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Meine schlimmste Fehlprognose

NEW HAVEN – Ich stelle seit fast 50 Jahren Wirtschaftsprognosen an. Meinen Einstieg hatte ich Anfang der 1970er Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Federal Reserve in Washington, D.C. Anschließend ging ich mit meiner Kristallkugel für fast 30 Jahre an die Wall Street. Inzwischen sitze ich seit mehr als einem Jahrzehnt im Elfenbeinturm von Yale – und stelle nebenbei von Zeit zu Zeit noch immer mit Prognosen an, auch wenn ich überwiegend lehre, schreibe und Vorträge halte.

Während dieses langen Zeitraums war meine Prognosebilanz durchwachsen. Es gab eine Reihe denkwürdiger Prognosen bei der Fed, wo ich Mitte der 1970er Jahre vor einer steilen Rezession und hartnäckiger Inflation im weiteren Verlauf des Jahrzehnts warnte. Mit dem größten Stolz freilich blicke ich auf meine Zusammenarbeit mit Larry Slifman bei der Entwicklung des ersten „Black-Box“-Prognosemodells der Fed zurück, das, wie ich glaube, weitgehend auch heute noch Verwendung findet. Wir arbeiteten damals mehrere Wochen rund um die Uhr daran, als Ersatz für die bis damals einmal monatlich manuell per Taschenrechner erstellten Daten verlinkte computerbasierte Tabellen (damals etwas Unerhörtes) zu programmieren. Unser sogenannter wertender Ansatz war der Kontrapunkt zum etablierten großen ökometrischen Modell der Fed.

Meine Bemühungen an der Wall Street waren stärker themenbezogen. Ich erstellte weiter Prognosen, aber konzentrierte mich stärker auf das Gesamtbild betreffende Entwicklungen wie die Unternehmensverschuldung und -sanierung Ende der 1980er Jahre, die Produktivitätsdebatte der 1990er Jahre, die globale Erholung in der Welt nach der Krise Anfang dieses Jahrtausends und dann meine Paradedisziplin: China und seine Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Meine Prognosebilanz an der Wall Street war gut genug, um mir meinen Job bei Morgan Stanley zu sichern, wenn auch manchmal nur haarscharf.

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