PRINCETON – Der Populismus breitet sich in den Industrieländern offenkundig rasant aus und das politische Establishment befindet sich auf dem Rückzug. Mit dramatischen Versprechungen, das System radikal zu verändern oder umzustürzen, erringen Außenseiter bedeutende politische Siege. Die Feinde der Populisten sind Angehörige der „weltweiten Eliten“, die nationale Werte verrieten; und doch geht es den Populisten mit ihrer Revolte gegen den vom designierten amerikanischen Präsidenten Donald Trump so bezeichneten „Globalismus“ darum, ebenfalls zu einem globalen Phänomen zu werden, das eigentlich auch von seiner eigenen Marke des Internationalismus abhängig ist.
In der Finanzwelt ist Ansteckung ein wohlbekannter Prozess. Ein Schock an einem Ort führt auch anderswo zu Erschütterungen, selbst wenn keine direkten finanziellen Verbindungen bestehen, weil die nach bestimmten Mustern Ausschau haltenden Marktteilnehmer fundamentale Kräfte am Werk vermuten.
Die populistische Revolte von heute weist eine ähnliche Dynamik auf. Trump versprach schon im Voraus, dass sein Sieg ein Brexit im Quadrat sein würde. Und tatsächlich: unmittelbar nachdem er gewonnen hatte, sahen politisch rechtsaußen stehende Kräfte in den Niederlanden und Frankreich seinen Sieg schon als Vorzeichen für kommende Entwicklungen. Ähnlich sah es auch das „Nein“-Lager im bevorstehenden italienischen Verfassungsreferendum – von dem der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi seine politische Zukunft abhängig macht.
Eine offensichtliche historische Parallele zur Gegenwart bildet die Zwischenkriegszeit des 20. Jahrhunderts, als Wladimir Lenin den sowjetischen Kommunismus als internationale Marke präsentierte und die Kommunistische Internationale gründete. Auch Benito Mussolinis italienischer Faschismus – eine Reaktion auf Lenins Bewegung – bediente sich einer internationalistischen Haltung: in Europa, Lateinamerika und Asien entstanden in Anlehnung an Mussolinis Schwarzhemden andere Hemdenbewegungen diverser Farben, um dem Autoritarismus als alternatives Modell zum Liberalismus zum Durchbruch zu verhelfen.
Obwohl sich die hochgradig nationalistischen Bewegungen wie Mussolinis Faschisten und Adolf Hitlers Nazis einen Wettstreit darüber lieferten, wer wirklich echt faschistisch war, vereinten sie sich letztlich, um die liberale Ordnung zu bekämpfen. In ähnlicher Weise könnte auch die politische Revolte von heute einer unaufhaltsamen Logik folgen, im Rahmen derer sich jedes Land gegen Handel, Migration und Kapitalströme abschotten muss um nicht Gefahr zu laufen, in einem Nullsummenspiel auf der Strecke zu bleiben.
Das wirft eine grundlegende Frage auf: ist es möglich, eine Brandmauer zu errichten, um eine derartige politische Ansteckung zu verhindern?
At a time of escalating global turmoil, there is an urgent need for incisive, informed analysis of the issues and questions driving the news – just what PS has always provided.
Subscribe to Digital or Digital Plus now to secure your discount.
Subscribe Now
Um Finanzkrisen zu beenden und die finanzielle Ansteckung einzudämmen, werden in der Regel zwei Maßnahmen ergriffen: internationale Rettungspakete und Finanzreformen. In ähnlicher Weise könnte man auch das politische Gegenstück derartiger Interventionen ins Auge fassen, nämlich Reformen der Institutionen globaler Ordnungspolitik und bestehender demokratischer Rahmenwerke. Schließlich handelt es sich bei vielen Problemen, von denen einzelne Länder momentan betroffen sind, eigentlich um grenzüberschreitende Fragen, die nicht von einem Land allein gelöst werden können. Das offenkundigste Beispiel dafür ist der Klimawandel, der aufgrund von Dürreperioden und wiederholten Missernten für anschließende Massenmigrationsbewegungen sorgt.
Doch die Populisten von heute haben die Weigerung, kollektiv zu denken oder sich international zu engagieren, zum Prinzip erhoben. Alles, was nach einer grenzüberschreitenden Frage aussieht, wird als irrelevant für nationale Anliegen betrachtet und jede koordinierte internationale Maßnahme wird verhöhnt und als Fehlschlag präsentiert.
Vielleicht schafft der ansteckende Populismus von heute die Bedingungen für seine eigene Zerstörung. Die mit dem Populismus einhergehende Unsicherheit könnte Investitionen abschrecken und das Wachstum in bereits fragilen Ökonomien abwürgen. Autokratisches, populistisches Denken kann auf der Basis dieser Angst allerdings auch gedeihen, weswegen selbsternannte „illiberale Demokraten” Sicherheit und Kontinuität versprechen und oftmals einen Pakt mit irgendeinem Teil der Wirtschaft eingehen, um das zu garantieren.
Derzeit bietet Großbritannien ein frappierendes Beispiel postpopulistischer Ökonomie. Das Ergebnis des Brexit-Referendums vom Juni hatte keine wirtschaftliche Katastrophe zur Folge, wie die Austrittsgegner sie prognostiziert hatten. Dennoch sind die Nachwirkungen des Brexits von beträchtlicher Unsicherheit und grundlegend unvereinbaren Vorschlägen hinsichtlich der Zukunft des Landes geprägt, wodurch es zu einem politischen Kampf im Parlament und innerhalb der britischen Regierung unter Premierministerin Theresa May kam.
Angesichts der damit verbundenen wirtschaftlichen Angst und der politischen Spannungen bietet der Brexit kaum ein attraktives und nachahmenswertes Modell für andere europäische Länder. Und tatsächlich zeigen nach dem Referendum durchgeführte Meinungsumfragen in den meisten, allerdings nicht allen Mitgliedsländern, wachsende Zustimmungswerte für die Europäische Union.
Die Präsidentschaft Trumps wird wahrscheinlich ähnliche Probleme schaffen und das Versprechen des designierten Präsidenten, „unberechenbar“ zu bleiben, könnte das populistische Modell noch weiter ramponieren, insbesondere wenn die Furcht vor einem Handelskrieg oder einem dramatischen Kursanstieg des Dollars aufgrund gelockerter Fiskal- und strafferer Geldpolitik für zusätzliche wirtschaftliche Unsicherheit sorgen.
Doch die USA sind wahrscheinlich außergewöhnlich belastbar: da das Land historisch gesehen der globale sichere Hafen in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit war, ist es möglicherweise von politischer Unberechenbarkeit weniger beeinträchtigt als andere Länder. Nach der Finanzkrise des Jahres 2008 – einer Krise, die unzweifelhaft in den USA ihren Ursprung hatte – sorgte dieser so genannte Save-Haven-Effekt für eine Stärkung des Dollars, da die Kapitalzuflüsse anstiegen. So war das auch in den Wochen nach Trumps Wahlsieg.
Die Ökonomie des US-Populismus muss also nicht unbedingt scheitern, zumindest nicht unmittelbar, was sie wiederum in den Augen autokratischer und nationalistischer Spitzenpolitiker attraktiv macht, die Trump nun als Kollegen und Vorbild betrachten. So beeilte sich der japanische Premierminister Shinzo Abe umgehend, Trumps Agenda zu würdigen.
Ein großes Land wie die Vereinigten Staaten können die Kosten ihrer Unberechenbarkeit in der Regel anderen Ländern auferlegen, insbesondere den Schwellenmärkten. Kleinere Länder wie Großbritannien allerdings sind zusätzlich zu ihrer stärkeren Verwundbarkeit durch die populistische Politik großer Länder tendenziell eher mit unmittelbaren Kosten konfrontiert.
Nun, da sich die Länder Gedanken über diese Lehren machen, könnten sie mit der Bildung defensiver regionaler Blocks beginnen, um sich selbst vor der populistischen Ansteckung zu schützen. China könnte beispielsweise anfangen, für ganz Asien zu sprechen; und die EU findet vielleicht Wege, um sich gegen diejenigen zu vereinen, die sie auseinanderreißen wollen. Im schlimmsten Falle könnte dieser neue Regionalismus geopolitische Animositäten schüren und zu einer Neuauflage der Spannungen der 1930er Jahre führen; im besten Falle könnte regionale Integration die Voraussetzungen für dringend notwendige ordnungspolitische Reformen schaffen und somit einen Ausweg aus der Populismus-Falle bieten.
To have unlimited access to our content including in-depth commentaries, book reviews, exclusive interviews, PS OnPoint and PS The Big Picture, please subscribe
Less than two months into his second presidency, Donald Trump has imposed sweeping tariffs on America’s three largest trading partners, with much more to come. This strategy not only lacks any credible theoretical foundations; it is putting the US on a path toward irrevocable economic and geopolitical decline.
Today's profound global uncertainty is not some accident of history or consequence of values-free technologies. Rather, it reflects the will of rival great powers that continue to ignore the seminal economic and social changes underway in other parts of the world.
explains how Malaysia and other middle powers are navigating increasingly uncertain geopolitical terrain.
PRINCETON – Der Populismus breitet sich in den Industrieländern offenkundig rasant aus und das politische Establishment befindet sich auf dem Rückzug. Mit dramatischen Versprechungen, das System radikal zu verändern oder umzustürzen, erringen Außenseiter bedeutende politische Siege. Die Feinde der Populisten sind Angehörige der „weltweiten Eliten“, die nationale Werte verrieten; und doch geht es den Populisten mit ihrer Revolte gegen den vom designierten amerikanischen Präsidenten Donald Trump so bezeichneten „Globalismus“ darum, ebenfalls zu einem globalen Phänomen zu werden, das eigentlich auch von seiner eigenen Marke des Internationalismus abhängig ist.
In der Finanzwelt ist Ansteckung ein wohlbekannter Prozess. Ein Schock an einem Ort führt auch anderswo zu Erschütterungen, selbst wenn keine direkten finanziellen Verbindungen bestehen, weil die nach bestimmten Mustern Ausschau haltenden Marktteilnehmer fundamentale Kräfte am Werk vermuten.
Die populistische Revolte von heute weist eine ähnliche Dynamik auf. Trump versprach schon im Voraus, dass sein Sieg ein Brexit im Quadrat sein würde. Und tatsächlich: unmittelbar nachdem er gewonnen hatte, sahen politisch rechtsaußen stehende Kräfte in den Niederlanden und Frankreich seinen Sieg schon als Vorzeichen für kommende Entwicklungen. Ähnlich sah es auch das „Nein“-Lager im bevorstehenden italienischen Verfassungsreferendum – von dem der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi seine politische Zukunft abhängig macht.
Eine offensichtliche historische Parallele zur Gegenwart bildet die Zwischenkriegszeit des 20. Jahrhunderts, als Wladimir Lenin den sowjetischen Kommunismus als internationale Marke präsentierte und die Kommunistische Internationale gründete. Auch Benito Mussolinis italienischer Faschismus – eine Reaktion auf Lenins Bewegung – bediente sich einer internationalistischen Haltung: in Europa, Lateinamerika und Asien entstanden in Anlehnung an Mussolinis Schwarzhemden andere Hemdenbewegungen diverser Farben, um dem Autoritarismus als alternatives Modell zum Liberalismus zum Durchbruch zu verhelfen.
Obwohl sich die hochgradig nationalistischen Bewegungen wie Mussolinis Faschisten und Adolf Hitlers Nazis einen Wettstreit darüber lieferten, wer wirklich echt faschistisch war, vereinten sie sich letztlich, um die liberale Ordnung zu bekämpfen. In ähnlicher Weise könnte auch die politische Revolte von heute einer unaufhaltsamen Logik folgen, im Rahmen derer sich jedes Land gegen Handel, Migration und Kapitalströme abschotten muss um nicht Gefahr zu laufen, in einem Nullsummenspiel auf der Strecke zu bleiben.
Das wirft eine grundlegende Frage auf: ist es möglich, eine Brandmauer zu errichten, um eine derartige politische Ansteckung zu verhindern?
Winter Sale: Save 40% on a new PS subscription
At a time of escalating global turmoil, there is an urgent need for incisive, informed analysis of the issues and questions driving the news – just what PS has always provided.
Subscribe to Digital or Digital Plus now to secure your discount.
Subscribe Now
Um Finanzkrisen zu beenden und die finanzielle Ansteckung einzudämmen, werden in der Regel zwei Maßnahmen ergriffen: internationale Rettungspakete und Finanzreformen. In ähnlicher Weise könnte man auch das politische Gegenstück derartiger Interventionen ins Auge fassen, nämlich Reformen der Institutionen globaler Ordnungspolitik und bestehender demokratischer Rahmenwerke. Schließlich handelt es sich bei vielen Problemen, von denen einzelne Länder momentan betroffen sind, eigentlich um grenzüberschreitende Fragen, die nicht von einem Land allein gelöst werden können. Das offenkundigste Beispiel dafür ist der Klimawandel, der aufgrund von Dürreperioden und wiederholten Missernten für anschließende Massenmigrationsbewegungen sorgt.
Doch die Populisten von heute haben die Weigerung, kollektiv zu denken oder sich international zu engagieren, zum Prinzip erhoben. Alles, was nach einer grenzüberschreitenden Frage aussieht, wird als irrelevant für nationale Anliegen betrachtet und jede koordinierte internationale Maßnahme wird verhöhnt und als Fehlschlag präsentiert.
Vielleicht schafft der ansteckende Populismus von heute die Bedingungen für seine eigene Zerstörung. Die mit dem Populismus einhergehende Unsicherheit könnte Investitionen abschrecken und das Wachstum in bereits fragilen Ökonomien abwürgen. Autokratisches, populistisches Denken kann auf der Basis dieser Angst allerdings auch gedeihen, weswegen selbsternannte „illiberale Demokraten” Sicherheit und Kontinuität versprechen und oftmals einen Pakt mit irgendeinem Teil der Wirtschaft eingehen, um das zu garantieren.
Derzeit bietet Großbritannien ein frappierendes Beispiel postpopulistischer Ökonomie. Das Ergebnis des Brexit-Referendums vom Juni hatte keine wirtschaftliche Katastrophe zur Folge, wie die Austrittsgegner sie prognostiziert hatten. Dennoch sind die Nachwirkungen des Brexits von beträchtlicher Unsicherheit und grundlegend unvereinbaren Vorschlägen hinsichtlich der Zukunft des Landes geprägt, wodurch es zu einem politischen Kampf im Parlament und innerhalb der britischen Regierung unter Premierministerin Theresa May kam.
Angesichts der damit verbundenen wirtschaftlichen Angst und der politischen Spannungen bietet der Brexit kaum ein attraktives und nachahmenswertes Modell für andere europäische Länder. Und tatsächlich zeigen nach dem Referendum durchgeführte Meinungsumfragen in den meisten, allerdings nicht allen Mitgliedsländern, wachsende Zustimmungswerte für die Europäische Union.
Die Präsidentschaft Trumps wird wahrscheinlich ähnliche Probleme schaffen und das Versprechen des designierten Präsidenten, „unberechenbar“ zu bleiben, könnte das populistische Modell noch weiter ramponieren, insbesondere wenn die Furcht vor einem Handelskrieg oder einem dramatischen Kursanstieg des Dollars aufgrund gelockerter Fiskal- und strafferer Geldpolitik für zusätzliche wirtschaftliche Unsicherheit sorgen.
Doch die USA sind wahrscheinlich außergewöhnlich belastbar: da das Land historisch gesehen der globale sichere Hafen in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit war, ist es möglicherweise von politischer Unberechenbarkeit weniger beeinträchtigt als andere Länder. Nach der Finanzkrise des Jahres 2008 – einer Krise, die unzweifelhaft in den USA ihren Ursprung hatte – sorgte dieser so genannte Save-Haven-Effekt für eine Stärkung des Dollars, da die Kapitalzuflüsse anstiegen. So war das auch in den Wochen nach Trumps Wahlsieg.
Die Ökonomie des US-Populismus muss also nicht unbedingt scheitern, zumindest nicht unmittelbar, was sie wiederum in den Augen autokratischer und nationalistischer Spitzenpolitiker attraktiv macht, die Trump nun als Kollegen und Vorbild betrachten. So beeilte sich der japanische Premierminister Shinzo Abe umgehend, Trumps Agenda zu würdigen.
Ein großes Land wie die Vereinigten Staaten können die Kosten ihrer Unberechenbarkeit in der Regel anderen Ländern auferlegen, insbesondere den Schwellenmärkten. Kleinere Länder wie Großbritannien allerdings sind zusätzlich zu ihrer stärkeren Verwundbarkeit durch die populistische Politik großer Länder tendenziell eher mit unmittelbaren Kosten konfrontiert.
Nun, da sich die Länder Gedanken über diese Lehren machen, könnten sie mit der Bildung defensiver regionaler Blocks beginnen, um sich selbst vor der populistischen Ansteckung zu schützen. China könnte beispielsweise anfangen, für ganz Asien zu sprechen; und die EU findet vielleicht Wege, um sich gegen diejenigen zu vereinen, die sie auseinanderreißen wollen. Im schlimmsten Falle könnte dieser neue Regionalismus geopolitische Animositäten schüren und zu einer Neuauflage der Spannungen der 1930er Jahre führen; im besten Falle könnte regionale Integration die Voraussetzungen für dringend notwendige ordnungspolitische Reformen schaffen und somit einen Ausweg aus der Populismus-Falle bieten.
Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier