haldar7_Kent Nishimura  Los Angeles Times via Getty Images_abortion rights Kent Nishimura / Los Angeles Times via Getty Images

In Amerika gehen Rechte verloren

CAMBRIDGE – Wer man bei seiner Geburt war, bestimmte einmal das gesamte restliche Leben: Sklave oder Herr, Kaiser oder Untertan, Edelmann oder Leibeigener, Mann oder Frau, Schwarz oder Weiß. Im Laufe der Zeit haben moralische Revolutionen die Idee überwunden, dass wir unsere Identitäten einfach vererbt bekommen.

Heute würden die meisten Menschen im Westen der Aussage zustimmen, dass Wahlfreiheit den Kern der persönlichen Identität bildet. Wir können in Armut geboren sein und trotzdem Präsident werden. Wir können als kinderlose Karrierefrau leben. Unser moralischer Fortschritt ist in Rechten verankert, dank derer wir werden können, was wir wollen – oder mit dem gleichen Schutz wie jeder andere offen als das leben können, was wir sind. Nun aber droht der geleakte Entwurf des Mehrheitsvotums des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten im Fall Dobbs gegen Jackson Women’s Health Organization uns in die finsteren Zeiten der biologischen Determinismus zurückzuwerfen.

Der von Richter Samuel Alito verfasste und vom Präsidenten des Gerichts als echt bestätigte Entwurf würde das ein halbes Jahrhundert alte Urteil im Fall Roe gegen Wade hinwegfegen, das ein verfassungsmäßiges Recht auf Abtreibung anerkennt. Soweit man weiß, werden vier von den Republikanern ernannte Richter – Clarence Thomas, Neil Gorsuch, Brett Kavanaugh undAmy Coney Barrett – mit Alito stimmen. Drei von den Demokraten ernannte Richter – Stephen Breyer, Sonia Sotomayor und Elena Kagan – sollen zurzeit an Sondervoten arbeiten. Über Roberts Position ist nichts bekannt. Und um alles noch schlimmer zu machen, wurde der Women’s Health Protection Act – ein Versuch, das Recht auf Abtreibung gesetzlich zu verankern – am 11. Mai im Senat blockiert, nachdem alle Republikaner und ein Demokrat dagegen gestimmt hatten.

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