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Die Menschen in Sri Lanka brauchen ein neues Schuldenabkommen

COLOMBO – Sri Lankas Präsident Ranil Wickremesingheverlor kürzlich das Rennen um seine Wiederwahl, nachdem die Wähler die Umschuldungsabkommen, die er mit dem Internationalen Währungsfonds und anderen Gläubigern ausgehandelt hatte, mit überwältigender Mehrheit ablehnten. Stattdessen wurde Anura Kumara Dissanayake, Vorsitzender des linksgerichteten Wahlbündnisses Nationale Volksmacht (NPP) und lautstarker Kritiker der vom IWF auferlegten Sparmaßnahmen, ins Amt gewählt. Dissanayake versprach, die Schuldenvereinbarung des Landes mit dem Währungsfonds neu zu verhandeln.

Um die Wählerschaft davon zu überzeugen, dass die anhaltende Schuldenkrise Sri Lankas nur unter seiner Führung gelöst werden könne, gab Wickremesinghe am 19. September – nur zwei Tage vor der Präsidentschaftswahl – bekannt, er habe mit internationalen privaten Anleihegläubigern eine Umschuldungsvereinbarung erzielt. Sollte Dissanayake entschlossen sein, einen neuen wirtschaftlichen Kurs einzuschlagen, wird seine dringlichste Aufgabe darin bestehen, diese Vereinbarung aufzukündigen.

Die Schuldenkrise Sri Lankas war der Grund, dass das Land 2022 seine Auslandsschulden nicht mehr bedienen konnte und die Wirtschaft völlig am Boden lag. Zurückzuführen ist diese Entwicklung auf grobes wirtschaftliches Missmanagement unter der korrupten Regierung des ehemaligen Präsidenten Gotabaya Rajapaksa. Wickremesinghe, der Interimspräsident wurde und die langwierigen Umstrukturierungsverhandlungen leiten musste, war gezwungen, im Gegenzug für ein Darlehen des IWF in Höhe von 2,9 Milliarden US-Dollar belastende und demütigende Bedingungen zu akzeptieren, darunter strenge Sparmaßnahmen und Kürzungen bei den Renten für Arbeitnehmer.

Während unseres Besuchs in Sri Lanka im Juli konnten wir uns selbst ein Bild davon machen, welch hohen Preis die Bevölkerung des Landes für das IWF-Programm zahlen musste. Ein Problem liegt in der Schuldentragfähigkeitsanalyse des Währungsfonds, die als Grundlage für die Umschuldungsverhandlungen diente und fehlerhafte und unrealistische Ziele festlegte. Inzwischen ist völlig klar, dass das Land diese Ziele nicht erreichen kann, doch die einfachen Bürger Sri Lankas müssen weiterhin die Kosten einer gescheiterten Wirtschaftsstrategie tragen.

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Im März 2024 hielten internationale Anleihegläubiger etwa 12,5 Milliarden US-Dollar der insgesamt 34 Milliarden US-Dollar an Auslandsschulden Sri Lankas. Der von Wickremesinghe kurz vor der Wahl angekündigte Deal sieht vor, bestehende Verbindlichkeiten gegen neue Anleihen zu einem niedrigeren Wert zu tauschen, wodurch den Gläubigern zwar ein sofortiger Schuldenschnitt verordnet wird, der jedoch viel geringer ausfällt, als es zur Wiederherstellung der Schuldentragfähigkeit unter vernünftigen Annahmen erforderlich wäre. Zudem wird ein neuartiges Finanzinstrument eingeführt: so genannte Macro-linked Bonds.

Dieses Instrument, das die sri-lankische Regierung dazu verpflichten würde, die Gewinne aus dem über dem Zielwert liegenden BIP-Wachstum mit ihren Gläubigern zu teilen, wurde ursprünglich als Möglichkeit zur Verbesserung der Schuldentragfähigkeit vorgestellt. In Wirklichkeit besteht der Hauptzweck darin, die Zahlungen an die Anleihegläubiger zu maximieren, ohne dass Sri Lanka im Falle einer ausbleibenden Erholung des Wirtschaftswachstums geschützt wäre.

Der vom IWF und dem offiziellen Gläubigerausschuss erst noch zu genehmigende Vorschlag würde der Bevölkerung Sri Lankas unzumutbare Härten auferlegen. Zudem entstünde ein gefährlicher Präzedenzfall, da man die derzeit laufenden legislativen Bemühungen untergraben würde, die darauf abzielen, die Möglichkeiten privater Anleihegläubiger einzuschränken, im Rahmen von Umschuldungsverhandlungen Druck auf Regierungen von Entwicklungsländern auszuüben.

Der Entwurf der geplanten Vereinbarung unterstreicht die weitreichenden Folgen der Umschuldung Sri Lankas für andere finanziell angeschlagene Länder, die ihre Auslandsschulden umstrukturieren möchten. Im Text versteckt findet sich eine Bestimmung, die es Anleihegläubigern mit Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit der Anleihegläubiger erlaubt, das für neue Wertpapiere „geltende Recht“ auf „englisches oder Delaware-Recht“ zu ändern, „wenn dies von den Inhabern von 20 Prozent einer bestimmten Serie neu ausgegebener Wertpapiere vorgeschlagen wird.“

Vereinfacht ausgedrückt könnte also eine kleine Gruppe von Anleihegläubigern eine Abstimmung über die Änderung der Gerichtsbarkeit einleiten, in der Rechtsstreitigkeiten oder zukünftige Umstrukturierungsvereinbarungen abgewickelt werden. Wenn eine „qualifizierte Mehrheit“ zustimmt, könnten Gläubiger den Rechtsrahmen für eine ausstehende Anleihe lange nach ihrer Ausgabe ändern. (Delaware ist bezeichnenderweise ein Steuerparadies.)

Darüber hinaus spielt Wickremesinghes Deal jenen privaten Anleihegläubigern in die Hände, die gegen den Sovereign Debt Stability Act lobbyieren, ein Gesetz des Staates New York, das verhindern soll, dass internationale Gläubiger auf Kosten der Steuerzahler in hoch verschuldeten Ländern enorme Gewinne erzielen. Anstatt die dringend benötigte Reform der weltweiten Schuldenmärkte zu fordern, hat sich die vorherige Regierung Sri Lankas den Interessen der Anleihegläubiger angeschlossen, die ihre Verhandlungsposition stärken wollen. Dies könnte den Menschen in Sri Lanka noch größeren Schaden bescheren, wenn sich dieser Schuldenhandel, wie es wahrscheinlich ist, in einigen Jahren als nicht tragfähig erweist.

Sollte die Vereinbarung Bestand haben, könnte sie Anleihegläubiger auch dazu ermutigen, bei künftigen Umschuldungsabkommen auf ähnliche Bestimmungen zu pochen. Im Laufe der Zeit würde derartiges den Gläubigern ermöglichen, Gesetze zu umgehen, die darauf abzielen, ausbeuterische Praktiken einzudämmen, und man würde die Bemühungen der Entwicklungsländer um einen sinnvollen Schuldenerlass aushöhlen.

In Anbetracht der Risiken muss Dissanayake seine Wahlversprechen einlösen und Wickremesinghes Deal zurückweisen. Sri Lanka – und die übrigen Entwicklungsländer – sollten nicht als Geiseln der gescheiterten Politik eines abgewählten Präsidenten herhalten müssen. Um die wirtschaftliche Erholung des Landes zu unterstützen und es auf einen nachhaltigen Schuldenpfad zu bringen, können und müssen die Bedingungen des IWF-Darlehens neu verhandelt werden. An diesem kritischen Punkt brauchen die Menschen in Sri Lanka eine Führungspersönlichkeit, die ihr Wohlergehen über die Interessen ausländischer Anleihegläubiger stellt.

Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier

https://prosyn.org/GefmCATde