varoufakis93_ Arne Dedertpicture alliance via Getty Images_german economic model failing Arne Dedert/picture alliance via Getty Images

Sympathie für Deutschland

ATHEN – Es ist ein schreckliches Erwachen, wenn das Geschäftsmodell des eigenen Landes plötzlich implodiert. Es ist schwer zuzugeben, was doch offensichtlich ist: dass die politische Elite entweder verblendet war oder dich angelogen hat, als sie jahrzehntelang behauptete, dein hart erarbeiteter Lebensstandard sei sicher. Dass deine nahe Zukunft jetzt vom Wohlwollen von Ausländern abhängt, die dich vernichten wollen. Dass die Europäische Union, der du dein Vertrauen geschenkt hast, über lange Zeit die Wahrheit vor dir verschleiert hat. Dass deine EU-Partner, die du nun um Hilfe bittest, dich als den Bösen sehen, der endlich seine gerechte Strafe erhält. Dass die Wirtschaftseliten im In- und Ausland neue Wege suchen, um dein Land noch tiefer in die Sackgasse zu führen. Dass du gewaltige und schmerzhafte Veränderungen hinnehmen musst, damit sich nichts ändert.

Wir Griechen kennen dieses Gefühl. Anfang 2010 haben wir es hautnah erlebt. Heute stehen die Deutschen einer Wand von Herablassung, Antipathie und sogar Spott gegenüber. Auch wenn es ironisch erscheint, weiß kein anderes europäisches Volk besser als die Griechen, dass die Deutschen das nicht verdient haben, dass ihre missliche Lage das Ergebnis unseres kollektiven, europäischen Versagen ist und dass Schadenfreude niemandem – und besonders nicht den hart geprüften Griechen, Süditaliener, Spanien und Portugiesen (während der Krise auch PIGS genannt) – etwas bringt.

Inzwischen hat sich das Blatt gewendet, weil das deutsche Wirtschaftsmodell seit vielen Jahren auf niedrig gehaltenen Löhnen, billigem russische Gas und herausragenden Kompetenzen im klassischen Maschinenbau – und insbesondere dem Bau von Autos mit Verbrennungsmotor – beruht. Das hat in vier Phasen nach dem Zweiten Weltkrieg zu enormen Handelsüberschüssen geführt: im vom US-Dollar bestimmten Bretton-Woods-System, das feste Wechselkurse und den Marktzugang in Europa, Asien und Nord- und Südamerika gewährleistete. Nach dem Zusammenbruch von Bretton Woods, als sich der europäische Binnenmarkt für deutsche Exporte als äußerst lukrativ erwies. Nach der Einführung des Euro, als sich mittels Lieferantkrediten Güter und Kapital wie eine Sturzflut aus Deutschland in die europäische Peripherie ergossen und schließlich als Chinas Hunger nach Zwischenprodukten und Maschinen die gedämpfte Nachfrage nach deutschen Gütern in Südeuropa infolge der Eurokrise mehr als ausgeglichen hat.

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