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Dreißig Jahre danach – autoritäre oder demokratische und rechtsstaatliche Modernisierung?

BERLIN – Pünktlich zum dreißigjährigen Jahrestag des Falls der Mauer 1989 wird durch die Massenproteste in Moskau und Hongkong die Frage der Freiheit erneut aufgeworfen, wenn auch in einem ganz anderen historischen und politischen Umfeld. Die Moderne gründete auf der Freiheit und Gleichheit. Alle Menschen sind gleich und frei geboren. Diese radikal neue, nie zuvor gedachte Idee der abendländischen Aufklärung war zugleich ein radikaler Bruch mit aller bisherigen Menschheitsgeschichte. Die Zeiten haben sich geändert und die heutige politische Realität wirft eine fundmentale Frage auf: Gibt es im 21. Jahrhundert eine zweite Option der Moderne, jenseits von Freiheit, Rechtsstaat und Demokratie, nämlich eine autoritäre?

Vor dreißig Jahren war die überwiegende Antwort darauf nicht nur im Westen, sondern rund um den Globus, ein klares Nein. Nach der globalen Finanzkrise von 2008/9, nach der Rückkehr des Nationalismus in Europa, dem Scheitern des arabischen Frühlings, der Wahl von Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten, Russlands Rückfall in autoritäre Verhältnisse und dem Aufstieg Chinas, ist die Antwort heute eine andere. Statt Nein lautet die aktuell optimistische Variante Vielleicht und die pessimistische Ja!

Die Bedeutung der Massenproteste in Moskau und Hongkong, die auf kurze Sicht kaum eine Chance auf Erfolg haben dürften angesichts der realen Machtverhältnisse, besteht nun genau darin, dieser Verzagtheit der Demokratien, vor allem im Westen, ein mutiges Fanal entgegenzusetzen. In ihnen artikuliert sich auch ein zentrales Problem der kommenden globalen Entwicklung.

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