yi15_Kevin FrayerGetty Images_chinababy Kevin Frayer/Getty Images

China stoppt seine internationale Adoptionsmaschinerie

MADISON, WISCONSIN – Die chinesische Regierung hat vor kurzem angekündigt, keine Auslandsadoptionen chinesischer Kinder mehr zuzulassen, außer durch Blutsverwandte oder Stiefeltern. Dieser Schritt ist Ausdruck einer veränderten Haltung Chinas hinsichtlich des Bevölkerungswachstums, wobei die Angst vor Überbevölkerung inzwischen der Sorge gewichen ist, dass eine rasch alternde und schrumpfende Bevölkerung die Zukunft des Landes bedroht.

Jahrzehntelang war Adoption ein entscheidender Faktor der Ein-Kind-Politik in China. Darüber hinausgehende Schwangerschaften wurden entweder abgebrochen oder Babys wurden an kinderlose Paare abgegeben. Im Jahr 1981, als ich die Grundschule besuchte, wurde einem unfruchtbaren Paar aus meiner Nachbarschaft ein Kind übergeben, das eine Zwangsabtreibung in einem Nachbardorf überlebt hatte. (Das Baby starb kurz darauf an den Folgen der Verletzungen aufgrund des Abtreibungsversuchs und der Frühgeburt.)

Einige meiner eigenen Verwandten waren gezwungen, ihre Kinder zur Adoption freizugeben, da ihnen hohe Geldstrafen und die Beschlagnahmung von Ackerland und Viehbestand drohten. Sie mussten trotzdem eine Geldstrafe für die illegale Geburt zahlen, doch sie konnten die Summe aufbringen und zumindest waren ihre Kinder in Sicherheit. Von den Kindern der Familien, die sich die Geldstrafen nicht leisten konnten, kann man das nicht behaupten. Sie wurden oft einfach am Straßenrand ausgesetzt. Zwar steckten die Eltern manchmal etwas Bargeld in die Decken ihrer Kinder, in der Hoffnung, dass jemand das ausgesetzte Neugeborene aufnehmen würde, doch ein derart glückliches Ende war selten, nicht zuletzt, weil Familien mit Kindern nicht adoptieren durften.

Die Überlebenschancen illegal geborener Babys verbesserten sich 1992, als die Regierung internationale Adoptionen erlaubte und damit die „Belastung“ aufgrund „überzähliger“ Kinder exportierte. Auf diese Weise befreite sich die chinesische Regierung nicht nur von dem mit der Unterstützung von Waisenkindern verbundenen finanziellen Druck, sondern erschloss auch eine neue Einnahmequelle: Zahlungen ausländischer Adoptivfamilien.

Internationale Adoptionen waren so lukrativ, weil ausländische Familien tausende Dollar für die Adoption chinesischer Kinder zahlten, so dass einige Lokalregierungen dazu übergingen, Babys zu „konfiszieren“. In einem Fall wurden Zwillinge getrennt. Ein Kind wurde an eine Adoptivfamilie in den Vereinigten Staaten geschickt, das andere blieb bei seinen leiblichen Eltern in China.

Wenn es darum ging, Kinder zur Adoption freizugeben, war China schwer zu schlagen. Ein Baby-Überschuss und ein zentralisierter, vorhersehbarer und relativ erschwinglicher Adoptionsprozess – der etwa halb so viel kostete wie bei Adoptionen in den USA – machten China bald zu einem führenden Herkunftsland für internationale Adoptionen. In den letzten drei Jahrzehnten wurden 160.000 Adoptionen gezählt, wobei im Jahr 2005 mit 13.000 Adoptionen der Höhepunkt erreicht wurde. Ein beliebtes Zielland waren die USA: Zwischen 1999 und 2022 adoptierten amerikanische Familien 82.658 chinesische Kinder – das entspricht fast einem Drittel aller US-Adoptionen aus dem Ausland. Wenn man die Adoptionen vor 1999 miteinbezieht, haben US-Familien schätzungsweise mehr als 100.000 chinesische Kinder adoptiert, von denen etliche ihren leiblichen Eltern durch Mitarbeitende der Familienplanungsbehörde entzogen wurden.

PS Events: Climate Week NYC 2024
image (24)

PS Events: Climate Week NYC 2024

Project Syndicate is returning to Climate Week NYC with an even more expansive program. Join us live on September 22 as we welcome speakers from around the world at our studio in Manhattan to address critical dimensions of the climate debate.

Register Now

Mädchen wurden häufiger zur Adoption freigegeben als Jungen, worin sich die Präferenz chinesischer Eltern für Söhne widerspiegelt. Jedoch war diese Präferenz bei Weitem nicht so ausgeprägt, wie die internationale Gemeinschaft zu glauben scheint, und es war eindeutig die Ein-Kind-Politik, die sie befeuerte. Im Jahr 2000 kamen in ganz China 120 Jungen auf 100 Mädchen im Alter von 0 bis 4 Jahren. In Gebieten, in denen seit Mitte der 1980er Jahre versuchsweise die Zwei-Kind-Politik eingeführt wurde, war das Verhältnis jedoch weitaus ausgeglichener: Im Landkreis Yicheng kamen auf 100 Mädchen 103 Jungen und in der Präfektur Jiuquan 110 Jungen auf 100 Mädchen. Diese Zahlen entsprechen dem weltweiten Durchschnitt: In der weltweiten Gesamtbevölkerung kommen auf 100 Mädchen in der Regel 103 bis 107 Jungen.

In jedem Fall werden auch in anderen Ländern eher Söhne als Töchter bevorzugt. In zehn zwischen 1941 und 2011 durchgeführten Gallup-Umfragen gaben etwa 40 Prozent der amerikanischen Befragten an, dass sie, wenn sie nur ein Kind haben dürften, lieber einen Jungen hätten, während etwa 28 Prozent ein Mädchen bevorzugen würden. Der Unterschied besteht darin, dass in China die Ein-Kind-Politik die Eltern zu grausamen Entscheidungen zwang.

Chinas Maschinerie für Auslandsadoptionen konnte nicht ewig weiterlaufen. Die Fruchtbarkeitsrate des Landes sank von 2,3 Kindern pro Frau im Jahr 1990 auf 1,6-1,7 im Jahr 2010, wodurch sich natürlich die Zahl der zur Adoption verfügbaren Kinder verringerte. Gleichzeitig stieg die Unfruchtbarkeitsrate von 1–2 Prozent in den 1970er Jahren auf 10–15 Prozent im Jahr 2010 und auf 18 Prozent im Jahr 2020, weshalb die Inlandsnachfrage nach Adoptionen stieg. In der Zwischenzeit wurden die Regelungen zur Geburtenkontrolle gelockert: Im Jahr 2014 lancierte man die „Politik der selektiven Zwei-Kind-Familie“, die 2016 auf alle Familien ausgeweitet wurde. Im Jahr 2021 folgte die Drei-Kind-Politik. Infolgedessen sind nun weitaus mehr chinesische Familien zur Adoption berechtigt.

Diese Entwicklungen in Kombination mit der Verschärfung der internationalen Adoptionsregeln im Jahr 2007 führten zu einem starken RückgangUS-amerikanischer Adoptionen chinesischer Kinder und zwar von 7.903 im Jahr 2005 auf 6.492 im Jahr 2006, 2.696 im Jahr 2012 auf nur 819 im Jahr 2019. (Während der Covid-19-Pandemie hat China internationale Adoptionen ausgesetzt.)

Dieser Rückgang kann als Teil einer breiteren Abkehr von internationalen Adoptionen betrachtet werden. Einige Aufnahmeländer – darunter Dänemark, die Niederlande und Norwegen – haben die Praxis hauptsächlich aufgrund ethischer Bedenken hinsichtlich der Adoptionsverfahren eingeschränkt oder ausgesetzt. Bemerkenswert ist, dass die USA zwar keine derartigen Beschränkungen verfügt haben, die Zahl der Auslandsadoptionen durch amerikanische Staatsbürger jedoch drastisch zurückgingen, und zwar von 22.987 im Jahr 2004 auf nur 1.517 im Jahr 2022.

Das Hauptmotiv für die Entscheidung der chinesischen Regierung, Auslandsadoptionen zu verbieten, dürfte jedoch darin bestehen, den demografischen Druck im eigenen Land zu verringern, auch wenn internationale Medien Spekulationen anstellen, dass die Entscheidung politisch motiviert ist. Vor nicht allzu langer Zeit hat Russland einen ähnlichen Schritt unternommen. Von 1992 bis 2012 gehörte Russland zu den führenden Herkunftsländern für internationale Adoptionen, wobei, wie die Grafik zeigt, amerikanische Familien 60.000 russische Kinder adoptierten. Doch 2012 untersagte Russland Adoptionen durch amerikanische Familien. Die Entscheidung hatte zwar auch eine politische Dimension, doch die rapide sinkende Fruchtbarkeitsrate in Russland – von 2,0 im Jahr 1989 auf 1,16 im Jahr 1999 – war wohl ein entscheidender Faktor.

[Grafik]

In China sinkt die Geburtenrate trotz der Einführung der Drei-Kind-Politik und anderer staatlicher Maßnahmen zur Geburtenförderung weiter. Im vergangenen Jahr lag sie in ganz China bei 1,0 und in Provinzen wie Shanghai und Heilongjiang sogar bei nur 0,6 – der weltweit niedrigsten Rate. Angesichts der Dramatik der demografischen Krise in China ist das Aus für internationale Adoptionen allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Dennoch sind diese Änderungen zu begrüßen, da sie zeigen, dass die chinesische Regierung endlich erkennt, dass Menschen nicht als Last betrachtet werden sollten. Man kann nur auf eine umfassendere Wende hin zu einer Politik hoffen, die das Leben achtet und die Menschenrechte schützt.

Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier

https://prosyn.org/5XbkHX5de