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Inflationstreiber EZB

MÜNCHEN – In der Eurozone galoppiert die Inflation, und der Euro rauscht zu Boden. Musste man im Frühsommer letzten Jahres für einen Euro  noch deutlich mehr als 1,20 Dollar bezahlen, so reichten am 27. 9.  96 Cent. Der Vertrauensverlust in den Euro  ist gefährlich für die Stabilität der Eurozone, weil er zu einer sich immer schneller drehenden Spirale aus Inflation und Fluchtreaktionen führen kann, wie es derzeit in Großbritannien zu beobachten ist und zuvor bei so vielen Währungen dieser Welt, deren Zentralbanken nicht in der Lage waren, ihre Inflation in den Griff zu bekommen.

Der Durchschnittswert der Konsumgüterinflation der Eurozone  lag im August bereits bei 9,1%, und in den baltischen Ländern werden schon Werte über 20% registriert. Die jüngste Horrornachricht kommt aus Deutschland, dem größten EU-Land. Im August waren die gewerblichen Erzeugerpreise, die das Geschehen auf den Vorstufen der Industrieproduktion messen, um sage und schreibe 46% höher als im Vorjahresmonat, nach einem Plus von 37% im Juli.  Die Preisstabilität, die der EZB im Maastrichter Vertrag als kompromissloses, lexikographisches Ziel vorgegeben wurde, ist nicht einmal mehr an einem fernen Horizont zu erahnen.

Zieht man die langfristige Korrelation zwischen den Preissteigerungsraten der gewerblichen Erzeugerpreise und der Konsumgüter zu Rate, steckt in den 46% für Deutschland eine Konsumgüterinflation von bis zu  14% für den November in der Pipeline – bei allen Unsicherheiten, die bei einem solchen Schluss von der Vergangenheit in die Zukunft bestehen.

Die EZB bestreitet standhaft, dass sie eine Mitverantwortung für diese Entwicklung trägt. Weder die Pandemie noch das Verhalten von Vladimir Putin habe sie steuern können. Der Hinweis auf diese exogenen Ereignisse ist jedoch  ein untaugliches Ablenkungsmanöver. Tatsächlich muss sich die EZB den Vorwurf gefallen lassen, dass sie  maßgeblich zur aktuellen Inflation beigetragen hat, vermutlich  sogar mehr, als  auch andere Notenbanken der Welt es taten.

Zum einen hat die EZB seit der Lehman-Krise die Zentralbankgeldmenge in Relation zur Wirtschaftsleistung doppelt so schnell ansteigen lassen wie die FED und  sehr viel keynesianischen Schuldendampf erzeugt, indem sie in riesigem Umfang, nämlich für 4,4 Billionen Euro,  die Staatspapiere der Euroländer gekauft hat. Durch die Käufe,  die seit dem Sommer des Lehman-Jahres (2008)  83% des Geldmengenzuwachses in Relation zur Wirtschaftsleistung umfassten,  hat sie die Zinsen auf Staatspapiere bis in die Gegend von Null gedrückt. Damit hat sie die  Staaten veranlasst, unter Missachtung sämtlicher  Schuldenpakte auf geradezu halsbrecherische Weise immer mehr Schulden aufzunehmen. Sogar die EU selbst machte zum Schluss bei dem Spiel mit, als sie ein 750 Milliarden Euro umfassendes Kreditprogramm beschloss, das den Namen Corona-Hilfen trug, doch in Wahrheit vor allem für die Unterstützung der schwächeren Länder des Mittelmeerraumes gedacht war.  Die gesamtstaatliche Schuldenquote inklusive der EU-Schulden wird durch diese Maßnahmen perspektivisch deutlich über 100% hinaus getrieben. Da Staatsschulden die gesamtwirtschaftliche Nachfrage erhöhen, hatte dies eindeutige Wirkungen auf die Inflation. Die Corona-bedingten Lieferengpässe waren und die Energieverknappung waren der Zündfunke der Inflation, doch die Staatsschulden waren der  Zunder, der das Feuer nun lichterloh brennen lässt.

Es kommt hinzu, dass die EZB auch die  Euroabwertung erzeugte, die selbst wiederum inflationär wirkt. Während schon  bei der Sitzung des Federal Reserve Board am 16. Juni 2021 klare Signale für eine Zinswende zu vernehmen waren, beharrte die  EZB mit fadenscheinigen Begründungen noch zum Beginn des Jahres 2022 auf ihrer ultra-expansiven Geldpolitik. Erst im Sommer entschloss sich auch die EZB zu einem zögerlichen Kurswechsel, der nur wenig an der wachsenden Zinslücke zwischen dem Dollarraum und dem Euroraum änderte.  Die Folge war, dass Kapitalanleger nach wie vor  in Scharen aus Europa nach Amerika flohen. In den ersten drei Wochen nach der Entscheidung des EZB-Rates von Anfang September stieg der Dollar um 4%  über die Parität zum Euro. Insgesamt betrug die Dollaraufwertung von  der ersten Ankündigung der Fed im Juni 2021 bis zur Abfassung dieser Zeilen etwa 25%.

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Um diesen Betrag stiegen ganz automatisch in der gleichen Zeit die in Euro umgerechneten Preise sämtlicher für den europäischen Markt wichtigen Güter, die auf den Weltmarkt gehandelt werden. Die Importware verteuerte sich automatisch im gleichen Umfang, und die europäischen Exporteure konnten in diesem Umfang Preiserhöhungsspielräume nutzen, ohne Marktanteile zu verlieren. Natürlich übertrugen sich diese Preissteigerungen nicht sofort auch schon auf die nicht international gehandelten Güter und Dienstleistungen, doch ist es nur eine Frage der Zeit, bis die importierte Inflation auch sie erfasst.

Zu den unmittelbar durch die Dollar-Aufwertung verteuerten Produkten gehörte auch die Energie. Nicht nur das  Öl wurde  um die erwähnten 25% teurer, als es durch die Angebotsverknappung in Einheiten von Dollar geschah,  auch die europäischen Gaspreise stiegen. Zwar bildeten sich die Gaspreise bislang auf dem europäischen Markt weitgehend unabhängig vom Weltmarktgeschehen. Das ist aber nun wegen des Krieges ganz anders. Da Putin den Gashahn abgedreht hat, ist heute das auf den Weltmärkten gehandelte Flüssiggas (LNG) die marginale Lieferquelle. Der Weltmarktpreis des LNG  ist die Kappungsgrenze, bis zu der seine  Aktionen den Gaspreis hochtreiben können, und der Euro-Wert dieser Kappungsgrenze wurde durch die von der EZB verursachte Euroabwertung erhöht.

Die EZB selbst hat sich zu exkulpieren versucht, indem sie darauf hinwies, dass der Anstieg der  Energiepreise gut ein Drittel der europäischen Inflation erklärt. Aber sie hat verschwiegen, dass ein Teil dieses Anstiegs auf dem Wege über die Euroabwertung von ihr selbst verursacht wurde. Neben Vladimir Putin und OPEC war sie der  große Treiber der neuen Inflation der Konsumgüter im Allgemeinen und der Energiepreise der Eurozone im Besonderen.

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