STEAMBOAT SPRINGS, COLORADO – Der Chairman der US Federal Reserve, Jerome Powell, hat verkündet, in der US-Geldpolitik jetzt einen Kurs steigender Zinsen zu verfolgen. Damit ist ein Anstieg des kurzfristigen Zinssatzes (für Tagesgelder und Schatzanleihen) bis 2024 um mindestens 200 Basispunkte möglich. Powell hat damit dem Druck von Ökonomen und Finanziers nachgegeben und eine Strategie wiederbelebt, die die Fed seit 50 Jahren verfolgt – und die in ihrem Giftschrank hätte bleiben sollen.
Der angegebene Grund für die Straffung der Geldpolitik ist die „Inflationsbekämpfung“. Doch tun Zinserhöhungen nichts, um der Inflation kurzfristig entgegenzuwirken, und langfristig wirken sie nur preissenkend, indem sie eine neuerliche Wirtschaftskrise herbeiführen. Es liegt dieser Politik eine mysteriöse Theorie zugrunde, die die Zinsen mit der Geldmenge und die Geldmenge mit dem Preisniveau verknüpft. Diese „monetaristische“ Theorie wird heute aus gutem Grund unerwähnt: Sie wurde vor 40 Jahren weitgehend aufgegeben, nachdem sie zu einem Finanzdebakel beigetragen hatte.
Ende der 1970er Jahre versprachen die Monetaristen, dass, wenn sich die Fed nur auf die Steuerung der Geldmenge konzentrieren würde, die Inflation sich ohne Zunahme der Arbeitslosigkeit zähmen ließe. Im Jahr 1981 probierte Fed-Chairman Paul Volcker dies aus. Die kurzfristigen Zinsen stiegen steil auf 20 %, die Arbeitslosigkeit erreichte 10 %, und Lateinamerika geriet in eine Schuldenkrise, die alle New Yorker Großbanken an den Rand der Pleite trieb. Ende 1982 hatte die Fed den Versuch aufgegeben.
Seit damals gab es, bedingt durch niedrige weltweite Rohstoffpreise und den Aufstieg Chinas, nahezu keine Inflation, die man hätte bekämpfen können. In Abständen jedoch betrieb die Fed ein Schattenboxen mit den „Inflationserwartungen“; sie hat die Zinsen im Laufe der Zeit erhöht, um den unsichtbaren Dämonen „vorzubeugen“, und sich dann selbst auf die Schulter geklopft, wenn diese nicht auftraten.
Auch dieses Schattenboxen endet böse. Haben die Kreditnehmer erst einmal erkannt, dass die Zinsen mit der Zeit steigen, neigen sie dazu, im großen Umfang billige Kredite aufzunehmen. Dies heizt spekulative Preissteigerungen bei Realvermögen (wie Land) und „Fake Assets“ (wie Internet-Start-ups in den 1990er Jahren, Subprime-Hypotheken in den 2000er Jahren und jetzt Kryptowährungen) an. Zugleich bleiben die langfristigen Zinssätze unverändert, sodass sich die Renditekurve abflacht oder sogar umkehrt, was dann irgendwann zu einem Absturz von Kreditmärkten und Wirtschaft führt. Diese Rückkopplungsschleife dürften wir jetzt erneut erleben.
Natürlich ist die Lage diesmal in einer Hinsicht wirklich anders. Erstmals seit mehr als 40 Jahren steigen die Preise tatsächlich. Diese neue Phase wurde vor einem Jahr durch den Anstieg der globalen Ölpreise eingeleitet, gefolgt von einem Anstieg der Gebrauchtwagenpreise, da Lieferkettenprobleme bei Halbleitern die Autoproduktion durcheinanderbrachten. Derzeit erleben wir (unter anderem) einen Preisanstieg bei Land, der in die (ein wenig künstlichen) Schätzungen für die Wohnkosten einfließt.
At a time of escalating global turmoil, there is an urgent need for incisive, informed analysis of the issues and questions driving the news – just what PS has always provided.
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Die Inflationsraten werden auf Zwölfmonatsbasis angegeben; sobald also irgendeine Erschütterung eintritt, bringt sie garantiert weitere elf Monate Schlagzeilen über „Inflation“ hervor – was den Inflationsfalken sehr zupass kommt. Doch da die Ölpreise im Dezember ungefähr auf dem gleichen Stand waren wie im Juli, wird die ursprüngliche Erschütterung in ein paar Monaten aus den Daten verschwunden sein, und die Inflationszahlen werden sich ändern.
Natürlich werden sich die Auswirkungen der teureren Energie weiterhin durch das System hindurchfiltern. Das ist unvermeidlich. Wann immer es einen Strukturwandel wie etwa einen Anstieg der Energiekosten oder eine Rückholung von Teilen der Lieferkette gibt, ist „Inflation“ unvermeidlich und notwendig. Um die durchschnittliche Preissteigerungsrate auf dem früheren Zielwert zu halten, müssten andere Preise sinken, und das passiert im Allgemeinen nicht. Die Wirtschaft passt sich immer durch einen Anstieg der Durchschnittspreise an, und dieser Prozess muss sich fortsetzen, bis die Anpassung abgeschlossen ist.
Durch ihre jetzige Reaktion tut die Fed kund, dass sie einige Preise (wenn sie könnte) gern nach unten zwingen würde, um die steigenden Energie- und Lieferkettenkosten auszugleichen und so die Durchschnittsinflationsrate schnellstmöglich wieder auf ihren Zielwert von 2% zu drücken. Geht man davon aus, dass der Fed bewusst ist, was sie da tut, stellt sich die Frage, was für Preise ihr vorschweben. Und das sind natürlich die Löhne. Was sonst käme in Frage?
Powell selbst hat erklärt, dass die USA einen „enorm starken Arbeitsmarkt“ hätten. Er vertritt unter Berufung auf das Verhältnis zwischen offenen Stellen und Eigenkündigungen die Ansicht, dass sich zu wenige Arbeitnehmer um zu viele offene Stellen bemühen. Woran aber könnte das liegen? Bedenkt man, dass in der US-Wirtschaft noch immer mehrere Millionen Arbeitsplätze weniger besetzt sind als Ende 2019, scheint es, dass viele Arbeitnehmer sich weigern, gegen lausige Bezahlung in miese Arbeitsverhältnisse zurückzukehren. Solange sie über gewisse Reserven verfügen und auf bessere Arbeitsbedingungen warten können, werden sie das.
Angesichts steigender Löhne, um die Arbeitskräfte zurückzuholen, und weil die meisten Arbeitsplätze heutzutage im Dienstleistungsbereich bestehen, werden die einkommensstärkeren Gruppen (die mehr Dienstleistungen kaufen) den einkommensschwächeren Gruppen (die die Dienstleistungen erbringen) mehr bezahlen müssen. Das ist das Wesen der „Inflation“ in einer Dienstleistungswirtschaft. Die Preise für Energie und für die meisten Güter werden weltweit festgesetzt; daher sind die Löhne für Dienstleistungserbringer der einzige Teil der Preisstruktur, der sich durch die neue Politik der Fed direkt beeinflussen lässt. Und der einzige Weg, wie diese Politik – irgendwann – funktionieren kann, besteht darin, die amerikanischen Arbeitnehmer zur Verzweiflung zu treiben. Die Fed ist offensichtlich, logischerweise, unweigerlich und trotz aller Krokodilstränen darüber, dass die Inflation den amerikanischen Durchschnittsbürgern schade, entschlossen, einen Anstieg der Löhne zu verhindern.
Die Lehre daraus für amerikanische Arbeitnehmer lautet: Die Fed ist nicht euer Freund. Und dasselbe gilt für jeden Politiker, der – wie US-Präsident Joe Biden es diesen Monat getan hat – erklärt, dass „für die Inflation die Fed zuständig ist“. Und das schreibe ich als Mitglied der demokratischen Partei.
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Less than two months into his second presidency, Donald Trump has imposed sweeping tariffs on America’s three largest trading partners, with much more to come. This strategy not only lacks any credible theoretical foundations; it is putting the US on a path toward irrevocable economic and geopolitical decline.
Today's profound global uncertainty is not some accident of history or consequence of values-free technologies. Rather, it reflects the will of rival great powers that continue to ignore the seminal economic and social changes underway in other parts of the world.
explains how Malaysia and other middle powers are navigating increasingly uncertain geopolitical terrain.
STEAMBOAT SPRINGS, COLORADO – Der Chairman der US Federal Reserve, Jerome Powell, hat verkündet, in der US-Geldpolitik jetzt einen Kurs steigender Zinsen zu verfolgen. Damit ist ein Anstieg des kurzfristigen Zinssatzes (für Tagesgelder und Schatzanleihen) bis 2024 um mindestens 200 Basispunkte möglich. Powell hat damit dem Druck von Ökonomen und Finanziers nachgegeben und eine Strategie wiederbelebt, die die Fed seit 50 Jahren verfolgt – und die in ihrem Giftschrank hätte bleiben sollen.
Der angegebene Grund für die Straffung der Geldpolitik ist die „Inflationsbekämpfung“. Doch tun Zinserhöhungen nichts, um der Inflation kurzfristig entgegenzuwirken, und langfristig wirken sie nur preissenkend, indem sie eine neuerliche Wirtschaftskrise herbeiführen. Es liegt dieser Politik eine mysteriöse Theorie zugrunde, die die Zinsen mit der Geldmenge und die Geldmenge mit dem Preisniveau verknüpft. Diese „monetaristische“ Theorie wird heute aus gutem Grund unerwähnt: Sie wurde vor 40 Jahren weitgehend aufgegeben, nachdem sie zu einem Finanzdebakel beigetragen hatte.
Ende der 1970er Jahre versprachen die Monetaristen, dass, wenn sich die Fed nur auf die Steuerung der Geldmenge konzentrieren würde, die Inflation sich ohne Zunahme der Arbeitslosigkeit zähmen ließe. Im Jahr 1981 probierte Fed-Chairman Paul Volcker dies aus. Die kurzfristigen Zinsen stiegen steil auf 20 %, die Arbeitslosigkeit erreichte 10 %, und Lateinamerika geriet in eine Schuldenkrise, die alle New Yorker Großbanken an den Rand der Pleite trieb. Ende 1982 hatte die Fed den Versuch aufgegeben.
Seit damals gab es, bedingt durch niedrige weltweite Rohstoffpreise und den Aufstieg Chinas, nahezu keine Inflation, die man hätte bekämpfen können. In Abständen jedoch betrieb die Fed ein Schattenboxen mit den „Inflationserwartungen“; sie hat die Zinsen im Laufe der Zeit erhöht, um den unsichtbaren Dämonen „vorzubeugen“, und sich dann selbst auf die Schulter geklopft, wenn diese nicht auftraten.
Auch dieses Schattenboxen endet böse. Haben die Kreditnehmer erst einmal erkannt, dass die Zinsen mit der Zeit steigen, neigen sie dazu, im großen Umfang billige Kredite aufzunehmen. Dies heizt spekulative Preissteigerungen bei Realvermögen (wie Land) und „Fake Assets“ (wie Internet-Start-ups in den 1990er Jahren, Subprime-Hypotheken in den 2000er Jahren und jetzt Kryptowährungen) an. Zugleich bleiben die langfristigen Zinssätze unverändert, sodass sich die Renditekurve abflacht oder sogar umkehrt, was dann irgendwann zu einem Absturz von Kreditmärkten und Wirtschaft führt. Diese Rückkopplungsschleife dürften wir jetzt erneut erleben.
Natürlich ist die Lage diesmal in einer Hinsicht wirklich anders. Erstmals seit mehr als 40 Jahren steigen die Preise tatsächlich. Diese neue Phase wurde vor einem Jahr durch den Anstieg der globalen Ölpreise eingeleitet, gefolgt von einem Anstieg der Gebrauchtwagenpreise, da Lieferkettenprobleme bei Halbleitern die Autoproduktion durcheinanderbrachten. Derzeit erleben wir (unter anderem) einen Preisanstieg bei Land, der in die (ein wenig künstlichen) Schätzungen für die Wohnkosten einfließt.
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Die Inflationsraten werden auf Zwölfmonatsbasis angegeben; sobald also irgendeine Erschütterung eintritt, bringt sie garantiert weitere elf Monate Schlagzeilen über „Inflation“ hervor – was den Inflationsfalken sehr zupass kommt. Doch da die Ölpreise im Dezember ungefähr auf dem gleichen Stand waren wie im Juli, wird die ursprüngliche Erschütterung in ein paar Monaten aus den Daten verschwunden sein, und die Inflationszahlen werden sich ändern.
Natürlich werden sich die Auswirkungen der teureren Energie weiterhin durch das System hindurchfiltern. Das ist unvermeidlich. Wann immer es einen Strukturwandel wie etwa einen Anstieg der Energiekosten oder eine Rückholung von Teilen der Lieferkette gibt, ist „Inflation“ unvermeidlich und notwendig. Um die durchschnittliche Preissteigerungsrate auf dem früheren Zielwert zu halten, müssten andere Preise sinken, und das passiert im Allgemeinen nicht. Die Wirtschaft passt sich immer durch einen Anstieg der Durchschnittspreise an, und dieser Prozess muss sich fortsetzen, bis die Anpassung abgeschlossen ist.
Durch ihre jetzige Reaktion tut die Fed kund, dass sie einige Preise (wenn sie könnte) gern nach unten zwingen würde, um die steigenden Energie- und Lieferkettenkosten auszugleichen und so die Durchschnittsinflationsrate schnellstmöglich wieder auf ihren Zielwert von 2% zu drücken. Geht man davon aus, dass der Fed bewusst ist, was sie da tut, stellt sich die Frage, was für Preise ihr vorschweben. Und das sind natürlich die Löhne. Was sonst käme in Frage?
Powell selbst hat erklärt, dass die USA einen „enorm starken Arbeitsmarkt“ hätten. Er vertritt unter Berufung auf das Verhältnis zwischen offenen Stellen und Eigenkündigungen die Ansicht, dass sich zu wenige Arbeitnehmer um zu viele offene Stellen bemühen. Woran aber könnte das liegen? Bedenkt man, dass in der US-Wirtschaft noch immer mehrere Millionen Arbeitsplätze weniger besetzt sind als Ende 2019, scheint es, dass viele Arbeitnehmer sich weigern, gegen lausige Bezahlung in miese Arbeitsverhältnisse zurückzukehren. Solange sie über gewisse Reserven verfügen und auf bessere Arbeitsbedingungen warten können, werden sie das.
Angesichts steigender Löhne, um die Arbeitskräfte zurückzuholen, und weil die meisten Arbeitsplätze heutzutage im Dienstleistungsbereich bestehen, werden die einkommensstärkeren Gruppen (die mehr Dienstleistungen kaufen) den einkommensschwächeren Gruppen (die die Dienstleistungen erbringen) mehr bezahlen müssen. Das ist das Wesen der „Inflation“ in einer Dienstleistungswirtschaft. Die Preise für Energie und für die meisten Güter werden weltweit festgesetzt; daher sind die Löhne für Dienstleistungserbringer der einzige Teil der Preisstruktur, der sich durch die neue Politik der Fed direkt beeinflussen lässt. Und der einzige Weg, wie diese Politik – irgendwann – funktionieren kann, besteht darin, die amerikanischen Arbeitnehmer zur Verzweiflung zu treiben. Die Fed ist offensichtlich, logischerweise, unweigerlich und trotz aller Krokodilstränen darüber, dass die Inflation den amerikanischen Durchschnittsbürgern schade, entschlossen, einen Anstieg der Löhne zu verhindern.
Die Lehre daraus für amerikanische Arbeitnehmer lautet: Die Fed ist nicht euer Freund. Und dasselbe gilt für jeden Politiker, der – wie US-Präsident Joe Biden es diesen Monat getan hat – erklärt, dass „für die Inflation die Fed zuständig ist“. Und das schreibe ich als Mitglied der demokratischen Partei.
Aus dem Englischen von Jan Doolan