Eine NATO neuer Machart

Berlin: Die NATO braucht eine neue Strategie. Wir – fünf ehemalige Stabschefs – haben vor kurzem ein Büchlein mit Vorschlägen für eine solche neue Strategie sowie einem umfassenden Programm für Veränderungen veröffentlicht.

Warum bedarf es einer neuen Strategie? Das aktuelle „Strategiekonzept“ der NATO wurde 1999 verabschiedet, doch in der Zwischenzeit hat sich die Welt dramatisch verändert. Damals war die NATO ein regionales Bündnis, das sich auf eine reaktive Verteidigung des Vertragsgebietes konzentrierte. Reagieren jedoch reicht nicht mehr aus; die drängendste Aufgabe ist heute die Verhinderung von Krisen, bewaffneten Konflikten und Kriegen, was erfordern kann, dass die primäre Reaktion mittels nicht militärischer Mittel erfolgt.

Darüber hinaus vereinbarte die NATO auf ihrer Tagung in Prag im Jahre 2002, dass sie dort handeln würde „wo nötig“ – und gab damit die Beschränkung auf Handlungen zur Verteidigung allein des Vertragsgebietes auf. Und schließlich sind, obwohl die Lehren aus den Terroranschlägen vom 11. September 2001 nahe legen, dass keiner der heutigen Konflikte allein mit militärischen Mitteln bewältigt werden kann, die Mittel der NATO ausschließlich militärischer Art. Eine effektive zukünftige NATO-Strategie muss daher die Entwicklung und Anwendung anderer Mittel einschließen.

Statt den regionalen Fokus des aktuellen NATO-Strategiekonzeptes oder der europäischen Strategiestudie zu übernehmen, verfolgt die von uns vorgeschlagene Strategie eine globale Perspektive. Sie strebt danach, Konflikte durch Beseitigung der Konfliktursachen zu vermeiden. Dies muss offensichtlich durch einen vorausschauenden – und nicht reaktiven – Einsatz primär nicht militärischer Mittel geschehen. Die Strategie setzt in flexibler Weise auf die Eskalation und Deeskalation des Machteinsatzes und nutzt dabei alle Instrumente von Politik und Macht – weiche wie harte. Sie betont jedoch, dass der Einsatz militärischer Macht die Ultima Ratio sein muss, was nicht notwendigerweise bedeutet, dass er als letzter Ausweg erfolgt.

Die von uns vorgeschlagene Strategie ist von ihrem Wesen her defensiv. Sie strebt danach, die NATO-Länder zu schützen; niemand, der das Dokument ( www.worldsecuritynetwork.com/documents/3eproefGrandStrat(b).pdf ) liest, kann dies falsch verstehen. Sie setzt auf einen modularen Bündnisansatz durch Integration der Kapazitäten verschiedener internationaler Organisationen sowie nicht der NATO oder anderen Bündnissen angehörender Länder. Darüber hinaus erfordert sie ein nachhaltiges Engagement bis zum Erreichen des vorgegebenen Ziels – eines Ziels, das weder auf Eroberung ausgerichtet ist noch danach strebt, dem Gegner die von der NATO bevorzugte politische Ordnung aufzuzwingen.

Das Konzept ist ein allgemeines, ließe sich jedoch am besten durch eine wahrhaft reformierte NATO nutzen. Angesichts der Tatsache, dass militärische Mittel nicht länger ausreichen, betonen wir die große Bedeutung einer verbesserten Zusammenarbeit zwischen der NATO, den Vereinten Nationen und der Europäischen Union. Die NATO muss Wege finden, sich der Instrumente und Ressourcen zu bedienen, die andere internationale Organisationen zu ihrer Verfügung haben. Zu diesem Zweck muss insbesondere die Zusammenarbeit zwischen NATO und EU verbessert werden. Auch die UNO wird weiter eine wichtige Rolle spielen, da sie das einzige Gremium ist, das in allen Fällen, wo es nicht allein um Selbstverteidigung geht, Interventionen – ob militärischer oder nicht militärischer Art – legalisieren kann.

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Watch Now

Das zentrale Problem ist es, die Regierungen der NATO-Mitgliedsstaaten – insbesondere die Europäer – zu überzeugen, sich die gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen stärker bewusst zu machen und ihre politische Entschlossenheit zu stärken, einige der Empfehlungen umzusetzen. Wir hegen keinerlei Illusionen oder hohe Erwartungen, doch eine NATO, die weiter expandiert, ohne über die Fähigkeiten zu verfügen, ihren Verpflichtungen zur Verteidigung eines vergrößerten Vertragsgebietes nachzukommen, läuft Gefahr, ein hohles Bündnis zu werden.

Insbesondere in Afghanistan, wo selbst auferlegte Beschränkungen der NATO die Chance auf Erfolg nehmen, steht sie vor einer echten Herausforderung. Allgemeiner gefasst, wächst die Kluft zwischen den Missionen, die zu übernehmen die NATO aufgefordert wird, und den ihr zur Bewältigung dieser Herausforderungen zur Verfügung stehenden Mitteln von Tag zu Tag.

Wir wollen niemandem Vorschriften machen, aber wir betrachten es als unsere Pflicht, unsere Stimme zu erheben und Veränderungen einzufordern – denn wir sind der festen Überzeugung, dass es keine bessere Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit gibt als ein starkes und dynamisches transatlantisches Bündnis. Es ist unsere aufrichtige Hoffnung, dass die politischen Führer der NATO zur Kenntnis nehmen, dass es dringend erforderlich ist, zu handeln und der NATO ein neues strategisches Konzept zu geben. Wir sind überzeugt, die Führer der NATO sind sich ihrer Hauptverantwortung bewusst: alles zu tun, um die Bürger ihrer Nationen auf bestmögliche Weise zu schützen.

https://prosyn.org/A7x92SIde