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Warum sich Amerikas CEOs gegen die Aktionäre wenden

NEW YORK – Business Roundtable, eine Vereinigung der mächtigsten CEOs in den Vereinigten Staaten, gab diesen Monat bekannt, dass die Ära des Primats der Aktionärsinteressen vorbei sei. Wie nicht anders zu erwarten, wurde diese hochtrabende Ankündigung sowohl mit Euphorie als auch mit Skepsis aufgenommen. Bemerkenswert ist diese Äußerung allerdings weniger wegen ihres Inhalts als dafür, was sie über die Denkweise amerikanischer CEOs enthüllt. Offenbar glauben die amerikanischen Unternehmensführer, dass sie frei entscheiden können, wem sie dienen. Doch da sie als Beauftragte – und nicht als Auftraggeber – agieren, liegt diese Entscheidung nicht bei ihnen.

Die Tatsache, dass amerikanische CEOs glauben, sie könnten sich ihre Herren aussuchen, zeugt nicht nur von deren Anspruchshaltung, sondern auch vom Zustand amerikanischer Unternehmen, wo die Macht über weltumspannende Geschäftsimperien in den Händen weniger Männer (und noch viel weniger Frauen) liegt. Gemäß amerikanischem Unternehmensrecht werden die CEOs von den Mitgliedern des Aufsichtsrates eines Unternehmens bestimmt, die ihrerseits jedes Jahr von den Aktionären gewählt werden. In der Praxis jedoch bleiben die meisten Aufsichtsratsmitglieder sowie auch die von ihnen ernannten CEOs jahrelang im Amt.  

So steht beispielsweise Jamie Dimon, der auch Vorsitzender des Aufsichtsrats von Business Roundtable ist, seit über 15 Jahren an der Spitze von JPMorgan Chase. Im Widerspruch zu den Corporate-Governance-Grundsätzen, die eine Trennung der beiden Positionen empfehlen, war er die meiste Zeit sowohl CEO als auch Vorsitzender des Aufsichtsrates. 

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