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Argumente für eine vierpolige Welt

CAMBRIDGE, MASS.– Die Präsidentschaft Donald Trumps, der Amerikas globale Rolle geschwächt und sich zugleich geweigert hat, Chinas wachsenden Einfluss anzuerkennen, repräsentiert das letzte Aufbäumen einer unipolaren Epoche. Doch während viele annehmen, dass die unipolare Welt der Zeit nach dem Kalten Krieg einer bipolaren, von den USA und China dominierten internationalen Ordnung Platz machen wird, ist dieses Ergebnis weder unvermeidlich noch wünschenswert. Stattdessen gibt es jede Menge Gründe, auf eine Welt zu hoffen – und hinzuarbeiten –, in der Europa und die Schwellenländer eine durchsetzungsfähigere Rolle spielen.

Natürlich hat China als wirtschaftlich erfolgreichste Autokratie der Welt in Asien und darüber hinaus bereits beträchtlichen geopolitischen Einfluss erlangt. Während der beiden letzten globalen Krisen – dem Finanzcrash 2008 und der heutigen Pandemie – hat die Kommunistische Partei Chinas die politische Ökonomie des Landes rasch an sich wandelnde Umstände angepasst und so ihre Macht gefestigt. Länder, die nicht den Vorgaben der USA folgen wollen, orientieren sich heute regelmäßig in Richtung China, um sich dort Inspirationen und häufig auch materielle Unterstützung zu holen. Was also könnte natürlicher sein, als dass China als einer der beiden Pole globaler Macht hervortritt?

Tatsächlich wäre eine bipolare Welt zutiefst instabil. Ihr Entstehen würde (gemäß der Logik der Thukydides-Falle) die Gefahr gewaltsamer Konflikte erhöhen, und ihre Konsolidierung würde Lösungen für globale Probleme völlig von den nationalen Interessen der beiden herrschenden Mächte abhängig machen. Drei der größten Herausforderungen, vor denen die Welt heute steht, würden entweder ignoriert oder verschlimmert.

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