rogoff244_Carl CourtGetty Images_global economy Carl Court/Getty Images

Die Weltwirtschaft ist noch nicht über den Berg

CAMBRIDGE, MASS.: Die Weltwirtschaft hielt 2023 eine Menge Überraschungen parat. Trotz des steilen Zinsanstiegs vermieden die USA erfolgreich eine Rezession, und die wichtigen Schwellenmärkte gerieten nicht in eine Schuldenkrise. Selbst Japans geriatrische Wirtschaft legte eine verblüffende Vitalität an den Tag. Die Europäische Union dagegen geriet ins Hintertreffen, als ihr deutscher Wachstumsmotor angesichts des abrupten Endes von vier Jahrzehnten chinesischen Hyperwachstums ins Stottern geriet.

Mit Blick auf 2024 bleiben mehrere drohende Fragen. Was passiert bei den langfristigen inflationsbereinigten Zinssätzen? Kann China angesichts der Turbulenzen in seinem Immobiliensektor und der starken Verschuldung seiner Kommunen einen drastischeren Abschwung vermeiden? Kann die Bank von Japan (BOJ), nachdem sie die Zinssätze zwei Jahrzehnte lang in Nullnähe gehalten hat, eine Zinsnormalisierung herbeiführen, ohne systemische Finanz- und Schuldenkrisen auszulösen? Werden die verzögerten Auswirkungen der von der US-Notenbank eingeleiteten Zinserhöhungen die USA letztlich in die Rezession treiben? Können die Schwellenmärkte ein weiteres Jahr lang Stabilität wahren? Und was schließlich wird sich als nächste große Quelle geopolitischer Instabilität erweisen? Eine chinesische Blockade Taiwans, ein Wahlsieg von Ex-Präsident Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl im November oder ein unvorhergesehenes Ereignis?

Die Antworten auf diese Fragen hängen miteinander zusammen. Eine Rezession in den USA könnte zu einem deutlichen Rückgang der globalen Zinsen führen. Aber das würde womöglich nur vorübergehend Abhilfe schaffen, da mehrere Faktoren – darunter die außerordentlich hohen Schuldenstände, die schleichende Entglobalisierung, zunehmender Populismus, der Zwang zur Ausweitung der Verteidigungsausgaben und die ökologische Wende – die langfristigen Zinssätze im kommenden Jahrzehnt deutlich über dem ultraniedrigen Niveau der Zeit zwischen 2012 und 2021 halten dürften.

https://prosyn.org/1Cl4nSHde