palacio113_Kanok Sulaiman_getty images_ covid city Kanok Sulaiman/Getty Images

COVID und das Comeback des Staates

MADRID – Manche Jahre werden in den Geschichtsbüchern kaum erwähnt; andere erhalten ein eigenes Kapitel. Das vergangene Jahr fühlt sich eindeutig wie eines der Letzteren an, und es besteht kein Zweifel, dass man sich an die COVID-19-Pandemie – wie an die Spanische Grippe der Jahre 1918-1920 – noch lange erinnern wird. Doch was ein Jahr wirklich bemerkenswert macht, ist nicht, wie es sich entfaltet, sondern wie es die Welt verändert. Ein von der Norm abweichendes Jahr, nach dem die Welt zum „Business as usual“ zurückkehrt, bedeutet historisch betrachtet viel weniger als ein Wendejahr, das eine große Transformation mit sich bringt und den Beginn einer neuen Epoche der Menschheitsgeschichte markiert. In welche Kategorie wird 2020 fallen?

Es gibt gute Gründe für die Annahme, dass sich die Welt in 2020 unwiderruflich verändert hat. Insbesondere könnten die Ereignisse der letzten zwölf Monate eine grundlegende Umgestaltung und Neuausrichtung der Beziehung zwischen Staat und Gesellschaft ausgelöst haben – vor allem in den freiheitlichen westlichen Demokratien.

Seit Ende des Zweiten Weltkriegs sind die Gesellschafts- und Wirtschaftsmodelle der westlichen Demokratien zunehmend aus dem Gleichgewicht geraten. Die freien Märkte, die einst als machtvolles Mittel zur Stärkung der freiheitlichen Demokratie galten (indem sie eine ihre Rechte einfordernde Mittelschicht schufen), sind inzwischen zum Selbstzweck verkommen: ein Ideal, das es völlig ungeachtet der Kosten aufrechtzuerhalten gilt.

https://prosyn.org/LAXaGEkde