems. Die amerikanischen Finanzmärkte sind in ihrer Komplexität, Liquidität und Sicherheit beispiellos und werden dadurch zu Magneten für das globale Kapital, besonders in Zeiten finanzieller Notlagen. Diese „Zugkraft“ ist ein zentrales Element der finanziellen Vorherrschaft der USA und unterstreicht die Rolle des Dollar, während Investoren auf der Suche nach sicherem, flüssigem Kapital US-Staatsanleihen kaufen.
Die Annahme, eine gemeinsame Währung und ein gemeinsamer Kapitalmarkt könnten die Finanzinstitutionen stützen und die Komplexität der Märkte verstärken, war einer der Grundgedanken der Bildung der Eurozone. Aber da es kein einheitliches Schuldinstrument wie die US-Staatsanleihen gibt, hat die Krise dazu geführt, dass die Erträge der Staatsverschuldung der Eurozonen-Mitglieder auseinander drifteten. Daraufhin zog sich die Kreditvergabe der Banken hinter Staatsgrenzen zurück und die Idee eines europäischen Kapitalmarktes fiel auseinander.
Ebenso verringert die Abwesenheit einer Währungskonvertierbarkeit in China die Aussichten der chinesischen Wirtschaft, die Führung zu übernehmen – zusammen mit einer schwachen Finanzaufsicht, die ein größeres Problem reflektiert, nämlich eine schwache Umsetzung der Rechtsstaatlichkeit.
Europäer und Chinesen sollten sich fragen, ob sie wirklich die Risiken im Zusammenhang mit einer Position im Zentrum eines großen und komplexen globalen Finanzsystems auf sich nehmen wollen. Die Kontrolle des Systems ist der Kelch der globalen Führungsrolle. Für Volkswirtschaften, die nicht adäquat darauf vorbereitet sind, kann sich das Elixier leicht in Gift verwandeln.
Aus dem Englischen von Eva Göllner.