trump macron Chesnot/Getty Images

Trump, Macron und die Armut des Liberalismus

DAVOS – Kein westlicher Liberaler würde der Feststellung widersprechen, dass die Wahl Donald Trumps ein Desaster für die amerikanische Gesellschaft darstellte, während die Wahl Emmanuel Macrons einen Triumph für die französische Gesellschaft markierte. Tatsächlich könnte das Gegenteil der Fall sein, so ketzerisch das auch klingen mag.

Die erste Frage, die es zu stellen gilt, lautet, warum die Menschen in den Straßen von Paris gewalttätig protestieren, nicht aber in Washington, DC. Ich war persönlich Zeuge dieser Proteste in Paris und der Geruch von Tränengas auf den Champs-Élysées erinnerte mich an die ethnischen Unruhen, die ich in Singapur 1964 miterlebte. Und warum protestieren die Gelbwesten? Anfangs zumindest, weil viele nicht den Eindruck hatten, dass sich Macron um ihre Notlage kümmerte oder ihre Situation verstand. 

Macron versucht, vernünftige makroökonomische Reformen umzusetzen. Mit der vorgeschlagenen Anhebung der Steuern auf Dieselkraftstoff hätte man das Haushaltsdefizit Frankreichs verringert und die Kohlendioxidemissionen gesenkt. Macrons Hoffnung bestand darin, dass eine stärkere fiskalische Position des Landes das Vertrauen und die Investitionen in die französische Wirtschaft gestärkt hätte, so dass die unteren 50 Prozent der Gesellschaft letztendlich davon profitieren. Doch um kurzfristige schmerzliche Einschnitte zugunsten langfristiger Vorteile hinzunehmen, müssen die Menschen ihrem Anführer vertrauen. Und wie es aussieht hat Macron das Vertrauen großer Teile der unteren 50 Prozent verloren.

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