roubini167_Michael M. SantiagoGetty Images_stock market falling Michael M. Santiago/Getty Images

Die stagflationäre Schuldenkrise ist da

NEW YORK: Seit inzwischen einem Jahrargumentiere ich, dass der Anstieg der Inflation von Dauer sein wird, dass seine Ursachen nicht nur eine verfehlte Politik, sondern auch angebotsseitige Schocks umfassen und dass der Versuch der Notenbanken, die Inflation zu bekämpfen, eine harte wirtschaftliche Landung hervorrufen wird. Wenn die Rezession kommt, so warnte ich, wird sie schwerwiegend, langwierig und von weit verbreiteter finanzieller Not und Schuldenkrisen gekennzeichnet sein. Ungeachtet ihrer falkenhaften Äußerungen könnten die in einer Schuldenfalle gefangenen Notenbanker noch immer „kneifen“ und eine über dem Zielwert liegende Inflation in Kauf nehmen. Jedes aus risikostarken Aktien und weniger risikobehafteten festverzinslichen Anleihen bestehende Portfolio würde aufgrund der höheren Inflation und gestiegenen Inflationserwartungen mit den Anleihen Geld verlieren.

Was ist nun aus diesen Vorhersagen geworden? Erstens haben die, die den Anstieg der Inflation als vorübergehendes Phänomen ansahen, die Inflationsdebatte gegenüber jenen, die von einer dauerhaften Inflation ausgingen, klar verloren. Zusätzlich zu einer übertrieben lockeren Geld-, Fiskal- und Kreditpolitik haben angebotsseitige Schocks zu einem steilen Anstieg des Preiswachstums geführt. Die COVID-19-Lockdowns führten zu Lieferengpässen einschließlich eines Arbeitskräftemangels. Chinas „Null-COVID“-Politik schuf noch weitere Probleme für die globalen Lieferketten. Der russische Einmarsch in der Ukraine sandte Schockwellen durch die Energie- und sonstigen Rohstoffmärkte. Und die Sanktionen allgemein – nicht zuletzt der Einsatz des US-Dollars und anderer Währungen als Waffe – hat zu einer weiteren Balkanisierung der Weltwirtschaft geführt, wobei „Friendshoring“ und Handels- und Einwanderungsbeschränkungen den Trend hin zur Deglobalisierung beschleunigen.

Inzwischen ist allen bewusst, dass diese anhaltenden angebotsseitigen Schocks zur Inflation beigetragen haben, und die Europäische Zentralbank, die Bank von England und die US Federal Reserve haben begonnen, einzugestehen, dass eine weiche Landung äußert schwer zu erreichen sein wird. Fed-Chef Jerome Powell spricht inzwischen von einer „einigermaßen weichen Landung“ mit zumindest „gewissen Schmerzen“. Derweil entwickelt sich das Szenario einer harten Landung zum Konsens unter Marktanalysten, Ökonomen und Anlegern.

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