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Wie die neuerliche Führung durch die G20 aussehen sollte

SEOUL – Die COVID-19-Pandemie hat einen Schatten auf die Weltwirtschaft geworfen. Dies macht es unmöglich, auch nur die nahe Zukunft vorherzusehen. Beschränkungen des grenzüberschreitenden Verkehrs und nationale Ausgangssperren verringern Produktion und Konsum weltweit rapide und bringen die Wertschöpfungsketten durcheinander. Die wachsende Unsicherheit verursacht einen Teufelskreis, da die Kontraktion in der Realwirtschaft auf den Finanzsektor übergreift, der dann seinerseits die Kreditvergabe an Nicht-Finanzunternehmen drosselt. Es gibt gute Gründe, zu befürchten, dass die von COVID-19 verursachten wirtschaftlichen Erschütterungen größer sein und länger andauern könnten als jene, die von der globalen Finanzkrise von 2008 oder sogar von der Großen Depression der 1930er Jahre verursacht wurden.

An diesem kritischen Punkt wendet sich die Welt einmal mehr der G20 zu, damit diese eine Führungsrolle übernehmen möge. Die G20 wurde im Gefolge der asiatischen Finanzkrise von 1997 – die sie dann auch beilegte – als Zusammenkunft der Finanzminister und Notenbanker der Mitgliedstaaten gegründet. Während der Krise von 2008 entwickelte sie sich zu einem Forum für die Staats- und Regierungschefs und hat seitdem eine entscheidende Rolle in der Weltwirtschaft gespielt, indem sie die internationale Zusammenarbeit fördert und in Krisenzeiten unschätzbare Orientierungshilfe bietet. Angesichts der beispiellosen Erschütterung durch COVID-19 muss die G20, auf deren Mitgliedsländer rund 90% der weltweiten Produktion entfällt, jetzt erneut aktiv werden.

Nach dem vom südkoreanischen Präsident Moon Jae-in Mitte März angeregten virtuellen Notfallgipfel der G20, der dann am 26. März stattfand, haben die Regierungen in raschem Tempo eine Reaktion auf die Krise organisiert. Die Staats- und Regierungschefs der Gruppe vereinbarten auf dieser Sitzung eine enge Zusammenarbeit in vier wichtigen Politikbereichen: Gesundheit, Wirtschaft, Handel und internationale Zusammenarbeit. Sie gelobten zudem, die Initiative zu ergreifen und gemeinschaftlich als globale Feuerwehr zu agieren. Inzwischen arbeiten alle Regierungen sowie die internationalen Organisationen unter Leitung von G20-Beratungsgremien auf Ministerebene gemeinsam daran, einen konkreten Aktionsplan zur Erfüllung der Zusagen der nationalen Staats- und Regierungschefs zu erstellen.

Um die Pandemie und deren wirtschaftliche Folgen zu bekämpfen, muss die G20 drei Dinge tun. Erstens muss sie weiterhin ein starkes Engagement zur Koordinierung ihrer Politik an den Tag legen. Jeder G20-Mitgliedstaat muss Maßnahmen auf nationaler Ebene entwickeln, die darauf zielen, dieselben globalen Ziele zu erreichen, und zugleich engen Kontakt zu den übrigen Mitgliedstaaten halten, damit die Bemühungen aller aufeinander abgestimmt sind und sich ergänzen. Der einzige Ausweg aus der Krise ist Solidarität, nicht Isolation und neue Barrieren. Um das Vertrauen von Bürgern und Unternehmen gleichermaßen zu bewahren, muss die G20 ihre Bereitschaft signalisieren, ggf. weitere Maßnahmen zu ergreifen, die über die aktuellen Markterwartungen hinausgehen.

Zweitens muss die G20 ihr Engagement durch einen konkreten, praktischen Aktionsplan und Maßnahmen zu seiner Umsetzung bekräftigen. An dieser Stelle ist es wichtig, sich der Lehren von 2008 zu erinnern, als die G20-Regierungen ehrgeizige Konjunkturimpulse, Regulierungsreformen und eine Unterlassung neuer protektionistischer Maßnahmen vereinbarten. Diese Zusagen führten die Welt aus der tiefsten Phase der Krise. Die COVID-19-Pandemie konfrontiert uns mit einer noch schwierigeren Aufgabe, weil wir gleichzeitig eine Gesundheitskrise und einen wirtschaftlichen Zusammenbruch überwinden müssen. Um dabei Erfolg zu haben, müssen Rettungsbemühungen und Quarantänemaßnahmen eng aufeinander abgestimmt und vollständig in den Aktionsplan der G20 eingebunden sein.

Drittens muss die Strategie zur Bekämpfung der unmittelbaren Doppelkrise eine Ausstiegsstrategie und eine längerfristige Vision für die Weltwirtschaft umfassen. Die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus längere Zeit aufrechtzuerhalten wird vielen Branchen schaden und die Widerstandsfähigkeit der Volkswirtschaften untergraben. Angesichts der Schwierigkeiten dabei, einen praktikablen Zeitablauf zur Wiederherstellung der Wirtschaftsaktivität vorauszuberechnen, sollte die G20 jetzt mit der Einleitung strategischer Maßnahmen zur Belebung der Konjunktur beginnen, damit diese organisiert sind, wenn sie gebraucht werden. Sie sollte außerdem diese Gelegenheit ergreifen, um einen Rahmen auszuarbeiten, der der pandemiebedingten Verbreitung kontaktloser – in Südkorea spricht man inzwischen von „untact“ – Transaktionen Rechnung trägt.

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Zeitgleich mit ihren Bemühungen zur Ausrichtung des ursprünglichen Notfallgipfels erstellte die südkoreanische Regierung ein Themenpapier mit einer ganzen Reihe von Plänen zur Koordinierung von Quarantänemaßnahmen und makroökonomischen Strategien, der globalen Finanzstabilität und des Personen- und Warenverkehrs. Die Aufgabe ist nun, sicherzustellen, dass die globale Reaktion vorausschauend, prompt und präzise ausfällt.

Südkoreas Effektivität bei der Bekämpfung des Coronavirus wurde weltweit gelobt. Das Land verdankt seinen Erfolg einer Kombination aus transparenten Quarantäne- und Behandlungsmaßnahmen und einem umfassenden, 120 Milliarden Dollar schweren Paket fiskalischer Impulse. Unsere Regierung hat ihr COVID-19-Krisenhandbuch inzwischen an die G20-Mitglieder, andere Regierungen und die relevanten internationalen Organisationen weitergeleitet.

Südkorea wird weiterhin seinen Teil betragen und eng mit der G20 zusammenarbeiten, um eine wirksame weltweite Reaktion auf die Krise zu organisieren. Wir sollten uns dabei an das Sprichwort erinnern, das da heißt: „Gemeisterte Schwierigkeiten sind erfolgreich genutzte Chancen.“ Die G20 ihrerseits muss erneut als Kontrolltower der Welt agieren. Mit fortgesetzter Führung der Gruppe in dieser Krise und darüber hinaus können wir die Weltwirtschaft in eine neue Phase starken, nachhaltigen, ausgewogenen und breite Schichten einbeziehenden Wachstums lenken.

Aus dem Englischen von Jan Doolan

https://prosyn.org/K8XBvL7de