op_bgranville_Mike KempIn Pictures via Getty Images_russiasanctions Mike Kemp/In Pictures via Getty Images

Die Sanktionsfalle

LONDON – Der Zweck historischer Forschungen besteht darin, unser Verständnis von uns selbst und unserer Welt zu verbessern. Einige davon – insbesondere solche aus lang vergangenen Zeiten oder über enge Spezialgebiete – scheinen für unsere momentanen Sorgen nur insofern relevant zu sein, dass sie als Gedankenspiele über unsere menschliche Existenz dienen können. Aber andere, wie The Economic Weapon: The Rise of Sanctions as a Tool of Modern Wardes Historikers Nicholas Mulder von der Cornell-Universität, stehen vor dem entgegen gesetzten Problem: Das Thema ist derart relevant, dass des Gefahr läuft, die historische Analyse in den Schatten zu stellen.

Aber Mulder umschifft diese Gefahr sehr geschickt: Seine Beschreibung, wie „Wirtschaftssanktionen entstanden, als die Bedingungen der fortschreitenden Globalisierung mit den Techniken des totalen Krieges in Kontakt kamen“, liest sich wie eine Autobiographie unseres Zeitalters in seinen prägenden Jahren. Während andere vielleicht versucht gewesen wären, historische Ereignisse herauszupicken, um eine bestimmte zeitgenössische Polemik zu bedienen, liefert Mulder eine wissenschaftliche tour de force ab, die sich über eine Vielzahl komplexer Bereiche erstreckt – von Wirtschaft, Finanzen und Handel (einschließlich Logistik) bis hin zu Verwaltung und (nationalem und internationalem) Recht.

Indem er all diese Elemente in eine Historie der Diplomatie und Politik einbindet, erzählt Mulder die Gründungsgeschichte der Sanktionen – der „Wirtschaftswaffe“ der modernen Welt, die von den Blockaden der Entente gegen die Achsenmächte des Ersten Weltkriegs geprägt und dann in den nachfolgenden Jahrzehnten immer öfter eingesetzt wurde. Seine Erzählung endet damit, dass die Neuauflage dieser Wirtschaftswaffe 1945 in die Charta der Vereinten Nationen einfließt.

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