Germany Deutches Museum Munich m.salo/Flickr

Eine einmalige Chance für Deutschland

BERLIN – Die deutsche Volkswirtschaft scheint nicht aufzuhalten. Die Wirtschaftsleistung dürfte in diesem Jahr um mehr als 2% steigen, die Löhne um 3%, und der Leistungsbilanzüberschuss dürfte enorme 8,4% vom BIP erreichen. Die Arbeitslosigkeit hat sich während des vergangenen Jahrzehnts halbiert und ist niedrig wie nie. Die deutschen Exporteure sind nach wie vor enorm innovativ und konkurrenzfähig. Und die Regierung verzeichnet einen beträchtlichen Haushaltsüberschuss. Während das übrige Europa weiterhin mit Krise und Selbstzweifeln zu kämpfen hat, scheint Deutschland eine strahlende Zukunft sicher. Doch der Schein kann täuschen.

Tatsächlich erzählen die derzeitigen rosigen gesamtwirtschaftlichen Daten nicht die ganze Geschichte. Seit Einführung des Euro im Jahre 1999 war das deutsche Produktivitätswachstum im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern nicht mehr als durchschnittlich; die Reallöhne sind für die Hälfte der Erwerbsbevölkerung gesunken, und das jährliche BIP-Wachstum betrug im Durchschnitt enttäuschende 1,2%.

Ein wichtiger Grund für diese glanzlose Entwicklung ist Deutschlands bekannt schwache Investitionsrate, die zu den niedrigsten in der OECD gehört. Das Ergebnis ist ein Verfall der Infrastruktur, einschließlich von Straßen, Brücken und Schulen. Zusammen mit einem unzureichenden Regulierungs- und Geschäftsumfeld sorgt dies für Verunsicherung bei den Unternehmen; seit 1999 haben Deutschlands große multinationale Konzerne ihre Beschäftigungszahl im Ausland verdoppelt und zugleich im Inland Arbeitsplätze abgebaut.

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