rogoff228_Chris J RatcliffeGetty Images_pound low Chris J Ratcliffe/Getty Images

Großbritannien ist - noch - kein Schwellenmarkt

CAMBRIDGE, MASS.: Die Kommentatoren haben auf den „Minihaushalt“ der britischen Premierministerin Liz Truss – einen Mischmasch von Maßnahmen, die von Steuersenkungen für Unternehmen und die Wohlhabenden im Stile Ronald Reagans bis hin zu einer altmodischen sozialistischen Obergrenze für die Energiepreise reichen – mit zunehmend blumigen Übertreibungen reagiert. Viele fragen sich inzwischen, ob das Vereinigte Königreich zunehmend weniger einer hochentwickelten Volkswirtschaft als einem vom Weg abgekommenen Schwellenmarkt ähnelt.

Es stimmt, dass die Finanzmärkte das Pfund Sterling auf Talfahrt geschickt haben und dass es inzwischen seinen niedrigsten Stand (gegenüber dem Dollar) überhaupt erreicht hat, ohne dass ein Ende in Sicht wäre. Der Status des Pfundes als Reservewährung, das letzte Überbleibsel der einst vielgerühmten Stellung Großbritanniens im Zentrum des internationalen Währungssystems, steht in Frage. Auch wenn das Gerede über einen unmittelbaren Zahlungsausfall des Landes übertrieben ist, ist es nicht unvernünftig, ein böses Erwachen zu erwarten, bei dem Land knapp daran vorbeischrammt.

Auch sollte man nicht vergessen, dass Großbritannien von den 1950er bis 1970er Jahren wiederholt Rettungsgelder des Internationalen Währungsfonds in Anspruch nahm (was es zum treuesten Kunden des IWF machte). Es wäre naiv, zu glauben, dass sich so etwas nicht wiederholen könnte, insbesondere falls die globalen langfristigen Zinsen weiter zu ihrem (sehr) langfristigen Trend zurückkehren. Es ist kein Wunder, dass der IWF das unausgegorene britische Wirtschaftspaket bereits scharf kritisiert hat, genau wie er das bei potenziellen Antragsstellern auf IWF-Gelder aus Schwellenmärkten tut.

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