PROVIDENCE/NEW DELHI ‑ Die UN-Klimakonferenz (COP28) 2023 in Dubai endete mit einer sorgfältig formulierten Erklärung zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und weckte Hoffnungen, dass die internationale Gemeinschaft endlich die Ziele des Pariser Klimaabkommens von 2015 erreichen könnte. Ohne unverzügliches und entschlossenes Handeln Indiens, des drittgrößten Treibhausgasemittenten der Welt, wird es jedoch schwierig sein, diese Reduktionsziele zu erreichen.
Indien, das im Jahr 2022 für 7,6 % der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich war (im Vergleich zu China mit 30,7 % und den USA mit 13,6 %), hat sich ehrgeizige Ziele für erneuerbare Energien gesetzt und eine führende Rolle bei internationalen Klimaverhandlungen übernommen. Doch während diese Bemühungen darauf hindeuten, dass Indien sich ernsthaft für die Abkehr von fossilen Brennstoffen einsetzen will, ist das Land auch mit politischen Hindernissen konfrontiert, die seine Fähigkeit, wichtige Klimaziele zu erreichen, ernsthaft beeinträchtigen könnten.
Indien verfolgt einen antizyklischen Ansatz bei der Besteuerung erdölbezogener Produkte. Die Steuern werden gesenkt, wenn die Weltmarktpreise steigen, und erhöht, wenn die Preise fallen. Die europäischen Regierungen verfolgten eine extremere Strategie, nachdem die Gaspreise nach der Invasion Russlands in der Ukraine in die Höhe geschnellt waren. Sie stellten zwischen September 2021 und Januar 2023 Subventionen in Höhe von mehr als 650 Milliarden Euro (712 Mrd. US-Dollar) bereit, um die Verbraucher vor steigenden Energiekosten zu schützen.
In Indien hingegen betrug der effektive Kohlenstoffpreis im Jahr 2021 nur 14 Euro pro Tonne. Außerdem wird Strom in Indien stark subventioniert. Viele Haushalte und Landwirte profitieren von kostenlosem Strom oder zahlen nur einen Bruchteil der tatsächlichen Kosten. Um dies auszugleichen, werden von industriellen und gewerblichen Nutzern höhere Tarife verlangt. Trotzdem subventioniert die Regierung selbst mit dieser Regelung etwa 20 % der Stromerzeugungskosten.
Da 34 % aller Treibhausgasemissionen Indiens auf Strom entfallen, ist eine Reform der Strompreise von entscheidender Bedeutung für das Erreichen der Emissionsreduktionsziele des Landes. Dies wird jedoch nicht einfach sein, da die Strompreise nicht von einer zentralen Behörde, sondern von den 28 Bundesstaaten und acht quasi-souveränen Unionsterritorien des Landes festgelegt werden. Diese 36 Zuständigkeitsbereiche haben jeweils ihre eigene Politik und Interessen. Sie repräsentieren den sprichwörtlichen Elefanten im Zimmer, was jede Anstrengung, Kohlenstoffsubventionen abzuschaffen, erschwert.
Nach der Unabhängigkeit hat fast jeder Bundesstaat in Indien die Strompreise subventioniert. Dadurch hat sich die Erwartung von kostenlosem oder billigem Strom tief in die demokratische Politik des Landes eingegraben. Die starke Subventionierung hat den Zugang zu Energie zwar erheblich verbessert, belastet aber auch die Finanzen der Bundesstaaten und behindert Investitionen in saubere Energie. In landwirtschaftlich geprägten Regionen hat der kostenlose Strom zu einer Verschlechterung und Erschöpfung der Wasserressourcen beigetragen. Außerdem verursacht die Abhängigkeit von der Kohleverstromung schwerwiegende umweltbedingte Gesundheitsprobleme und führt zu erhöhten Kohlenstoffemissionen.
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In der indischen Politik, die zunehmend anfällig für konkurrierenden Populismus zwischen den Regierungen der Bundesstaaten ist, ist das Versprechen von kostenlosem oder billigerem Strom (zusammen mit Geldtransfers) eine Standardwährung gewählter Amtsträger. Die Beliebtheit dieses Ansatzes zeigte sich vor kurzem bei mehreren Wahlen, bei denen die Parteien Stromsubventionen versprachen und diese nach ihrer Machtübernahme auch einführten. Infolgedessen hat sich der Strompreis stetig in die falsche Richtung entwickelt: mehr Kohlenstoffsubventionen statt mehr Steuern.
Die indische Zentralregierung hat versucht, die Regierungen der Bundesstaaten dazu zu bewegen, die Strompreise zu rationalisieren, allerdings mit begrenztem Erfolg. Auch Maßnahmen wie der Kohlenstoffgrenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) der Europäischen Union oder die Anforderungen an die Emissionsberichterstattung werden wahrscheinlich keine nennenswerten Auswirkungen haben. Solche protektionistischen Maßnahmen zielen in erster Linie auf handelbare Güter und Dienstleistungen ab, also auf Sektoren, die in Indien nicht stark subventioniert werden und für die die Regierung versucht, ein Cap-and-Trade-System einzuführen. Entscheidend ist, dass Mechanismen wie der CBAM nur minimale Auswirkungen auf die Preisgestaltung des nichtindustriellen Stromverbrauchs haben werden.
Die tief verwurzelte Popularität der indischen Stromsubventionen und der Widerstand gegen Reformen bedeuten jedoch nicht zwangsläufig, dass die Bemühungen um eine Emissionssenkung sowohl in Indien als auch weltweit scheitern müssen. Indien hat zwar kaum eine Chance, die Preisgestaltung für Strom zu ändern, kann aber beeinflussen, wie er produziert wird. Die Nachfrage mag unbeeinflussbar sein, aber durch die Umstellung des Stromnetzes von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien kann das Land billigen Strom liefern und gleichzeitig die Kohlenstoffemissionen reduzieren.
Um diese Umstellung wirtschaftlich zu machen, müssen erneuerbare Energien und ihre Speicherung günstiger sein. Trotz ihres protektionistischen Charakters könnten industriepolitische Maßnahmen wie der Inflation Reduction Act von US-Präsident Joe Biden Entwicklungsländern wie Indien zugutekommen. Durch die Senkung der Kosten für die Erzeugung und Speicherung von grüner Energie könnten solche Maßnahmen dazu führen, dass subventionierter Strom unter Emissionsgesichtspunkten weniger problematisch ist.
Aus den Erfahrungen Indiens lassen sich einige wichtige Lehren für politische Entscheidungsträger und Wirtschaftswissenschaftler ziehen. Einmütiges und energisches Eintreten für die Kohlenstoffbesteuerung kann fehlgeleitet sein, weil es die Realitäten in den Ländern ignoriert. Es ist unwahrscheinlich, dass die 36 indischen Zuständigkeitsbereiche die indirekten Kohlenstoffsubventionen für die Stromerzeugung abschaffen werden, es sei denn, es tritt ein unvorhergesehener Schock ein. Daher ist es wichtig, praktikable Lösungen zu finden, die innerhalb dieser politischen Rahmenbedingungen entwickelt und umgesetzt werden können. Eine internationale finanzielle Unterstützung könnte beispielsweise die Risiken von Projekten für erneuerbare Energien und Speicher in Entwicklungsländern erheblich verringern und sie für private Investitionen attraktiver machen.
Es ist offensichtlich, dass wir nicht weiterkommen werden, wenn wir uns nur auf Lösungen aus dem Lehrbuch berufen. Wenn die Definition von Wahnsinn darin besteht, immer wieder das Gleiche zu tun ‑ oder in diesem Fall dafür zu werben ‑ und andere Ergebnisse zu erwarten, dann gefährden wir uns alle durch diese besondere Form des Wahnsinns.
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At the end of a year of domestic and international upheaval, Project Syndicate commentators share their favorite books from the past 12 months. Covering a wide array of genres and disciplines, this year’s picks provide fresh perspectives on the defining challenges of our time and how to confront them.
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PROVIDENCE/NEW DELHI ‑ Die UN-Klimakonferenz (COP28) 2023 in Dubai endete mit einer sorgfältig formulierten Erklärung zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und weckte Hoffnungen, dass die internationale Gemeinschaft endlich die Ziele des Pariser Klimaabkommens von 2015 erreichen könnte. Ohne unverzügliches und entschlossenes Handeln Indiens, des drittgrößten Treibhausgasemittenten der Welt, wird es jedoch schwierig sein, diese Reduktionsziele zu erreichen.
Indien, das im Jahr 2022 für 7,6 % der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich war (im Vergleich zu China mit 30,7 % und den USA mit 13,6 %), hat sich ehrgeizige Ziele für erneuerbare Energien gesetzt und eine führende Rolle bei internationalen Klimaverhandlungen übernommen. Doch während diese Bemühungen darauf hindeuten, dass Indien sich ernsthaft für die Abkehr von fossilen Brennstoffen einsetzen will, ist das Land auch mit politischen Hindernissen konfrontiert, die seine Fähigkeit, wichtige Klimaziele zu erreichen, ernsthaft beeinträchtigen könnten.
Indien verfolgt einen antizyklischen Ansatz bei der Besteuerung erdölbezogener Produkte. Die Steuern werden gesenkt, wenn die Weltmarktpreise steigen, und erhöht, wenn die Preise fallen. Die europäischen Regierungen verfolgten eine extremere Strategie, nachdem die Gaspreise nach der Invasion Russlands in der Ukraine in die Höhe geschnellt waren. Sie stellten zwischen September 2021 und Januar 2023 Subventionen in Höhe von mehr als 650 Milliarden Euro (712 Mrd. US-Dollar) bereit, um die Verbraucher vor steigenden Energiekosten zu schützen.
In Indien hingegen betrug der effektive Kohlenstoffpreis im Jahr 2021 nur 14 Euro pro Tonne. Außerdem wird Strom in Indien stark subventioniert. Viele Haushalte und Landwirte profitieren von kostenlosem Strom oder zahlen nur einen Bruchteil der tatsächlichen Kosten. Um dies auszugleichen, werden von industriellen und gewerblichen Nutzern höhere Tarife verlangt. Trotzdem subventioniert die Regierung selbst mit dieser Regelung etwa 20 % der Stromerzeugungskosten.
Da 34 % aller Treibhausgasemissionen Indiens auf Strom entfallen, ist eine Reform der Strompreise von entscheidender Bedeutung für das Erreichen der Emissionsreduktionsziele des Landes. Dies wird jedoch nicht einfach sein, da die Strompreise nicht von einer zentralen Behörde, sondern von den 28 Bundesstaaten und acht quasi-souveränen Unionsterritorien des Landes festgelegt werden. Diese 36 Zuständigkeitsbereiche haben jeweils ihre eigene Politik und Interessen. Sie repräsentieren den sprichwörtlichen Elefanten im Zimmer, was jede Anstrengung, Kohlenstoffsubventionen abzuschaffen, erschwert.
Nach der Unabhängigkeit hat fast jeder Bundesstaat in Indien die Strompreise subventioniert. Dadurch hat sich die Erwartung von kostenlosem oder billigem Strom tief in die demokratische Politik des Landes eingegraben. Die starke Subventionierung hat den Zugang zu Energie zwar erheblich verbessert, belastet aber auch die Finanzen der Bundesstaaten und behindert Investitionen in saubere Energie. In landwirtschaftlich geprägten Regionen hat der kostenlose Strom zu einer Verschlechterung und Erschöpfung der Wasserressourcen beigetragen. Außerdem verursacht die Abhängigkeit von der Kohleverstromung schwerwiegende umweltbedingte Gesundheitsprobleme und führt zu erhöhten Kohlenstoffemissionen.
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Die indische Zentralregierung hat versucht, die Regierungen der Bundesstaaten dazu zu bewegen, die Strompreise zu rationalisieren, allerdings mit begrenztem Erfolg. Auch Maßnahmen wie der Kohlenstoffgrenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) der Europäischen Union oder die Anforderungen an die Emissionsberichterstattung werden wahrscheinlich keine nennenswerten Auswirkungen haben. Solche protektionistischen Maßnahmen zielen in erster Linie auf handelbare Güter und Dienstleistungen ab, also auf Sektoren, die in Indien nicht stark subventioniert werden und für die die Regierung versucht, ein Cap-and-Trade-System einzuführen. Entscheidend ist, dass Mechanismen wie der CBAM nur minimale Auswirkungen auf die Preisgestaltung des nichtindustriellen Stromverbrauchs haben werden.
Die tief verwurzelte Popularität der indischen Stromsubventionen und der Widerstand gegen Reformen bedeuten jedoch nicht zwangsläufig, dass die Bemühungen um eine Emissionssenkung sowohl in Indien als auch weltweit scheitern müssen. Indien hat zwar kaum eine Chance, die Preisgestaltung für Strom zu ändern, kann aber beeinflussen, wie er produziert wird. Die Nachfrage mag unbeeinflussbar sein, aber durch die Umstellung des Stromnetzes von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien kann das Land billigen Strom liefern und gleichzeitig die Kohlenstoffemissionen reduzieren.
Um diese Umstellung wirtschaftlich zu machen, müssen erneuerbare Energien und ihre Speicherung günstiger sein. Trotz ihres protektionistischen Charakters könnten industriepolitische Maßnahmen wie der Inflation Reduction Act von US-Präsident Joe Biden Entwicklungsländern wie Indien zugutekommen. Durch die Senkung der Kosten für die Erzeugung und Speicherung von grüner Energie könnten solche Maßnahmen dazu führen, dass subventionierter Strom unter Emissionsgesichtspunkten weniger problematisch ist.
Aus den Erfahrungen Indiens lassen sich einige wichtige Lehren für politische Entscheidungsträger und Wirtschaftswissenschaftler ziehen. Einmütiges und energisches Eintreten für die Kohlenstoffbesteuerung kann fehlgeleitet sein, weil es die Realitäten in den Ländern ignoriert. Es ist unwahrscheinlich, dass die 36 indischen Zuständigkeitsbereiche die indirekten Kohlenstoffsubventionen für die Stromerzeugung abschaffen werden, es sei denn, es tritt ein unvorhergesehener Schock ein. Daher ist es wichtig, praktikable Lösungen zu finden, die innerhalb dieser politischen Rahmenbedingungen entwickelt und umgesetzt werden können. Eine internationale finanzielle Unterstützung könnte beispielsweise die Risiken von Projekten für erneuerbare Energien und Speicher in Entwicklungsländern erheblich verringern und sie für private Investitionen attraktiver machen.
Es ist offensichtlich, dass wir nicht weiterkommen werden, wenn wir uns nur auf Lösungen aus dem Lehrbuch berufen. Wenn die Definition von Wahnsinn darin besteht, immer wieder das Gleiche zu tun ‑ oder in diesem Fall dafür zu werben ‑ und andere Ergebnisse zu erwarten, dann gefährden wir uns alle durch diese besondere Form des Wahnsinns.
Übersetzung: Andreas Hubig