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Der IWF nach der Krise

WASHINGTON, DC – Wenn sich die Staats- und Regierungschefs der Welt zum G-20-Gipfel in Pittsburgh versammeln, werden sie Bilanz ziehen, was die bisherigen Konjunkturmaßnahmen bewirkt haben, und besprechen, wie sie einen planmäßigen Ausstieg aus diesen Maßnahmen koordinieren können. Sie müssen die internationalen Richtlinien für die Kapitalanforderungen großer multinationaler Banken verschärfen und die perversen finanziellen Anreize in Angriff nehmen, die zu der verantwortungslosen Risikobereitschaft im Finanzsektor geführt haben. Die nachhaltigsten Spuren, die sie hinterlassen könnten, wären jedoch, dem Internationalen Währungsfonds nach dem Ende der Krise ein umfassenderes Mandat zu erteilen.

Die Bedeutung des IWF ist während der Krise enorm gestiegen. Er hat erfolgreich zu einer koordinierten fiskalischen und geldpolitischen Konjunkturbelebung beigetragen, wodurch eine konjunkturelle Kernschmelze verhindert wurde. Seine Mittel wurden verdreifacht, sodass er so unterschiedliche Länder wie Island, Pakistan und die Ukraine retten konnte, die von den internationalen Kapitalmärkten abgeschnitten waren. Zudem hat der Fonds Ländern mit niedrigem Einkommen durch hohe Kredite zu bislang einmaligen Zinssätzen von null Prozent ausgeholfen.

Die G-20 haben ihre Führungsqualitäten unter Beweis gestellt, indem sie die politische und finanzielle Deckung für diese Veränderungen bereitgestellt haben, und der IWF hat schnell reagiert. Es besteht jedoch das ernsthafte Risiko, dass sich der politische Schwung verliert, sobald sich die Weltwirtschaft langsam erholt.

Es wäre ein großer Fehler, dies geschehen zu lassen. Die Krise hat gezeigt, dass die wirtschaftliche Interdependenz in einem solchen Ausmaß gewachsen ist, dass eine politische Koordinierung unumgänglich ist. Der IWF sollte ein eindeutiges Mandat erhalten, das ihm die politische Macht verleihen würde, darauf hinzuwirken, dass solche Krisen nicht wieder auftreten.

Die Führer der G-20 sollten den IWF bevollmächtigen, die Stabilität des internationalen Finanzsystems zu schützen. Alle Krisen der letzten beiden Jahrzehnte entstanden nicht so sehr aus einer irrigen Fiskal- und Geldpolitik oder falsch angesetzten Wechselkursen, sondern aus der explosiven Dynamik der Finanzmärkte. Eine stärkere Rolle bei der Sicherung der Finanzstabilität wäre eine logische Ergänzung zum bestehenden Aufsichtsmandat des IWF über das internationale Währungssystem, das jedoch zu stark eingeschränkt ist. Die beiden sind eindeutig miteinander verbunden.

Eine stärkere Rolle in Bezug auf die Finanzstabilität bedeutet nicht, dass der IWF selbst zur Aufsichtsbehörde würde. Stattdessen sollte der Fonds auf die Arbeit des Financial Stability Board (FSB) zurückgreifen und darauf aufbauen. Das multilaterale Gremium wurde von den G-20 zur Festlegung von Regeln ins Leben gerufen. Es besteht aus Finanzministern sowie Vertretern von Zentralbanken und Aufsichtsbehörden der G-20-Länder. Der IWF kann bei der Beaufsichtigung der Länder helfen, um festzustellen, ob diese die im FSB vereinbarten Maßnahmen umsetzen, und er kann die Führer auf Lücken im Ordnungsrahmen und Schwachstellen im Finanzsystem aufmerksam machen, die einer Lösung bedürfen.

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Doch um ein solches gestärktes Mandat effektiv zu erfüllen, braucht der IWF starke politische Unterstützung, damit die Länder seinem Rat auch folgen. Daran hat es in der Vergangenheit gemangelt, da dem IWF nicht genügend Instrumente zur Verfügung standen, um politische Schritte durchzusetzen.

Zudem sollten die G-20 ihrer Verpflichtung zu einer zukünftigen Koordinierung der Politik Ausdruck verleihen, indem sie z. B. ein Peer-Review-Verfahren einrichten, bei dem die Minister sich gegenseitig Rechenschaft im Hinblick auf ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik abverlangen. Der IWF würde Analysen zu diesem Verfahren beisteuern und sich auf die wirtschaftlichen Interdependenzen und Übertragungseffekte von einem Land auf das andere konzentrieren.

Eine solche Überwachung kann auf den Ergebnissen des Frühwarnsystems aufbauen, das der IWF zusammen mit dem FSB initiiert hat. Dieses System warnt die Minister bei Ereignissen mit geringem Risiko, aber großen Auswirkungen und rät zu einem entsprechenden Vorgehen. Der IWF kann überwachen, wie die Länder die politischen Ratschläge weiterverfolgen, die sich aus diesem System ergeben.

Die globale Finanzstabilität muss durch ein besser funktionierendes internationales Währungssystem gesichert werden. Der IWF sollte analysieren, wie man von einem dollarbasierten System in geordneter Weise auf ein multipolares System umstellt. Die Sonderziehungsrechte könnten dabei eine nützliche Rolle spielen – sie werden als Reservewährung vom IWF vergeben und beruhen auf einem Korb aus Dollar, Euro, Yen und britischem Pfund. (Der Yuan sollte dazugenommen werden, sobald China seine Währung konvertierbar macht.)

Ein multipolares System kann dazu beitragen, globale Ungleichgewichte besser in den Griff zu bekommen, als das derzeitige Dollarsystem, das große Ungleichgewichte einfach fortbestehen lässt, während die Länder große Dollarreserven anhäufen. Die Notwendigkeit für solche Reserven würde abnehmen, wenn sich der IWF zu einer versicherungsähnlichen Institution entwickeln würde, die schnell über SZR-Kreditlinien verfügen kann.

Der gegenwärtige politische Schwung sollte genutzt werden, um eine starke Rolle für den IWF über die Krise hinaus abzustecken. Die internationale Koordinierung der Politik, mit der es gelungen ist, eine Kernschmelze der Finanzmärkte zu verhindern, sollte nach der Krise fortgeführt werden, am besten in Form eines Peer-Review-Verfahrens innerhalb der G-20, das sich auf die Analysen des IWF stützt.

Doch muss die dauerhafte politische Unterstützung für den IWF auf Fairness in der Einrichtung selbst beruhen. Quoten und Einfluss in den internationalen Finanzinstituten sollten auf dem wirtschaftlichen Gewicht der Länder beruhen sowie auf ihrer Fähigkeit, einen finanziellen Beitrag zu leisten. Daher wird die bevorstehende Quotenüberprüfung den derzeit unterrepräsentierten Ländern mehr Gewicht geben müssen, insbesondere den dynamischen Schwellenländern der Welt.

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